* A Distributed Proofreaders Canada eBook *

This eBook is made available at no cost and with very few restrictions. These restrictions apply only if (1) you make a change in the eBook (other than alteration for different display devices), or (2) you are making commercial use of the eBook. If either of these conditions applies, please contact a https://www.fadedpage.com administrator before proceeding. Thousands more FREE eBooks are available at https://www.fadedpage.com.

This work is in the Canadian public domain, but may be under copyright in some countries. If you live outside Canada, check your country's copyright laws. IF THE BOOK IS UNDER COPYRIGHT IN YOUR COUNTRY, DO NOT DOWNLOAD OR REDISTRIBUTE THIS FILE.

Title: Türkische Märchen II

Date of first publication: 1924

Author: Theodor Menzel (editor)

Date first posted: Feb. 13, 2022

Date last updated: Feb. 13, 2022

Faded Page eBook #20220222

This eBook was produced by: Delphine Lettau, Balkanique, Cindy Beyer & the online Distributed Proofreaders Canada team at https://www.pgdpcanada.net



Beiträge  zur  Märchenkunde

des  Morgenlandes

 

herausgegeben

von

Georg  Jacob  und  Theodor  Menzel

 

——

 

III. Band:

Türkische  Märchen  II

Der  Zauberspiegel

von

Theodor  Menzel

 

 

HANNOVER  1924

ORIENT-BUCHHANDLUNG  HEINZ  LAFAIRE


Türkische  Märchen  II

Der  Zauberspiegel

 

Türkische Märchen, zum erstenmal aufgezeichnet

und ins Deutsche übersetzt

 

von

 

Theodor  Menzel

 

 

HANNOVER  1924

ORIENT-BUCHHANDLUNG  HEINZ  LAFAIRE


Der Zauberspiegel


Inhaltsangabe
  
Seite
1.Der Zauberspiegel1
2.Der dankbare Fisch19
3.Das schöne Rebhuhn28
4.Das Meerroß42
5.Der Vogel Phönix54
6.Die drei Pomeranzen63
7.Die Zwillinge69
8.Unverletzlichkeit des Gastgebers80
9.Der Fuchs als Brautwerber83
10.Der betrogene Betrüger89
11.Die treue Frau102
12.Wettstreit der beiden Diebe109
13.Die Schlechtigkeit der Frauen116
14.Dilrukesch127

Der Zauberspiegel.

Es war einmal eine Frau und ihr Mann. Sie hatten einen Sohn. Der Bursche besaß einen Esel. Er holte vom Gebirge immer eine Last Holz, die er verkaufte, und damit fristeten sie ihr Leben. Einst sagte der Mann zu seiner Frau: „Wenn ich sterben sollte, so nimm — unser Kind ist ja noch klein — den Esel und übergib ihn dem Imam des Stadtviertels, bis das Kind groß wird. Ist der Junge herangewachsen, so nimmst du den Esel zurück und übergibst ihm denselben. Damit werdet ihr euren Lebensunterhalt finden.“

Als nun seine Lebenszeit um war, da starb der Mann. Seine Frau erfüllte das Vermächtnis ihres Gatten: Sie nahm den Esel und außerdem die Axt, die er zum Holzfällen hatte, und übergab beides dem Imam.

Nach ein paar Jahren wurde der Knabe groß. Die Mutter gab den Knaben bei 32 Handwerken in die Lehre. Der Knabe konnte aber kein einziges erlernen. Da sagte er zu seiner Mutter: „Was war das Handwerk meines Vaters? Ich kann kein anderes Handwerk erlernen als das seine.“ Seine Mutter sagte darauf: „Zum Kuckuck mit dem Handwerk deines Vaters! Er ging immer hin und brachte aus dem Forst eine Last Holz. Damit brachten wir uns durch.“ Der Knabe sagte nun zu seiner Mutter: „Mutter, besaß mein Vater denn gar kein Arbeitsgerät?“ Die Mutter sagte: „Er hatte eine Axt und einen Esel. Bevor er starb, traf er seine letztwillige Verfügung. Ich übergab beides dem Imam des Stadtviertels.“ Der Knabe sprach: „Mutter, geh hin und bring die Pfänder meines Vaters!“ Die Frau ging also hin und holte die Axt und den Esel und brachte sie ihm.

Da sagte der Knabe zu den Nachbarn: „Tut es auch mir zu wissen, wenn ihr geht. Wir wollen zusammen ins Holz gehen!“ Sie legten sich schlafen. Des Nachts kamen nun seine Kameraden, um ins Holz zu gehen, und riefen ihn. Seine Mutter sah, daß der Junge im Schlafe schwitzte. Da sagte sie: „Mein Sohn geht heute nicht mit. Geht ihr nur allein!“ und schickte seine Kameraden fort. Denn sie wollte ihren Jungen nicht aus dem Schlafe aufwecken.

Am Morgen erwachte nun der Junge und fragte seine Mutter: „Haben die Nachbarn mich denn nicht gerufen? Ich wollte mit ins Holz gehen!“ Da sagte die Mutter: „Sie haben dich gerufen. Aber du warst im Schweiß. Ich konnte es nicht über mich bringen, dich aufstehen zu lassen.“

Voll Ärger über seine Mutter nahm der Knabe den Esel und machte sich allein auf den Weg. Er kam in einen Wald. Da vernahm er ein Stampfen, das bis zu ihm drang. Er sagte sich: „Siehe, da habe ich die Genossen schon gefunden!“ Er stieg also ab, ließ den Esel dortselbst zurück, nahm die Axt und begab sich an den Platz, von wo das Stampfen kam. Da sah er, daß ein Hirsch und eine Schlange miteinander kämpften. Der Knabe dachte darüber nach, wen von beiden er erschlagen sollte. Er sagte bei sich: „Das Fleisch der Schlange ißt man nicht. Ich will darum diesen Hirsch erschlagen und mitnehmen.“ Da tat er nach dem Hirsch einen Axthieb und tötete ihn.

Die Schlange schlang sich nun um den Knaben und sagte: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Sohn des Schlangenkönigs. Seit sieben Jahren streite ich schon mit diesem Hirsch. Weder konnte der Hirsch mich, noch konnte ich den Hirsch unterkriegen. Da kamst du und rettetest mir das Leben. Wir werden jetzt zu meinem Vater gehen. Wenn mein Vater dir auch noch so viel Geld geben will, so nimm es nicht! Sag nur: Wenn du mir den unter deiner Zunge befindlichen Spiegel gibst, so werde ich ihn nehmen.“

Der Junge folgte der Schlange nach und ging mit ihr. Sie kamen auf eine weite Ebene. Da sah er, daß sich dort ein Tor auftat. Die Schlange sagte: „Folge mir nach. Hier gibt es zwar der Schlangen viel. Doch fürchte dich nicht!“ Sie traten zu dem Tore ein. Die dort befindlichen Drachen und Schlangen begrüßten ehrfurchtsvoll den Sohn des Padischah. Sie schritten beide vorwärts und sahen, daß der Schlangenkönig da thronte.

Der Schlangenkönig sagte: „Mein Sohn, ach, da bist du ja! Willkommen! Wir haben dich seit sieben Jahren nicht mehr gesehen. Wir meinten schon, der Menschensohn habe dich getötet.“ Da sagte der Sohn des Schlangenkönigs: „Vater, im Gegenteil, dieser Menschensohn hier hat mich gerettet. Seit sieben Jahren habe ich mit einem Hirsch zusammen gekämpft. Weder konnte der Hirsch mich, noch auch ich den Hirsch unterkriegen. Da kam dieser Held und erschlug den Hirsch. Er hat mich gerettet.“ Der Schlangenkönig sagte: „Da du meinen Sohn gerettet hast, so erbitte von mir, was du nur immer willst! Ich will deinen Wunsch erfüllen.“ Der Junge sagte: „Mein Padischah, mein Wunsch ist Ihr Wohlsein.“ Der Schlangenkönig sagte: „Von meiner Gesundheit hast du keinen Nutzen. Willst du Geld? So viel du willst, will ich dir geben.“ Der Junge sagte: „Mein Padischah, ich will sonst nichts. Wenn Ihr ihn mir gebt, so will ich den unter Eurer Zunge befindlichen Spiegel.“ Der Schlangenkönig sagte: „Mein Sohn, du hast da einen sehr schweren Wunsch getan: das ist das Siegel der Frau.“ Mit den Worten: „Ich will nichts anderes!“ stand der Junge auf und auch der Sohn des Schlangenkönigs erhob sich und wollte mit ihm fortgehen. Da sagte der Padischah: „Mein Sohn, wohin gehst du denn jetzt?“ Er antwortete: „Vater, du hast mich um einen Spiegel verkauft. Dieser Held hat mich gerettet. Wo immer er sich befindet, da werde auch ich mich befinden.“ Da rief der Schlangenkönig den Helden zurück. Er zog unter seiner Zunge den Spiegel hervor und gab ihn dem Jungen. Der Sohn des Padischah sagte: „Vater, ich will diesen Helden nur zur Türe hinausführen und dann kommen.“ Er geleitete ihn hinaus und sagte: „Wenn du diesen Spiegel öffnest, so bringt man dir herbei, was immer du dir wünschest.“

Als der Sohn des Schlangenkönigs zurückgekehrt war, sah der Junge, daß auf jener ganzen Ebene weder ein Tor noch sonst irgend etwas mehr vorhanden war. Der Knabe sagte bei sich: „Der Padischah hat mir so viel Geld angeboten. Ich habe es nicht genommen. Was werde ich nur mit diesem Spiegel anfangen?“ Mit den Worten: „Ich will doch sehen, was für gute Eigenschaften dieser Spiegel hat!“ öffnete er den Spiegel. Da sah er, daß fünf, sechs Neger kamen. Sie sagten alle: „Efendim, laß uns hören, was du willst!“ Da verlangte er den Esel und die Axt. Sie holten nun den Esel zusammen mit der Axt und brachten sie ihm. Indem er den Esel vor sich hertrieb, gelangte er wieder nach Hause.

Er klopfte an die Türe und rief seine Mutter. Die Mutter kam und öffnete die Türe. Sie fragte: „Wo bist du seit 8-10 Tagen geblieben?“ Er sagte: „Mutter, frag nur nicht!“ Sie setzten sich. Da sagte er: „Mutter, ich bin hungrig. Bring zu essen. Ich möchte essen!“ Die Mutter sagte: „Mein Sohn, du hast nichts mitgebracht. Was ist denn da, was ich dir bringen könnte?“ Da sprach er: „Mutter, geh nur die Treppe hinauf und bring etwas!“ Als die Mutter die Treppe hinaufzugehen begann, da öffnete der Junge den Spiegel. Sofort kamen die Neger und sagten: „Was willst du, Efendim?“ Er sagte: „Ehe meine Mutter noch ganz hinaufgestiegen ist, füllt den Raum oben mit allen möglichen Sachen an!“ Als nun seine Mutter hinaufgestiegen war, da gab es droben schon alle möglichen Sachen. Seine Mutter kam herab und sagte: „Mein Sohn, wessen Haus hast du ausgeraubt und was für Sachen sind es, die du da hergebracht hast?“ Der Junge sagte: „Gott hat es gegeben. Wessen Haus sollte ich ausrauben?“ Seine Mutter aber hörte nicht darauf und sagte: „Ihr habt eine Dieberei gemacht!“ Sie ging und rief den Imam und den Vorsteher des Stadtviertels. Bevor der Imam und der Muchtar kamen, öffnete der Junge den Spiegel. Die Neger kamen. Er sagte zu ihnen: „Ich will ein Kaffee-Service und alles Dazugehörige haben.“ Sie brachten es. Der Knabe stellte das Kaffeekännchen auf den Herd ans Feuer. Als der Imam und der Muchtar kamen, sagte der Junge: „Bitte, tretet ein, setzt euch, Nachbarn!“ Er kochte für sie Kaffee. Nachdem die Nachbarn Kaffee getrunken hatten, sagten sie: „Mein Sohn, du hast eine Dieberei begangen.“ Er sagte: „Ich habe nicht gestohlen. Gott hat es mir gegeben.“ Nachdem die Nachbarn wieder gegangen waren, sagte der Junge: „Mutter, ich kann in Zukunft mit dir nicht mehr zusammenleben. Diese Vorräte werden dir bis zum Tode reichen.“ Damit stand der Junge auf, sagte: „Gott befohlen!“ und machte sich auf den Weg und ging fort.

Nachdem er ein paar Stunden gegangen war, fühlte er Hunger. Er öffnete den Spiegel. Da kamen die Neger und sprachen: „Efendim, was willst du?“ Er sagte: „Ich bin hungrig. Bringt mir etwas zum Essen. Ich will essen.“ Sofort kam ein Tisch. Der Junge setzte sich an den Tisch. Während er aß, kam ein Derwisch, der den Gruß bot. Der Junge sagte: „Bitte, setzt euch, Derwisch Baba!“ Der Derwisch setzte sich an den Tisch. Nachdem er gegessen hatte, sagte er: „Mein Sohn, woher hast du dieses Essen genommen? Du hast doch kein Feuer angezündet?“ Der Junge sagte: „Derwisch Baba, du hast dich doch sattgegessen! Zu was fragst du?“ Er entgegnete: „Mein Sohn, ich bin neugierig.“ Der Junge sagte nun: „Ich habe einen Spiegel. Der bringt mir alles.“ Der Derwisch sagte: „Mach ihn einmal auf! Ich möchte mir diesen Spiegel ansehen!“ Da öffnete er den Spiegel. Die Neger kamen und sagten: „Was willst du, Efendim?“ Der Junge sprach: „Bringt auf das Essen noch eine Nachspeise! Wir wollen essen!“ Es kamen nun 3-4 Okka Trauben. Nachdem sie die Trauben gegessen hatten, sagte der Derwisch: „Ich habe ein Schwert. Ich will es für diesen Spiegel vertauschen.“ Der Junge meinte: „Du hast die Wundereigenschaft meines Spiegels gesehen. Was hat dein Schwert für eine gute Eigenschaft?“ Als der Derwisch sagte: „Die gute Eigenschaft meines Schwertes ist die und die“, ging von weitem ein Mann vorüber. Der Derwisch sagte: „Mein Schwert! Erschlag diesen Mann, nimm alles, was er hat, und bring es her!“ Da ging das Schwert hin, erschlug den Burschen und nahm alles, was er hatte, und brachte es her. Der Junge nahm nun das Schwert und gab den Spiegel dafür. Beide trennten sich.

Nachdem der Junge ein wenig weitergegangen war, sagte er zu dem Schwerte: „Mein Schwert! Erschlag diesen Derwisch! Nimm meinen Spiegel und bring ihn her!“ Da ging das Schwert hin und erschlug den Derwisch, nahm den Spiegel und brachte ihn dem Jungen.

Der Junge begann wieder weiterzuwandern. Nachdem er ein Stück weitergegangen war, wurde er wieder hungrig. Da öffnete er den Spiegel. Als die Neger kamen, verlangte er Essen. Während er aß, kam wieder ein anderer Derwisch. Er bot den Selam. Der Junge lud ihn ein. Es ging mit ihm wie mit dem anderen Derwisch. So wie er es mit dem Schwert gemacht hatte, so nahm er dem später gekommenen Derwisch einen Stock ab.

Wieder machte sich der Junge dann auf den Weg und begann weiterzuwandern. Nachts gelangte er in ein Dorf. Er sah, daß vor dem Dorfe eine Quelle war und wollte darum in diesem Dorfe bleiben. Er öffnete den Spiegel, und die Neger kamen. Sie sagten: „Efendim, was willst du?“ Er sagte: „Ich will von euch einen Konak haben, in dem alles vollkommen sein soll!“ Sie errichteten einen solchen Konak, wie seinesgleichen in jener Gegend niemals gewesen war. Als die Nachbarn am Morgen aufstanden, da sahen sie, daß bei der Quelle ein Konak errichtet worden war. Sie begannen davonzulaufen und sagten: „Was ist das? Hat der Satan in einer einzigen Nacht diesen Konak errichtet?“

Eine alte Frau sagte: „Ich will hingehen und Kunde von dort bringen.“ Sie sagten zu ihr: „Ums Himmels willen, geh doch ja und bring uns Kunde! Wir wollen dir dafür geben, was du willst.“ Die alte Frau ging nun hin. Sie trat zum Tor ein und stieg die Treppe hinauf. Da sah sie dort einen Mann sitzen. Sie sagte: „Mein Sohn, wer bist du?“ Er sagte: „Fürchte dich nicht! Komm nur herauf!“ Sie sprach: „Mein Sohn! Die Nachbarn laufen alle davon. Sie fürchten sich vor dir.“ Er sagte: „Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Sie sollen nur kommen! Ich werde ihnen geben, was sie wollen.“ Dabei gab er der alten Frau ein Handvoll Gold. Da ging die Alte hin, kam zu den Nachbarn und sagte: „Fürchtet euch nicht! Er gibt euch, was ihr wollt.“ Die Nachbarn begaben sich nun zu dem Jungen. Er gab einem jeden, was er nötig hatte.

Nach ein paar Tagen kamen ein paar alte Weiber an die Quelle, um Wasser zu holen. Sie füllten ihre Krüge und begannen zu schwätzen. Beide schwätzten an jenem Platze bis zum Abend miteinander. Das wurde dem Jungen zuwider. Er öffnete den Spiegel. Die Neger kamen und sagten: „Was willst du, mein Bej?“ Er sagte: „Schießt einen Pfeil auf die Krüge dieser Weiber!“ Dadurch zerbrachen die Krüge der Frauen und fingen zu rinnen an. Eine von den Frauen sagte nun: „Daß dich doch der Zorn der Pembe Güzel (der rosigen Schönen) träfe!“

Da begann der Junge darüber nachzudenken. Er sagte sich: „Wer mag wohl diese Pembe Güzel sein?“ Da kam ihm der Spiegel in den Sinn. Er öffnete ihn. Die Neger kamen und sagten: „Was willst du, Efendim?“ Er sagte: „Bringt die Pembe Güzel samt ihrem Bette hieher!“ Als der Junge am Morgen aufstand, da sah er die Pembe Güzel mit ihrem Bette daliegen. Er sagte: „Steh auf, wir wollen sehen, was los ist!“ Das Mädchen stand auf. Da ließ der Junge seine Nachbarn rufen und verheiratete sich mit diesem Mädchen.

Dieses Mädchen war jedoch die Tochter des Padischah von Rußland. Der Herrscher von Rußland fing nun an, seine Tochter zu suchen. Er sagte: „Wohin ist in einer einzigen Nacht diese meine Tochter verschwunden?“

Unterdessen vergingen ein, zwei Jahre. Von diesem Mädchen kam ein Knabe zur Welt. Das Mädchen und der Efendi liebten einander sehr.

Auf der anderen Seite suchten die Kosaken immerfort allenthalben nach der Pembe Güzel. Eine alte Frau sagte zu ihnen: „Was streift ihr denn hier herum? Ihr seid doch früher nicht hiehergekommen!“ Sie sagten: „Wir suchen die Tochter des Herrschers von Rußland. Sie ist eines Nachts verschwunden.“ Da sagte die Frau: „Was wird mir der Herrscher von Rußland geben, wenn ich sie herbringe?“ Sie sagten: „Er wird dir eine Pension aussetzen und wird dir geben, was du willst.“ Da sprach sie: „Geht nur! Ich werde dieses Mädchen in etwa 40 Tagen bringen.“

Die Frau ging nun zu der Pembe Güzel. Sie sagte zu ihr: „Ich will bei dir Dienerin werden.“ Pembe Güzel entgegnete: „Der Bej kommt erst am Abend nach Hause. Ich will es ihm sagen und will dich zu mir nehmen.“ Als der Jüngling am Abend kam, teilte sie es ihm mit. Er sagte: „Nimm sie nur!“ Pembe Güzel nahm also diese alte Frau zu sich. Der Junge aber ging jeden Tag ins Gebirge auf die Jagd.

Nach ein paar Tagen sagte die Alte zu Pembe Güzel: „Der Bej liebt dich nicht sehr.“ Sie antwortete: „Warum liebt er mich nicht sehr?“ Die Frau sprach: „Wenn er dich sehr liebte, so würde er dir sein Geheimnis sagen. Von dem Reiche deines Vaters hieher ist ein Weg von drei Monaten. Er hat dich aber in einer einzigen Nacht hiehergebracht.“

Als der Junge am Abend nach Hause kam, sah er, daß das Gesicht der Hanym nicht fröhlich war. Er sagte: „Hanym, was hast du für einen Kummer?“ Sie sagte: „Warum soll ich keinen Kummer haben? Du liebst mich nicht sehr. Wenn du mich liebtest, würdest du mir dein Geheimnis sagen! Du hast mich doch in einer einzigen Nacht aus dem Reiche meines Vaters hiehergebracht!“ Er sagte: „Hanym, ich habe dich mit diesem Spiegel hiehergebracht.“ Damit gab er der Hanym den Spiegel. Sie öffnete ihn. Da kamen die Neger. Die Hanym fürchtete sich und klappte den Spiegel zu. Die alte Frau aber belauschte sie an der Türe. Der Spiegel blieb bei der Hanym.

Als es Morgen wurde, ging der Junge wieder auf die Jagd. Die alte Frau kam nun zu der Hanym und sagte: „Hanym, womit hat er dich hiehergebracht?“ Die Hanym antwortete, daß er sie mit dem Spiegel hergebracht habe. Die Alte sagte: „Wie ist denn eigentlich dieser Spiegel beschaffen? Ich möchte ihn ansehen.“ Dazwischen plauderten sie — und der Spiegel blieb bei der Alten. Abends kam der Junge nach Hause. Die Hanym vergaß, den Spiegel von der Alten zurückzuverlangen. Sie legten sich schlafen. Da öffnete die Alte den Spiegel. Die Neger kamen und sagten: „Was willst du?“ Sie sagte: „Ich will, daß ihr die Pembe Güzel und mich nach dem Konak des Herrschers von Rußland bringt. Reißt auch den Konak hier ein. Den Bej mit dem Kind zusammen steckt in einen Pferdewanst! Jetzt bringt die Pembe Güzel mit mir in den Konak des Herrschers von Rußland!“

Als am Morgen alles im Konak des Königs aufstand, da befanden sie sich schon dort. Man brachte dem König die Freudenbotschaft: „Deine Tochter ist mit einer alten Frau wieder gekommen.“ Da gab der König der alten Frau vierzig Dienerinnen. Was aber seine Tochter anlangt, so sagte er, daß sie vierzig Tage Trauer halten und nichts essen sollte.

Wir wollen jetzt zu dem Jungen kommen. Als der Junge des Morgens erwachte, sah er, daß er das kleine Kind im Arm hatte und sich in einem Pferdewanst befand. Die Nachbarn sahen, daß der Konak eingestürzt war und niemand mehr darin geblieben war. Sie sahen auch den Eigentümer des Konaks mit dem Kinde im Arm herbeikommen. Da gingen sie ihm entgegen und sagten: „Was ist das für ein Aufzug?“ Er sagte: „Nachbarn, fragt doch nicht erst!“ Man brachte ihm Wäsche und gab sie ihm. Der Junge sagte: „Imam, dieses Kind ist ein Unterpfand für dich. Wenn ich zurückkomme, ist es mein Kind. Wenn ich nicht mehr komme, soll es dein sein!“

Sodann machte sich der Junge auf den Weg. Nach ein paar Tagen kam er in das Reich des Herrschers von Rußland. Dieser hatte vierzig Köche. An dem Tage, an dem der Junge hinkam, starb einer von den Köchen. Er bat nun den Oberkoch und ging zu ihm als Gehilfe. Jeder von den Köchen hatte einen Hund und eine Katze. Auch der Junge nahm sich einen Hund und eine Katze.

Pembe Güzel blieben noch fünf Tage von ihrer Trauerzeit. Es hieß: „Nach fünf Tagen wird sie wieder essen.“ Da sagte der Junge zum Oberkoch: „Ich will ihr eine Schale Suppe hinbringen.“ Der Oberkoch sagte: „Bring sie ihr nur hin!“ Der Bursche nahm also die Suppe und ging zu der Türe des Zimmers von der Pembe Güzel. Nun hatte Pembe Güzel früher dem Jungen einen Siegelring gegeben. Er hatte ihn an seinem Finger. Er zog nun den Ring herunter und ließ ihn in die Suppe fallen. Dann sagte er zu den Dienerinnen: „Ich habe der Pembe Güzel die Suppe gebracht.“ Die Dienerinnen sagten: „Bis zur Beendigung der Trauer sind noch fünf Tage.“ Er aber sprach: „Wenn die Hanym die Suppe auch nicht ißt, so soll sie sie doch einmal umrühren.“ Pembe Güzel hörte die Stimme des Jungen und sagte zu sich: „Das ist unser Efendi!“ Sie sagte darum zu den Dienerinnen: „Bringt mir die Suppe!“ Das Mädchen nahm dann den Löffel und rührte die Suppe um. Da sah sie darin den Siegelring liegen, den sie ihrem Efendi gegeben hatte. Sie nahm den Siegelring heraus und begann die Suppe zu essen.

Man brachte dem Herrscher von Rußland die Kunde: „Deine Tochter hat die Trauer gebrochen.“ Er sagte: „Dann ist wohl ihr Efendi gekommen.“ Er ließ den Oberkoch vor sich rufen und sagte: „Hast du in diesen Tagen einen neuen Menschen angenommen?“ Der Oberkoch erklärte, daß dies der Fall sei. Da sagte der Herrscher: „Ruft ihn mir! Er soll hieherkommen!“ Als der Junge zum König kam, befahl dieser, daß er hingerichtet werden sollte. Die Minister sprachen: „Vergieße nicht sein Blut! Laß ihm die Augen ausstechen und ihn in den Blutbrunnen werfen!“ Man stach ihm also die Augen aus und warf ihn in den Blutbrunnen.

Seine Katze und sein Hund fingen ihren Herrn zu suchen an. Als sie herausbrachten, daß er im Blutbrunnen sei, gingen sie zu dem Brunnen hin. Auf die Mündung des Brunnens hatte man einen Stein gedeckt. Da machten sie auf der einen Seite ein Loch. Die Katze sagte: „Ich will hinabspringen. Bring du an Speisen, was du nur findest, und wirf es hinab! Wir wollen es zusammen mit dem Bej essen.“ Die Katze fiel in den Brunnen hinab und sah, daß ihr Agha dort war. Ihr Herr nahm sie an seine Brust. Die Sachen, die man in den Brunnen hinabwarf, pflegten sonst die Ratten aufzufressen. Die Katze tötete nun die Ratten, die da kamen. Da sagten die Ratten: „Löwe, was willst du von uns haben? Was in den Brunnen kommt, ist unser Anteil. Wir essen es auf.“ Da sagte der Junge: „Ich will von euch einen so und so beschaffenen Spiegel haben.“

Da gingen die Ratten hin und sprachen zu dem Rattenkönig: „In den Brunnen ist ein Löwe gekommen. Er erschlägt uns alle. Als wir ihn fragten, verlangte er von uns einen so und so beschaffenen Spiegel.“ Der Rattenkönig versammelte nun seine Mannen und sagte: „Ich will von euch einen so und so beschaffenen Spiegel haben!“ Da sagten sie: „Wir kennen ihn nicht.“ Er fragte: „Ist denn nicht sonstwo noch ein Soldat übrig geblieben?“ Da sprachen sie: „An dem und dem Orte ist noch eine lahme Ratte übriggeblieben.“ Er sagte: „Bringt auch sie hieher!“ Als sie kam, sagte der Rattenkönig zu ihr, nämlich zu der lahmen Ratte: „Kennst du einen so und so beschaffenen Spiegel?“ Da antwortete sie: „Ich kenne ihn. Er befindet sich im Konak des Herrschers von Rußland unter der Zunge einer alten Frau.“ Man sagte ihr: „Kannst du ihn herbeischaffen?“ Sie sagte: „Ich werde ihn herbeischaffen.“ Da machte sich die lahme Ratte auf den Weg. Sie ging in den Konak des Königs und betrat das Zimmer der Alten. Die alte Frau hatte Schnaps und Wein getrunken und lag nun da im Schlaf. Da steckte ihr die lahme Ratte den Schwanz in die Nase. Die Alte nieste und der Spiegel fiel auf die Erde. Sofort packte ihn die lahme Ratte und entwischte mit ihm. Die Alte schrie nun auf die vierzig Dienerinnen los mit den Worten: „Mein Spiegel!“

Die lahme Ratte brachte den Spiegel dem Rattenkönige. Dann gab man ihn der Katze. Diese wiederum gab ihn ihrem Herrn. Der Junge öffnete den Spiegel. Da kamen die Neger und sagten: „Was willst du?“ Er sagte: „Bringt mir meine Augen!“ Da brachten sie ihm seine Augen. Es wurde mit seinem Augenlichte so, wie es früher gewesen war. Dann sagte er: „Bringt mich jetzt mit meiner Katze zusammen nach oben!“ Sie brachten beide aus dem Brunnen heraus. Da sahen sie, wie der Hund eben eine Haut herbeischleppte. Als der Hund seinen Herrn sah, ließ er die Haut fahren und kam zu seinem Herrn gelaufen.

Der Junge sagte, indem er den Spiegel öffnete: „Füllt diesen Brunnen mit getrocknetem Fleisch (pastyrma) und anderen eßbaren Sachen an. Die Ratten sollen etwas zum Essen haben!“ Sie füllten also den Brunnen damit an. Der Junge öffnete wiederum den Spiegel und wünschte sich ein Zelt, wie seinesgleichen sich in keinem Reiche befand. Auch wünschte er sich das Schwert und den Stab. Als der König am Morgen aufstand, sah er dort ein Zelt aufgespannt, wie seinesgleichen sich in keinem Reiche fand. Da schickte der Herrscher von Rußland seinen Gesandten und sagte: „Bring mir von dort Nachricht!“

Der Gesandte kam zu dem Zelte und sagte: „Was bist du für ein Mensch, daß du ein solches Zelt aufgemacht hast?“ Der Junge sagte: „Geh und sag dem Herrscher von Rußland, er solle mir meine Hanym geben, sonst werde ich ihm den Palast über dem Kopf zum Einsturz bringen!“ Der Gesandte kam und meldete dem König, was er ihm gesagt hatte. Da ward den Soldaten der Befehl zum Angriff erteilt und das Heer machte sich gegen den Jungen auf. Als der Junge sah, daß die Soldaten heranrückten, gab er dem Schwerte Befehl. Dieses fuhr auf der einen Seite in die Reihen der Soldaten hinein und kam auf der anderen Seite wieder heraus und vernichtete eine ganze Armee von Soldaten. Es kam zur Beratung bei den Russen. Da wurde die Meinung laut: „Wegen eines Mädchens wird so viel Volk erschlagen. Gib sie ihm! Er soll seine Hanym nehmen und mit ihr fortziehen!“

Der König sandte an den Jungen also nochmals einen Gesandten und ließ ihn fragen, was er verlange. Da verlangte er die alte Frau und seine Hanym. Der Padischah sagte: „Wir wollen sie ihm geben!“ Und er empfing den Jungen, und sie gingen in den Palast des Königs hinein. Der Padischah richtete dem Mädchen eine große Hochzeit aus.

Nach ein paar Tagen erklärte der Junge, daß er die Hanym mitnehmen und fortgehen werde. Er nahm also die alte Frau und die Hanym mit sich und machte sich auf den Weg. Eines Nachts kamen sie zu dem Dorfe, wo der Junge früher den Konak hatte errichten lassen. Er öffnete wieder den Spiegel. Die Neger kamen und sagten: „Efendim, was willst du?“ Da sagte er: „Ich will von euch wieder einen Konak haben, der noch besser sein soll als das erste Mal.“ Sie errichteten also einen Konak, der noch fünfmal besser war als das vorige Mal.

Als die Nachbarn sahen, daß der Konak ihres Bej wiederum errichtet war, kamen sie alle zum Efendi. Da sahen sie, daß auch die Hanym wieder da war. Sie waren darüber hocherfreut. Der Imam brachte ihm seinen Sohn und übergab ihm denselben.

Die alte Frau kam mit vierzig Dienerinnen hinterdrein. Als sie zum Tor des Konak gekommen waren, öffnete der Junge den Spiegel. Die Neger kamen und sagten: „Was willst du?“ Da sagte er: „Ich will nichts von euch. Bringt nur eine Tabak-Schneidemaschine. Ihr müßt die Alte in diese Tabak-Maschine stecken und sie zusammenhacken, wie man Tabak hackt.“ Da zerhackten sie sie so fein wie Tabak.

Die vierzig Dienerinnen der Alten gerieten in Furcht. Er aber sagte: „Fürchtet euch nicht! Kommt nur herauf!“ Er nahm diese vierzig Dienerinnen zu sich. Dann veranstaltete er wieder vierzig Tage lang ein Hochzeitsfest und richtete ein prächtiges Gastmahl an. Und sie fingen an, weiterzuleben, wie vorher.

Der dankbare Fisch.

Der Zustand desjenigen, der geht, der fragt, der ohne Erlaubnis in den Garten eintritt, ist dieser. Es ist die Geschichte vom Padischah. So oft ich den Namen sage, geht mir der Geschmack daran verloren. Der Mutter desjenigen, der anders redet, werde ich das Schlimmste antun, bucklicher Kadi.

Einstmal fing ein Fischer mit seinem Sohne zusammen Fische. Er warf das Netz und zog einen schönen Fisch heraus. Der Vater ermahnte den Sohn: „Wir wollen diesen Fisch dem Pascha bringen. Er soll uns dafür ein gutes Bachschisch geben!“ Der Sohn sagte: „Sehr wohl!“ Als aber sein Vater weggegangen war, ließ er den Fisch wieder zurück ins Wasser. Wie es nun Abend wurde, fragte der Vater: „Mein Sohn, wo ist eigentlich der Fisch? Bring ihn dem Pascha! Wir wollen ein Bachschisch dafür nehmen!“ Der Sohn sagte: „Vater, ich habe den Fisch wieder ins Wasser geworfen.“ Der Vater erhob darüber Lärm und gab dem Sohn eine Ohrfeige. Er sagte: „Warum hast du den Fisch ins Wasser geworfen?“ Nunmehr erklärte der Sohn: „Ich werde nach Konstantinopel gehen.“

Während er auf dem Wege nach Konstantinopel war, sah er, nachdem er 3-4 Stunden gegangen war, einen Mann dasitzen. Er sagte: „Der Gruß sei auf euch!“ Der Mann sprach: „Mein Sohn, wohin gehst du?“ Er sagte: „Ich gehe nach Konstantinopel.“ Der Mann sagte: „Wie ist’s? Wollen wir zusammen gehen! Wollen wir Brüder sein! Alles was wir immer gewinnen, Gut und Geld, wollen wir zur Hälfte teilen.“

Sie brachen also von da nach Konstantinopel auf. Dort ließen sie sich in einem Kaffeehaus nieder. Der Fischersohn blieb dortselbst. Der andere aber ging aus und arbeitete und brachte alles, was er gewann, am Abend heim. Das verzehrten sie zusammen.

Nun war die Tochter des damaligen Padischah stumm. Sie kann nicht reden. Der Padischah gibt einem jeden, den Chodschas (Besprechern), den Ärzten, Geld. Sie spricht aber nicht. Der Padischah ließ einen Ausrufer ausrufen. Allerorten ließ er verkünden: „Wer immer diese meine Tochter zum Reden bringt und zum Sprechen veranlaßt, dem werde ich sie nach Gottes Befehl zur Frau geben. Wenn er sie aber nicht zum Sprechen veranlassen kann, so lasse ich ihm den Kopf abschlagen.“

Der Kamerad sagte: „Ich werde hingehen und das Mädchen zum Sprechen bringen. Ich werde sie zum Sprechen bringen und werde sie dann nach Gottes Befehl zur Frau nehmen.“ Der Bursche machte sich also auf, der Sohn des Fischers aber blieb im Kaffeehaus. Sein Kamerad ging in den Palast des Padischah. Er erklärte: „Ich werde die Tochter des Sultans zum Sprechen bringen.“ Damit betrat er das Zimmer. Die Sultanstochter saß da mit 40 Sklavinnen. Auch der Padischah saß auf der anderen Seite.

Der Jüngling sagte zu den Mädchen: „Erzählt doch eine Geschichte! Wir wollen zuhören!“ Die Dienerinnen der Prinzessin aber sagten: „Wir wissen keine Geschichte. Erzähl du uns eine. Wir wollen zuhören!“ Da spricht der Jüngling zu den Sklavinnen:

Es war einmal einer, es war einmal keiner. Einstmals war in einer Stadt ein Kadi. Der Kadi hatte eine Tochter. Drei Jünglinge freiten um sie nach Gottes Befehl. Die Tochter des Kadi aber sagt: „Ihr sollt nach Konstantinopel gehen. Wer von euch am meisten Geld gewinnt, den heirate ich nach Gottes Befehl.“ Die Freier begaben sich also nach Konstantinopel. Zwei Jahre arbeiteten sie alle drei dortselbst. Tags über gingen alle drei aus, um getrennt, ein jeder für sich zu arbeiten. Wenn es Abend wird, legen sie sich an demselben Orte schlafen. Da sagten sie: „Es sind nun zwei Jahre vergangen. Heute abend wollen wir zusammenrechnen, wer am meisten gewonnen hat.“ Nun hatte jeder, wie sich herausstellte, 1000 Piaster gewonnen. Nicht mehr und nicht weniger. Es war kein Unterschied auch nur von fünf Piastern. Sie sagten aber gleichwohl: „Wir wollen in die Heimat zurückkehren!“

Als es Morgen wurde, ging der eine von ihnen auf den Bazar, um für sein Geld etwas einzuhandeln. Auf dem Bedestan verkaufte man einen Spiegel. Er fragte: „Wie hoch ist der Preis dieses Spiegels?“ Man sagte: „Dieser Spiegel kostet 1000 Piaster.“ Er fragte: „Was ist denn die Besonderheit dieses Spiegels?“ Man entgegnete: „Dieser Spiegel zeigt den Menschen, von dem man es haben will, in welchem Lande es auch immer ist.“ Der Bursche gab also seine 1000 Piaster und kaufte den Spiegel.

Als es Abend wurde, kamen die Kameraden zu ihm. Sie fragten: „Was hast du auf dem Markte gekauft?“ Er sagte: „Ich habe einen Spiegel gekauft.“ „Für wieviel Piaster hast du diesen Spiegel gekauft?“ fragten sie ihn. Er sagte: „Ich habe den Spiegel für 1000 Piaster gekauft.“ Die Kameraden fragten: „Was ist denn die Besonderheit dieses Spiegels, daß du ihn für 1000 Piaster gekauft hast? Dieser Spiegel ist doch keine 1000 Piaster wert!“ Da sagte er: „Die Besonderheit dieses Spiegels ist die: er zeigt den Menschen, von dem man es haben will, wo immer man es verlangt.“

Als es Morgen wurde, standen sie auf. Der Besitzer des Spiegels nahm die Abwaschung vor und verrichtete das Gebet. Dann sagte er: „Soll ich das Mädchen zeigen, um das wir freien?“ Da schauten sie in den Spiegel: Sie sahen, wie die Tochter des Kadi, um die sie freiten, angekleidet und gegürtet mit 40 Sklavinnen in ihren Privat-Garten geht.

Nun sagte der zweite Genosse: „Auch ich werde auf den Markt gehen und etwas einkaufen.“ Er geht auf den Markt. Da sieht er, wie ein Ausrufer eine Dose Öl versteigert. Er will eine Dose Öl für 1000 Piaster verkaufen. Da fragt er: „Was ist denn ihre Besonderheit, daß du so eine Dose Öl für 1000 Piaster verkaufst?“ Jener sagte: „Ihre Besonderheit ist die, daß ein toter Mensch, wenn man ihn daran riechen läßt, wieder lebendig wird. Das ist ihre Besonderheit.“

Da sprach der Erzähler zu den Sklavinnen: „Hört ihr zu bei der Geschichte?“ Sie sagten: „Wir hören zu, Efendim!“

Der Genosse kaufte also die eine Dose Öl. Als es Abend wurde, kamen die anderen Kameraden zu ihm. Sie fragten: „Was hast du gekauft?“ Er sagte: „Ich habe eine Dose Öl gekauft.“ Sie fragten: „Für wieviel Piaster hast du sie gekauft?“ Er sagte: „Für 1000 Piaster.“ Sie meinten: „Eine Dose Öl für 1000 Piaster! Was ist denn ihre Besonderheit?“ Er sagte: „Ein toter Mensch wird wieder lebendig, wenn man ihn daran riechen läßt.“

Jetzt sagte der letzte Genosse: „Auch ich werde auf den Markt gehen.“ Als es Morgen wurde, ging er ebenfalls auf den Markt. Der Ausrufer hatte einen Teppich in seiner Hand, der eben verkauft werden sollte. Der Bursche fragte: „Wie teuer ist dieser Teppich?“ Der Ausrufer sagte: „1000 Piaster.“ „Was ist denn seine Besonderheit?“ fragte er, „daß du ihn um 1000 Piaster verkaufst?“ Jener antwortete: „Setz dich auf den Teppich! In welches Land du immer willst, dorthin führt er dich in jener Minute, wohin es auch sei.“ Der Bursche gab also seine 1000 Piaster und kaufte den Teppich.

Als der Abend kam, kam auch er zu seinen Kameraden. Sie sagten: „Nun, Kamerad, was hast du gekauft?“ Er sagte: „Kameraden, ich habe diesen Teppich gekauft.“ „Und wie teuer hast du ihn gekauft?“ Er sagte: „Um 1000 Piaster.“ „Hoho, mein Lieber!“ sagten sie, „was hat dieser Teppich für eine Besonderheit?“ Er sagte: „Setz dich nur auf diesen Teppich! Wenn du in deine Heimat willst, so bringt er dich in jenem Augenblick noch dahin.“

Als es Morgen wurde, standen sie auf und verrichteten ihr Gebet. Da sprach der eine: „Holla, Kameraden! Bring du den Spiegel! Wir wollen hineinschauen! Wir wollen die Tochter des Kadi sehen!“ Man brachte den Spiegel. Sie sahen hinein: Da war die Tochter des Kadi gestorben. Man wusch eben die Leiche auf dem Totenschragen. Da sagten sie: „Um Gotteswillen, Kamerad, bring du den Teppich!“ Sie brachten den Teppich herbei. Alle drei setzten sich auf ihn. Sie sagten: „Wir wollen in unsere Heimat neben die Leiche der Tochter des Kadi!“ In einem Nu brachte der Teppich sie hin. Dann sagten sie: „Um Gotteswillen, Kamerad, bring deine Dose Öl!“ Man brachte die Dose mit Öl. Da ließen sie die Tochter des Kadi daran riechen. Wirklich erwachte jenes Mädchen wieder aus seinem Todesschlafe zum Leben.

Jetzt sagte der Genosse des Fischer-Sohnes zu den Sklavinnen der Tochter des Padischah: „Wem von ihnen fällt nun die Tochter des Kadi zu? Fällt sie dem Besitzer des Teppichs zu oder dem Eigentümer des Spiegels oder fällt sie dem Eigentümer der Dose zu?“ Da sagte auf einmal die Tochter des Padischah: „Sie fällt nicht dem Eigentümer des Spiegels zu, sie fällt auch nicht dem Eigentümer des Teppichs zu, sie fällt dem Eigentümer der Dose zu!“

Der Padischah erklärte nun: „Ich habe nach Gottes Befehl meine Tochter diesem Menschen hier zur Frau gegeben.“ Es wurde Morgen: Wiederum spricht die Tochter des Padischah kein Wort. Der Padischah aber sagte: „Ich habe nach Gottes Befehl das Mädchen bereits jenem Manne gegeben!“ und rüstete die Hochzeit zu. Er gab sie auch wirklich nach Gottes Befehl diesem Manne.

Nach ein paar Tagen kommt ihm aber die Erinnerung: „Ich habe noch einen Genossen im Kaffeehause.“ Er geht also wieder ins Kaffeehaus hinein und setzt sich dort nieder. Sein Genosse fällt ihm um den Hals und sagt: „Wo bist du gewesen?“ Er entgegnete: „Ich bin jetzt der Schwiegersohn des Padischah geworden. Wohlan, komm auch du mit mir! Wir wollen zusammen hingehen!“

Er geht mit ihm in den Palast des Padischah. 40 Tage und 40 Nächte lang veranstaltet der Padischah das Hochzeitsfest. Als die Hochzeit zu Ende ist, verlangt der Schwiegersohn von dem Padischah die Erlaubnis zur Heimkehr. Der Padischah gibt ihnen die Erlaubnis. Er gibt seiner Tochter 41 Kamellasten Gut als Mitgift mit. Es sind Dinge, leicht an Gewicht, aber schwer an Wert.

Sie machen sich nun auf den Weg. Allmählich gelangten sie an den Ort, wo der eine Genosse sich seinerzeit befunden hatte. Dieser sagte jetzt: „Ich habe mit dir Genossenschaft geschlossen. Alles, was wir gewinnen würden, sollten wir halb und halb teilen. Wir wollen es nun tun, Bruder! Zwanzig Kamele sind dein“, sagte er, „zwanzig Kamele sind mein.“ Nun blieb noch ein Kamel übrig. Der Fischersohn sagte: „Ich will es nicht. Es soll dein sein! Ich will es nicht. Schneide nicht das Kamel auseinander!“ sagte er. Sein Genosse aber schnitt das Kamel mitten auseinander. Die eine Hälfte gab er dem Fischersohn, die andere Hälfte nahm er selber. Jetzt blieb in der Mitte noch die Sultanstochter. Er sagte: „Wir werden auch das Mädchen zerschneiden!“ Der Fischersohn sprach: „Um Gotteswillen, Bruder, zerschneid sie nicht! Sie soll dein sein! Ich will sie nicht!“ Der andere aber sagte: „Nein, was wir gewinnen sollten, das sollten wir halb und halb teilen.“

Das Mädchen redete jedoch noch immer nichts. Sie banden ihm die Hände und waren eben dabei, sie mit dem Messer zu zerschneiden. Als aber das Mädchen, sowie er ihr einen Messerhieb versetzen wollte, „ach!“ sagte, kam ihr eine Schlange aus dem Munde heraus. Die Schlange nun traf er mit dem Messer und zerschnitt sie. Jetzt fing das Mädchen zu sprechen an. Sie banden ihm die Hände los. Das Mädchen redete nunmehr.

Der Genosse sagte jetzt: „Die ganzen 41 Kamellasten sollen dein sein! Auch dieses Mädchen soll dein sein!“ Dort trennten sie sich.

Als sie sich trennten, rief er dem Sohne des Fischers zu und fragte: „Hast du mich denn erkannt?“ Jener sagte: „Nein!“ Da sprach er: „Während du mit deinem Vater Fische fingst, hatte dein Vater mich gefangen. Dein Vater sagte: „Wenn wir abends diesen Fisch einem Pascha bringen, werden wir ein Bachschisch erhalten!“ Du hast mich aber wieder ins Wasser geworfen und hast mir das Leben gerettet. Ich bin der Sohn des Fisch-Padischah. Du hast mir Gutes getan. Auch ich habe dir deshalb diese Guttat getan. Ich habe dir dieses Mädchen und diese 41 Kamele gegeben. Sie sollen dein gesetzliches Eigentum sein!“

Darnach ging der Fischersohn in das Land, wo sein Vater sich befand. Er schickte seinem Vater Nachricht und kam in sein Dorf. Sie gelangten in das Haus seines Vaters und feierten dort die Hochzeit. 40 Tage und 40 Nächte dauerte Trommel- und Pfeifenklang, Suppe und Brot, Reissuppe und Pilav. Derer, die dabei Hungers starben, war kein Ende. Mein Wunsch wurde eins mit ihrem Wunsch. Gott soll alle zur Erfüllung ihres Wunsches gelangen lassen. Auch uns soll Gott mit Kind und Kegel mit allem Guten sehnend vereinigen!

Das schöne Rebhuhn.

Es war einmal ein Padischah. Der hatte drei Söhne. Dort gab es eine Weltenschöne. Als nun die Gemahlin des Padischah stirbt, will er diese Weltenschöne zur Frau haben. Die Weltenschöne erklärt jedoch: „Wenn mir der Padischah das schöne Rebhuhn bringt, so werde ich seine Frau werden. Sonst werde ich ihn durchaus nicht heiraten.“ Der Padischah sagte: „Ich habe sieben Jahre darum gekämpft und habe das schöne Rebhuhn doch nicht erhalten können. Das schöne Rebhuhn ist bei den Peri’s.“ Der Padischah verzichtete also auf die Weltenschöne.

Nach ein paar Tagen streiten die Nachbarskinder. Die Söhne des Padischah kamen zu diesem Streit hinzu. Sie brachten sie dadurch vom Streite ab, daß sie sie schlugen. Die Kinder aber sagten: „Anstatt uns zu schlagen, bringt doch, wenn ihr solche Helden seid, das schöne Rebhuhn und laßt euren Vater heiraten!“

Die Söhne des Padischah gerieten in Verwunderung, kamen zu ihrem Vater und sagten: „Vater, wir werden zu dem schönen Rebhuhn gehen.“ Der Vater sagte: „Geht nicht! Wenn ihr geht, könnt ihr nicht mehr zurückkommen.“ Die Söhne sagten: „Wir werden durchaus gehen, das schöne Rebhuhn bringen und dir die Weltenschöne holen.“ Ihr Vater ließ ihnen also drei Säcke mit Gold füllen. Jeder nahm einen Sack und lud ihn auf sein Pferd. Dann sagten sie zu ihrem Vater: „Gott befohlen!“ und machten sich auf den Weg.

Nachdem sie eine Strecke weit geritten waren, trafen sie auf einen Fluß. Sie gingen über den Fluß hinüber und erblickten auf der anderen Seite ein Haus. Sie sahen dort einen Alten sitzen. Als sie ihm den Selam boten, erwiderte er ihn. Der Alte sagte: „Wohin geht ihr?“ Sie sagten, sie wollten gehen, um das schöne Rebhuhn zu holen. Dortselbst teilte sich der Weg dreifach. Sie fragten, welchen von diesen Wegen sie gehen sollten. Der Alte sagte: „Wer den ersten Weg geht, kommt niemals hin. Wer den anderen einschlägt, kommt zuweilen hin, zuweilen aber kommt er nicht hin. Der dritte Weg ist die Heerstraße: darauf kommt und geht man.“

Die Jünglinge zogen die Siegelringe von den Fingern herunter und übergaben sie dem Alten. Sie sagten: „Wenn immer wir zurückkommen, wirst du uns diese Siegelringe wiedergeben.“ Dann sagte der Jüngste zu dem ältesten Bruder: „Schlag du den Weg ein, auf den man geht und kommt!“ Zu dem Mittleren sagte er: „Schlag du den Weg ein, auf dem man manchmal kommt und manchmal nicht kommt!“ Er selbst ging auf dem Wege, auf dem man niemals kommt!

Nachdem er eine Weile gegangen war, sah er ein Schloß vor sich. Das Tor des Schlosses war versperrt. Er sah, daß in dem Zimmer des Schlosses ein Mädchen stand. Er sagte: „Mädchen, öffne das Tor! Ich will hereinkommen!“ Das Mädchen öffnete das Tor und ließ den Jüngling herein. Sie fragte: „Woher bist du gekommen? Hier haust ein Dew. Wenn er jetzt kommt, wird er dich fressen.“ Der Jüngling sagte: „Ich werde den Dew totstechen.“

Da sahen sie den Dew kommen. Das Mädchen war die Dienerin des Dew. Sie ging hinab, um das Tor zu öffnen. Der Jüngling aber sagte: „Bleib du nur! Ich will selbst aufmachen.“ Das Mädchen sagte: „Du kannst das Tor nicht aufmachen. Der Dew wird dich auffressen.“ Doch der Jüngling sagte, daß er den Dew töten werde, und ging, um das Tor zu öffnen. Beim Öffnen des Tores gab er dem Dew einen Säbelhieb und hieb ihn in zwei Stücke.

Die Hanym sagte: „Wir sind drei Schwestern. Auch diese Dews sind drei Brüder. Jede von uns ist in der Hand eines von ihnen gefangen.“ Danach schrieb das Mädchen ein Papier an ihre zweite Schwester dieses Inhalts: „Dieser Jüngling hat den Dew getötet.“ Dieses Papier gab sie ihm.

Der Jüngling bestieg nun sein Pferd und machte sich auf den Weg. Nachdem er eine Weile weitergeritten war, stieß er wiederum auf einen Palast. Er sah, daß das Palasttor verschlossen war. Auch dort steht wieder eine Hanym. Er zeigte ihr das Papier, das er erhalten hatte. Das Mädchen stieg hinab, öffnete das Tor und ließ den Jüngling herein. Sie sagte zu ihm: „So Gott will, wirst du auch diesen Dew töten.“ Die Hanym war über das von ihrer Schwester kommende Papier sehr erfreut.

Nach kurzer Zeit sahen sie den Dew kommen. Der Jüngling stieg hinab, um das Tor zu öffnen. Beim Öffnen des Tores versetzte er, kaum daß der Dew hereinkam, auch ihm einen Säbelhieb und spaltete ihn in zwei Teile. Auch das dort befindliche Mädchen schrieb ihrer anderen, der dritten Schwester, ein Papier und ließ sie wissen, daß der Jüngling den Dew getötet habe.

Der Jüngling nahm dieses Papier an sich und machte sich wiederum auf den Weg. Nachdem er eine Weile gegangen war, kam er wieder in ein Schloß und sah da ein Mädchen sitzen. Er zeigte ihr das Papier. Das Mädchen öffnete das Tor, und er trat ein. Der Jüngling sagte zu dem Mädchen: „Du sollst von dem Dew den Weg zu dem schönen Rebhuhn in Erfahrung bringen!“

Ein wenig später kam der Dew, der ein graues Pferd hatte. Das Mädchen verbarg den Jüngling. Der Dew hatte in einem goldenen Käfig einen Windhund aus Gold, ferner einen Hasen aus Gold, die miteinander spielten. Das Mädchen sagte zu dem Dew: „Bring mir doch auch das schöne Rebhuhn! Wir wollen es zu diesen Sachen tun und uns damit unterhalten!“ Der Dew sagte: „Ich bin schon siebenmal nach diesem schönen Rebhuhn gegangen und habe es nicht holen können. Das schöne Rebhuhn ist in der Hand der Peri. Das schöne Rebhuhn kann man nur holen, wenn man kommt, während die Peri sich im Schlaf befinden. Auf irgendeine andere Weise ist es ganz unmöglich.“

Der Dew sagte nun zu dem Mädchen: „Sprich nicht so viel! Ein Menschensohn hat meine Brüder getötet. Ich will mich ein wenig niederlegen und will dann gehen, um meine Brüder zu rächen.“ Dieser Dew hatte sieben Köpfe. Er legte sich nun zum Schlafen nieder. Das Mädchen rief den Jüngling. Indem er auch diesem Dew einen Säbelhieb versetzte, schnitt er ihm mit einem Schlag alle seine sieben Köpfe ab.

Nachdem der Jüngling dortselbst mit dem Mädchen ein paar Tage verweilt hatte, machte er sich wieder auf den Weg. Er brach vom Gebiet des Dew auf und kam zum Gebiet der Peri. Nachdem er ein wenig weitergeritten war, traf er auf einen Palast. Die Peri waren zu jener Zeit sämtlich im Schlaf. Der Jüngling trat zum Tore ein. Er sah zu Häupten des Peri-Padischah das schöne Rebhuhn aufgehängt. Der Peri-Padischah aber war ein Mädchen. Als der Jüngling das Mädchen sah, küßte er sie auf beide Wangen. An den Stellen, die der Jüngling geküßt hatte, blieben aber an ihren Wangen Male.

Der Jüngling nahm dann das schöne Rebhuhn und ging zum Tore hinaus, während die Peri noch im Schlaf lagen. Er bestieg sein Pferd und machte sich auf den Weg.

Kaum daß er fortgeritten war, wachten die Peri auf. Sie sahen, daß das schöne Rebhuhn nicht mehr da war, und stürzten sich hinter dem Jüngling drein. Sie konnten ihn jedoch nicht mehr erreichen. Der Jüngling gelangte zu den Grenzen des Dew, und die Peri kehrten von dort wieder zurück.

Der Jüngling kam in den Palast des Mädchens. Dort blieb er ein paar Tage. Indem er dann den Windhund des Dew und seinen Hasen und sein Pferd und das Mädchen mit sich nahm, kamen sie zu der mittleren Schwester. Auch dort rasteten sie ein paar Tage, nahmen dann auch die mittlere Schwester mit sich und kamen zu der ältesten Schwester. Indem sie ein wenig später auch diese mitnahmen, machten sie sich zu viert alle miteinander auf den Weg. Nachdem sie ein Stück Weges zurückgelegt hatten, kamen sie zu dem Hause des Alten, wo sich der Jüngling von seinen Brüdern getrennt hatte.

Er bot dem Alten den Gruß und erhielt von ihm zur Antwort den Gruß. Er fragte: „Zu der und der Zeit waren wir drei Brüder hierhergekommen. Sind meine Brüder schon zurückgekehrt? Der Alte erklärte, daß sie noch nicht gekommen seien. Der Jüngling sagte: „Ich werde mich aufmachen und sie aufsuchen.“

Mit den Mädchen zusammen schlug er den Weg ein, den sein mittlerer Bruder gegangen war. Während sie dahinzogen, sagte plötzlich das Pferd des Dew, indem es der Sprache mächtig wurde: „Ich gehe nicht mit in den Flecken hinauf. Laß mich frei! Nimm von meiner Mähne drei Haare! Wann immer du in Bedrängnis gerätst, so werde ich dir zu Hilfe kommen, wenn du die Haare aneinander reibst.“ Der Jüngling band also den Käfig mit dem goldenen Windhund und dem goldenen Hasen hinten am Sattel fest und ließ das Pferd frei.

Indem sie danach noch ein wenig weiterritten, trafen sie auf eine Stadt. Der Jüngling schlug am Rande der Stadt ein Zelt auf, ließ dann die Mädchen in dem Zelt zurück und sagte: „Ich will auf dem Markte nach meinem Bruder sehen.“ Während des Herumgehens trat er auch in den Laden eines Koches ein. Er sah, daß sein Bruder bei dem Koche diente. Da fragte er nach dem Preise eines Kessels voll Pilaw, handelte den Preis aus und gab das Geld dafür. Dann sagte er: „Dieser Diener soll mir den Pilaw hinbringen!“

Sein Bruder nahm den Pilaw, und so kamen sie zu dem Zelte. Als sein Bruder sah, daß in dem Zelte Hanym’s waren, wagte er nicht, hineinzugehen. Da umarmte ihn der jüngste Bruder mit den Worten: „Komm, mein Bruder! Kennst du mich denn nicht mehr?“ Er sagte zu ihm: „Unser Vater hat uns so viel Geld gegeben. Was hast du mit diesem Gelde angefangen? Du bist ja bei einem Koche Diener geworden!“

Sie machten sich dann von dort alle zusammen auf den Weg. Nachdem sie eine Weile weitergezogen waren, kamen sie wieder zu einer Stadt und fanden wiederum, wie das erstemal den mittleren Bruder, so den ältesten dortselbst als Diener eines Koches und nahmen auch ihn mit. Nun machten sich alle sechs zusammen auf den Weg und kamen zu dem Konak jenes alten Mannes. Der Jüngste sagte dem Alten, daß er seine Brüder gefunden habe. Sie nahmen ihre Siegelringe von dem Alten zurück. Der jüngste Bruder gab dem Alten dann eine Summe Geldes.

Nun machten sie sich wieder auf den Weg. Nachdem sie eine Weile geritten waren, hatten sie Durst. Sie schlugen ein Zelt auf und lagerten auf dem Wege. Der jüngste Bruder sagte zu den Mädchen: „Bleibt hier sitzen! Ich will schauen, ob ich Wasser finde!“ und ging mit den Brüdern weg. Während sie suchten, fanden sie wirklich einen Wasserbrunnen. Die beiden älteren Brüder banden dem Jüngsten einen Strick um die Hüfte und ließen ihn in den Brunnen hinab. Der Jüngling gab reichlich Wasser nach oben. Da sagten der älteste und der mittlere Bruder nun zueinander: „Wenn wir jetzt heimkehren, so wird unser jüngster Bruder sagen: «Ich habe das schöne Rebhuhn gebracht!» und wird dafür belohnt werden.“ Sie zogen also ihren jüngsten Bruder nicht mehr aus dem Brunnen heraus, sondern ließen ihn dortselbst.

Der Windhund des Dew war mit ihnen zum Brunnen gegangen. Er ging von der Brunnenmündung nicht mehr weg. Sie sagten: „Er soll nur da krepieren!“ und gingen beide zu dem Zelte.

Die Mädchen fragten nach dem jüngsten Bruder. Da erklärten sie, er sei gestorben. Alle drei Mädchen weinten zwar sehr um ihn, doch nur aus den Augen der Jüngsten floß fort und fort Blut. Sie brachen das Zelt ab und machten sich wieder auf den Weg. Jedoch der Windhund trennte sich nicht mehr von der Brunnenmündung. Die Brüder aber gelangten in das Reich ihres Vaters.

An ihren Vater ging ein Freudenbote ab, der ihm meldete: „Man bringt dir das schöne Rebhuhn.“ Darüber ward ihr Vater froh. Er fragte: „Wo ist euer jüngster Bruder geblieben?“ Sie sagten: „Vater, er ist gestorben.“

Das schöne Rebhuhn brachte man der Weltenschönen. Die Brüder freiten für ihren Vater die Weltenschöne und heirateten selbst ihre Bräute. Es blieb nur die Braut des jüngsten Bruders übrig. Wie viele auch um sie freiten, so erklärte das Mädchen doch stets, daß sie niemand heiraten werde, solange man ihren Bräutigam nicht gefunden habe.

Kommen wir zu der Lage des jüngsten Bruders: Zu dem Brunnen, in dem sich der jüngste Bruder befand, kam ein Kaufmann-Obmann. Er versammelte seine Diener um sich. Sie setzten sich nieder, um Brot zu essen. Da kam auch der den Brunnen bewachende Windhund an ihre Seite. Der Kaufmann-Älteste sagte: „Dieser Windhund ist hungrig. Gebt ihm ein wenig Brot!“ Man gab ihm also ein wenig Brot. Der Windhund aber fraß das Brot nicht, sondern ging zu dem Brunnen und ließ das Brot in den Brunnen fallen. Er kam dann wieder zurück und kam zu dem Kaufmann-Ältesten. Dieser sagte zu den Dienern: „Mit diesem Windhund ist etwas los. Er hat das Brot nicht gefressen, sondern es weggeschleppt.“ Man gab dem Windhund also nochmals Brot. Er nahm es und lief wiederum zu dem Brunnen und warf das Brot dort hinab. Mit den Worten: „Wohin schleppt er denn das Brot?“ ging nun der Kaufmann-Älteste hinter ihm drein. Er rief seine Diener und sagte: „In diesem Brunnen ist etwas los. Wir wollen einen Strick hinablassen. Wir wollen sehen, wer es ist!“ Damit ließ er einen Strick hinab. Der Jüngling im Brunnen ergriff den Strick und ließ sich heraufziehen.

Der Kaufmann-Älteste sagte: „Ich habe keine Kinder. Wirst du mein Sohn werden?“ Der Jüngling sprach: „Gott soll dir gnädig sein! Du hast mich aus dem Brunnen herausgezogen.“ Obwohl der Kaufmann sehr bat, so nahm der Jüngling seinen Vorschlag nicht an. Er sagte zu ihm: „Ich bin der Sohn eines Padischah.“ Sie trennten sich also. Der Jüngling kam wieder in das Land seines Vaters und wurde Gehilfe bei einem Goldschmied.

Nun freite um die Braut des Jünglings einer aus einem anderen Land. Die Braut sagte zu ihm: „Ich werde dich heiraten, wenn ein aus Gold gemachter Windhund und ein goldener Hase in einem goldenen Käfig einander jagen.“ Man fragte nun: „Wer wird aber so etwas anfertigen?“ Sie sagten: „Der Obmann der Goldschmiede.“ Man füllte also einen Sack mit Gold und schleppte ihn zu dem Goldschmied, bei dem der Jüngling Gehilfe war. Man sagte zu ihm: „Obmann der Goldschmiede! Wir wollen, daß in einem Käfig ein goldener Windhund und ein goldener Hase miteinander spielen. Du wirst das anfertigen!“ Man fügte noch hinzu: „Wenn du es nicht machst, hauen wir dir den Kopf herunter!“ Damit ließen sie das Gold zurück und gingen weg.

Der Goldschmied fing an, nachzugrübeln. Er hatte den Jüngling um Wasser geschickt. Als der Jüngling kam und sah, daß der Goldschmied grübelte, fragte er ihn: „Was grübelst du nach?“ Er sagte: „Was soll ich nicht nachgrübeln? In einem goldenen Käfig sollen ein goldener Windhund und ein goldener Hase einander jagen. Ein derartiges Ding verlangt man von mir!“ Der Jüngling sagte, daß er es anfertigen werde. Der Goldschmied-Obmann ging also in sein Haus.

Als der Jüngling nachts die Haare des grauen Pferdes aneinanderrieb, kam das Pferd. Der Käfig mit dem goldenen Windhund und dem goldenen Hasen war noch an dem Sattel des grauen Pferdes angebunden. Der Jüngling nahm den Käfig und ließ das graue Pferd wieder laufen. Am Morgen kam der Goldschmied und sah, daß der Jüngling den Auftrag ausgeführt hatte. Er sagte zu ihm: „Trag’s hin! Man wird dir dafür ein wenig Geld geben.“ Der Jüngling wollte kein Geld und sagte: „Trag’s nur du hin!“ Der Goldschmied brachte den Käfig hin, und man gab ihn der Braut des Jünglings. Das Mädchen ersah daraus, daß ihr Bräutigam wieder da war. Sie sagte: „Gebt mir noch drei Tage Frist.“

Als der Padischah des Morgens aufstand, da kamen die Peri-Mädchen hinter dem schönen Rebhuhn drein. Sie hatten so viele Zelte aufgeschlagen, daß es nicht zu zählen war. Sie sandten dem Padischah Kunde: „Wir verlangen von dir den, der das schöne Rebhuhn gebracht hat.“ Dieser wußte nur, daß seine Söhne es mitgebracht hatten. Sein ältester Sohn sagt: „Vater, ich habe es hergebracht.“ Da sagte er zu ihm: „Wohlan denn, geh und gib den Peri Antwort!“

Der Jüngling geht in das Zelt des Peri-Padischah und fragt ihn, was er verlange. Der Padischah der Peri fragte, wie er das schöne Rebhuhn hergebracht habe. Der Jüngling sagt: „Ich habs genommen und bin damit hergekommen.“ Da sagte der Peri-Padischah: „Mach, daß du hinauskommst! Sag dem Padischah: Ich will denjenigen haben, der das schöne Rebhuhn gebracht hat.“ Der Jüngling kam zurück und schickte seinen mittleren Bruder. Dieser kam ebenfalls, wie der Älteste, zurück. Der Peri-Padischah sagte: „Sag deinem Vater: Ich werde den Palast über seinem Haupte einstürzen. Ich verlange durchaus denjenigen, der das schöne Rebhuhn gebracht hat.“

Daraufhin ließ ihr Vater durch den Ausrufer verkünden und ausrufen, daß er denjenigen belohnen werde, der dem Peri-Padischah seinen Wunsch verständlich machen könne. Der bei dem Goldschmied-Obmann befindliche jüngste Sohn sagte: „Ich werde ihnen unseren Wunsch verständlich machen.“ Dieser sagte: „Wie wirst du ihn ihnen verständlich machen? Sie verlangen denjenigen, der das schöne Rebhuhn gebracht hat.“ Er sagte: „Geh nur hin und sage es dem Padischah. Ich werde es ihnen begreiflich machen.“

Als es Nacht wurde, rieb der Jüngling die Haare des grauen Pferdes aneinander. Das Pferd kam. Der Jüngling bestieg es und ritt geradeswegs zu dem Zelte des Peri-Padischah. Er fragte den Padischah der Peri, was er wünsche. Dieser sagte: „Ich will denjenigen haben, der das schöne Rebhuhn gebracht hat.“ Da sprach er: „Ich bin der, der das schöne Rebhuhn gebracht hat.“ Der Peri-Padischah sagte: „Wie hast du es gebracht?“ Die Stellen, wo der Jüngling das Mädchen zuvor auf die Wangen geküßt hatte, waren noch sichtbar. Der Jüngling sagte: „Meine Zeichen sind noch auf deiner Wange! Nimm den Spiegel und schau auf dein Gesicht!“ Der Peri-Padischah nahm den Spiegel und sah, daß die von dem Jüngling geküßten Stellen schwarz geworden waren. Da sagte die Tochter des Padischah der Peri, daß sie den Jüngling nach Gottes Befehl heiraten werde.

Der Jüngling aber erklärte, daß er schon eine Braut habe. Das Mädchen sagte jedoch: „Heirate zuerst sie, dann nimm auch mich!“ Sie sagte, daß sie ihre Truppen zurückschicken und selber bleiben werde. Der Jüngling sprach: „Du bist eine Peri. Du wirst wieder dorthin zurückgehen.“ Das Mädchen aber schlug folgendes vor: „Sechs Monate wirst du bei mir und sechs Monate bei deiner anderen Braut wohnen.“ Sie sagte, daß sie ihn zum Padischah über die Peri machen werde.

Am Morgen sah der Padischah, daß alle Peri fortgegangen waren. Nur ein Zelt war noch geblieben. Der Jüngling bestieg das graue Pferd und kam zu dem Palaste seines Vaters. Er begab sich hinauf zur Audienz bei seinem Vater. Der Padischah sagte: „Mein Sohn, hast du diesen Peris die Nachricht zu verstehen gegeben?“ Er sagte: „Jawohl, ich habe sie ihnen zu verstehen gegeben. Der Peri-Padischah wollte den haben, der das schöne Rebhuhn gebracht hat.“ Er fragte: „Hast du dieses Rebhuhn gebracht?“ Er antwortete: „Jawohl, ich habe es gebracht.“ Der Padischah erkannte jedoch noch immer nicht, daß es sein eigener Sohn war. Er sagte: „Mein Sohn! Meine eigenen Söhne haben das schöne Rebhuhn gebracht. Du hast es nicht gebracht!“ Da sagte er: „Mein Padischah, ich bin doch dein jüngster Sohn!“ Der Padischah sprach: „Deine Brüder sagten, daß du gestorben seist.“ Da sagte er: „Meine Brüder haben mich im Brunnen unten gelassen. Ich habe meinen ältesten Bruder von einem Garkoche weg und meinen mittleren Bruder von einem Pilaw-Koch weg mit fortgenommen. Sie waren dort zu Dienern geworden.“

Da rief der Padischah seinen ältesten Sohn und seinen mittleren Sohn. Er sagte: „Schlagt ihnen den Kopf ab! Mein Auge soll sie nicht mehr sehen!“ Da aber der jüngste Sohn wieder Mitleid mit ihnen verspürte, brachte er den Vater davon ab, ihnen den Kopf abschlagen zu lassen, und bat, sie mit Verleihung einer Statthalterschaft in ein anderes Land zu verbannen. Der Padischah gab ihnen ihre Frauen mit und sandte sie in ein anderes Land.

Nunmehr gab man der Braut des jüngsten Bruders Nachricht. Sie wurde froh. Man fing mit den Hochzeitsfestlichkeiten an. Darnach heiratete er auch die Tochter des Peri-Padischah und hielt 40 Tage und 40 Nächte Hochzeit. Der Jüngling aber wohnte sechs Monate bei der Tochter des Peri-Padischah und sechs Monate in seinem eigenen Lande. Die Tochter des Peri-Padischah machte ihn zum Padischah über die Peri. Und sie gelangten ans Ziel ihrer Wünsche.

Das Meerroß.

Es war einmal ein Bej. Der hatte eine Wiese. Einmal im Jahre mähte man diese Wiese. Wenn sie aber dann am Morgen hingingen, da hatte schon jemand das ganze Gras mitgenommen und fortgeführt. Der Bej hatte drei Söhne. Der älteste Bruder nun sagte: „Wir wollen doch sehen, wer eigentlich dieses Gras fortführt!“ Während er in dieser Absicht wartet, schläft er ein. Als er des Morgens aufsteht, ist wieder kein Gras mehr da.

Während im folgenden Jahre der mittlere Bruder so wartet, schläft er ebenfalls ein. Auch er kann denjenigen, der das Gras fortführt, nicht entdecken.

Im nächsten Jahr sagt der jüngste Bruder: „Was ist das? Jetzt will ich einmal warten. Wir wollen doch einmal sehen!“ Der Jüngling schläft nun nicht ein. Zur Nachtzeit kommen aus dem Meere Seehengste, nehmen alles Gras, das nur da ist, und gehen wieder zurück ins Meer. Am Morgen kommen seine Brüder und sagen: „Holla! Du hast den Dieb auch nicht fassen können!“ Er sagte: „Ich hab ihn erwischt. Aber ich konnte mit den Meerrossen nicht fertig werden. Sie haben das Gras genommen und sind fortgegangen.“

Es kam das nächste Jahr: Sie mähen das Gras. Sie nehmen noch ein paar Leute hinzu und machen außerdem Schlingen und bewachen das Meer. Auch diesmal kommen die Meerrosse heraus. Da die Brüder die ganze Umgebung mit Schlingen abgesperrt hatten, bleiben die Seepferde in den Schlingen hängen.

Der älteste Bruder und der mittlere nehmen zwei äußerst schöne Meerrosse fest. Während jedoch der jüngste Bruder, noch im Zweifel darüber, welches von den Meerrossen er fangen sollte, unter ihnen herumging, da war da ein kleines Meerfüllen. Es konnte plötzlich sprechen und sagte: „Kütschük (kleiner) Hasan! fang du nur mich!“ Er tut’s.

Sie bringen am Morgen die Meerrosse nach Hause und binden sie im Stalle an. Der Älteste und der Mittlere gehen hin und lassen für ihre Meerrosse je ein Sattelzeug machen. Der jüngste Bruder grübelt darüber nach, warum er nicht auch ein schönes Meerroß eingefangen habe.

Der älteste und der mittlere Bruder sagen nun zu ihrem Vater, daß sie nach Konstantinopel gehen wollten. Der Vater sagt: „Um des Himmels willen, Kinder! Was geht euch hier ab, daß ihr nach Konstantinopel gehen wollt?“ Sie erhielten jedoch schließlich von ihrem Vater die Erlaubnis dazu und gehen nach Konstantinopel.

Was den jüngsten Bruder anbetrifft, so ging er niemals zu seinem Meerroß. Da sagte er zu sich: „Es ist jetzt genau ein Monat vergangen, daß ich nicht zu dem Pferde gegangen bin. Ich will sehen, ob es gestorben oder am Leben geblieben ist.“ Mit diesen Worten geht er in den Stall. Jenes Pferd ward der Sprache mächtig und sagte: „Führ mich hinaus und laß mich auf die Wiese!“ Der jüngste Knabe nun hieß Hasan. Jenes Pferd sagte wiederum auf der Wiese: „Sobald ich wiehere, komm an meine Seite!“ So sprach es zu Hasan. Nachdem das Pferd gefressen und getrunken hatte, sah er, daß es noch höher geworden war als die Pferde seiner Brüder. Der Junge führte nun das Pferd hin und ließ ihm Sattelzeug machen. Er sagte sich nun: „Jeder, der es nur einmal sieht, sagt: Ich will es noch einmal sehen!“

Auch dieser Junge erklärte jetzt dem Vater, daß er nach Konstantinopel gehen werde. Der Vater sagte zwar: „Deine beiden Brüder sind schon fortgegangen. Bleib du doch da und geh nicht fort!“ Doch Hasan hörte nicht darauf. Auch er nimmt von seinem Vater die Erlaubnis und zieht aus.

Das Pferd sagt: „Kütschük Hasan, wieviel Tage ist es her, daß deine Brüder fortgegangen sind?“ Er sagt: „39 Tage.“ Da sagt es: „Kütschük Hasan, drück deine Augen zu!“ Hasan drückt seine Augen zu, bis das Pferd sagt: „Kannst du etwas sehen?“ Hasan sagt zu dem Pferde, daß sich in der Ferne zwei schwarze Punkte vorwärts bewegten. Das Pferd erklärt, daß dies die Brüder Hasans seien. Das Pferd erreicht sie im Nu.

Auf das Hufgeklapper des Pferdes hin schauen die beiden Brüder ihrerseits um und sehen, daß ihr jüngster Bruder angeritten kommt. Sie sagen: „Warum hast du unseren alten Vater verlassen und bist uns nachgekommen? Kehr du nur wieder um!“ Kütschük Hasan bat aber sehr und überredet schließlich seine Brüder.

Alle drei machten sich nun zusammen auf die Fahrt nach Konstantinopel. Während sie dahinritten, sahen sie inmitten der Ebene etwas wie ein Feuer glänzen. Der älteste und der mittlere Bruder ritten mit ihren Pferden darauf los mit den Worten: „Wir wollen sehen, was es ist.“ Auch der jüngste Bruder wollte hingehen, doch ging sein Pferd nicht. Das Pferd sagte: „Wir wollen nicht hingehen. Daraus entsteht für uns nur Schaden.“ Doch beharrte Hasan darauf, auch hinzureiten. Da sagte das Pferd wieder zu seinem Herrn: „Drück deine Augen zu!“ Als er seine Augen öffnete, sah er, daß dort ein Vogelflügel lag. Der Jüngling stieg vom Pferd, nahm den Flügel an sich und steckte ihn in seinen Busen. Sie kehrten zurück und begegneten den Brüdern. Jene fragten: „Kütschük Hasan, was soll das bedeuten? Wir gingen hin und es verschwand. Wir konnten nichts finden.“

Eines Tages zogen sie in Konstantinopel ein. Sie mieteten einen Han, und Kütschük Hasan verrichtete für seinen ältesten und mittleren Bruder Dienerdienste. Eines Tages saß er da. Er hatte kein Petroleum gekauft. Die Krämer hatten geschlossen. Da kommt ihm dieser Vogelflügel in den Sinn. Er zieht ihn aus seinem Busen und fängt bei seinem Scheine an, die Pferde zu versorgen.

In jener Nacht ging der Padischah mit seinem Lala (Erzieher, Minister) verkleidet herum. Sie sehen, daß zum Fenster des Hauses Feuerschein herausleuchtet. Der Padischah sagt zu seinem Lala: „Wir wollen schauen, ob es hier brennt oder was es sonst gibt.“ Da sehen sie, daß ein Diener dorthin einen Flügel gelegt hat und daß er die Pferde versorgt. Der Padischah sagt zu seinem Lala: „Ich verlange diesen Diener morgen in der Frühe von dir.“ Sie merken sich die Nummer des Hauses und gehen.

Als es Morgen wird, verlangt der Padischah nach diesem Diener. Er läßt ihn vor sich rufen und sagt: „Fürchte dich nicht, mein Sohn! Während du abends die Pferde versorgtest, hast du etwas dorthin gelegt. Was ist das?“ Hasan sagt: „Mein Padischah, es ist ein Vogelflügel. Er ist deiner würdig!“ und gibt ihn dem Padischah. Der Padischah ist erfreut darüber und gibt dem Kütschük Hasan 1000 Lira zum Geschenk.

Kütschük Hasan legt dieses Geld in das Taschentuch und geht zu seinen Brüdern. Seine Brüder fragen: „Kütschük Hasan! Was soll das bedeuten?“ Er sagt, daß der Padischah ihm 1000 Lira als Geschenk gegeben habe. Sie fragen ihn, wie er es gegeben habe. Kütschük Hasan sagt: „Ich habe dem Padischah einen Vogelflügel, den ich auf dem Wege gefunden habe, gegeben. Er gab mir 1000 Lira dafür zum Geschenk.“ Kütschük Hasan sendet davon seinem Vater 500 Lira.

Seine Brüder sind ihm neidisch und sagen: „Nach uns erst ist er gekommen und soll nun unserem Vater schon Geld schicken! Wir wollen gehen und ihn auf einem Weg fortschicken, von dem er nicht wiederkommt. Er soll nicht mehr heimkehren!“ Seine Brüder gehen also zur Audienz beim Padischah. Sie sagten: „Mein Padischah, der Flügel des Vogels ist so, so! Der Vogel selbst ist noch weit besser!“ Als der Padischah sagte: „Was sollen wir damit machen?“ da erklärten sie: „Unser Bruder wird ihn dir bringen.“ Der Padischah sagte: „Ruft den Kütschük Hasan!“ Als er kam, sagte er: „Mein Sohn! Du hast den Flügel dieses Vogels gebracht. Ich will nun auch den Vogel selbst von dir haben. In drei Tagen bring ihn mir. Wenn du ihn mir nicht bringst, so werde ich dir den Kopf abschlagen lassen.“ So befahl der Padischah.

Kütschük Hasan kehrte um und kam zu seinem Pferde. Als er das Pferd versorgte, weinte er. Das Pferd, das wieder die Fähigkeit der Sprache erlangte, fragte ihn, warum er weine. Kütschük Hasan sagt: „Der Padischah will jetzt den Vogel selbst haben.“ Das Pferd sagt: „Weinen bringt nichts ein! Nimm für mich Futter und für dich selbst Brot mit und komm!“ Er nahm alles dieses mit, bestieg das Pferd, und sie machten sich auf die Fahrt. Das Pferd eilte wie ein Vogel im Fluge dahin. Es fragte den Jüngling, ob er schon etwas sähe oder nicht. Kütschük Hasan sagte: „Mitten in der Ebene steht ein Turm.“ Sie eilten auf jenen Turm los. Das Pferd sagte: „Steig ab! Jener Vogel kommt hieher und läßt sich hier nieder. Er kommt früher als die anderen Vögel. Er ist der Vogel-Padischah. Bevor die anderen Vögel kommen, kann er von jenem Turm nicht auffliegen. Du wirst auf den Turm hinaufsteigen, den Vogel fangen und dann wiederkommen. Dann wollen wir uns davonmachen!“ Der Jüngling stieg auf den Turm hinauf und fing den Vogel. Er setzte sich dann wieder zu Pferd, und sie machten sich auf den Rückweg.

Zum Padischah kam die Kunde, daß Kütschük Hasan den Vogel bringe. Der Padischah ward darüber erfreut. Der Jüngling band das Pferd in seinem Hause an, nahm den Vogel und kam zum Padischah. Er gab ihm den Vogel, und von seinem Glanze ward es wie Licht, wie wenn im Palaste die Sonne aufgegangen wäre. Der Padischah gab dem Kütschük Hasan 2000 Lira zum Geschenk. Hasan legte das Geld in das Taschentuch und ging heim zu seinen Brüdern. Von den 2000 Lira, die er erhalten hatte, sandte er 1000 Lira seinem Vater und 1000 blieben bei ihm.

Da die Brüder wiederum auf ihn neidisch wurden, gingen sie von neuem zum Padischah. Sie sagten: „Mein Padischah! Dieser Vogel bleibt nicht in einem goldenen oder silbernen Käfige. Er will einen Käfig aus Elfenbein haben.“ Als der Padischah sagte: „Was sollen wir machen?“ da sagten sie: „Unser Bruder wird auch ihn holen.“ Wiederum ließ der Padischah den Kütschük Hasan rufen und verlangte von ihm Elfenbein. Er sagte zwar: „Wo soll ich es denn finden?“ doch es half nichts. Der Padischah sagte: „Wenn du es nicht bringst, so laß ich dir den Kopf abhauen.“

Kütschük Hasan kam wieder zu dem Pferde. Wiederum fragte das Pferd. Er sagte, daß der Padischah Elfenbein verlangt habe. Da sagte das Pferd: „Geh hin! Verlang von dem Padischah 40 Schläuche Wein und 40 Schläuche Schnaps! Du wirst sie auf 40 Kamele aufladen und damit herkommen.“ Sie nahmen dann die Kamele mit sich und machten sich auf den Weg.

Sie kamen in das Land der Elefanten und gingen zu der Quelle der Elefanten. Das Pferd sagte: „Verstopf die Quelle! Schöpf alles Wasser aus und füll an Stelle des Wassers Schnaps und Wein ein! Zur Mittagszeit kommen die Elefanten zur Quelle, um Wasser zu trinken. Alle Elefanten, die kommen und trinken, werden betrunken und fallen hin. Du gibst dann den Dienern den Befehl: Sie werden dann den Elefanten die Zähne ausbrechen.“

Sie brachen auch wirklich in dieser Weise den Elefanten die Zähne aus und luden sie auf die 40 Kamele und machten sich auf den Heimweg. Dem Padischah sandte man Nachricht, daß Kütschük Hasan heimkäme. Im Palast des Padischah häufte man die Elefantenzähne auf. Kütschük Hasan sagte: „Willst du, so laß einen Palast bauen, willst du, so laß einen Käfig anfertigen!“ Der Padischah wurde erfreut und gab dem Kütschük Hasan 3000 Lira.

Er nahm das Geld und kam wiederum zu seinen Brüdern. Seine Brüder sagten: „Wohin wollen wir den da denn noch schicken, damit er von dem Ort, wohin er geht, nicht mehr zurückkommt?“ Da sahen sie, daß die Sonne, während sie gerade unterging, wieder in ihre Mittagsstellung zurückkam. Sie verwunderten sich alle darüber, daß so etwas geschah. Obwohl man die ganze Bevölkerung versammelte und befragte, so wußte es doch niemand. Nun war dort ein 90 oder 100 Jahre alter Bauer. Der kam und sagte, daß er wisse, warum die Sonne so nicht vorwärtskomme. Man gab dem Padischah davon Nachricht. Dieser ließ den Bauern rufen. Der Bauer ging zur Audienz. Der Padischah fragte ihn, und der Bauer sagte: „Mein Padischah! Die Weltenschöne ist auf die Oberfläche des Meeres heraufgekommen. Die Sonne hat sich in sie verliebt und ist noch einmal zurückgekommen mit dem Wunsche: Ich möchte sie noch einmal anschauen!“

Von diesem Bescheide erhielten die Brüder des Kütschük Hasan Kunde. Sie sagten: „Wir wollen den Kütschük Hasan dorthin senden! Von dort kann er nicht mehr zurückkommen.“ Sie gingen also zur Audienz zum Padischah und sagten: „Mein Padischah! Kütschük Hasan wird die Weltenschöne bringen.“

Der Padischah ließ den Kütschük Hasan rufen und sagte zu ihm: „Ich will von dir die Weltenschöne haben.“ Kütschük Hasan sagte zwar: „Ums Himmels willen, mein Padischah!“ Es half aber nichts. Der Padischah sagte: „Du mußt sie mir bringen.“

Der Jüngling kam wieder zurück zu seinem Pferde, und dieses befragte ihn. Er sagte, daß der Padischah die Weltenschöne haben wolle. Da sprach das Pferd: „Geh hin zum Padischah! Verlange von ihm eine goldene Truhe. Drinnen sollen verschiedene Gegenstände sein, ebenfalls alle ganz aus Gold!“ Kütschük Hasan ging zum Padischah und verlangte eine goldene Truhe. Auf die Zusicherung, daß auch alle die Sachen, die der Padischah hineinlegen ließ, golden seien, nahm er die Truhe und kam zu seinem Pferde.

Er stieg auf, und sie machten sich auf den Weg. Ursprünglich war dieses Pferd ja ein Meerroß gewesen. Der Knabe sah nun, daß sie mitten im Meere dahin sich bewegten. Es wurde Nacht. Am Morgen stiegen sie an einer Insel heraus. Das Pferd sagte: „Steig hier ab!“ Auf diese Worte hin saß er ab. Das Pferd sprach weiter: „Laß die Truhe herab! Öffne ihren Deckel! Sie soll gerade der Sonne gegenüber stehen! Wenn ihr Glanz jetzt ins Meer fällt, so steigt die Weltenschöne aus dem Meere empor. Die Weltenschöne hat Dienerinnen, die kommen werden.“

Da kam schon die Weltenschöne emporgestiegen und sagte: „Ein Kaufmann ist gekommen. Schaut, was er gebracht hat!“ Die Weltenschöne sandte ihre Dienerinnen zu Kütschük Hasan. Sie sagten zu ihm: „Die Hanym will von dir gute Ware haben. Sie wird dich dafür bezahlen.“ Der Jüngling sagte: „Ich kenne keine bessere Ware als diese hier. Die Hanym soll selbst kommen und soll sich die besten Sachen nehmen!“ Die Dienerinnen sagten es der Hanym. Da kam die Weltenschöne selber zu der Truhe. Sie fragte nach dem Preise der Waren. Sie fragte: „Gibt es nicht noch etwas Besseres?“ Da sagte der Jüngling: „Hanym, gewiß! Im Inneren der Truhe! Schau nur in die Truhe hinein!“ Während nun die Hanym in die Truhe hineinschaute, legte der Jüngling sie in die Truhe hinein und verschloß sie. Dann band er die Truhe hinten am Sattel des Pferdes fest, stieg auf, und sie sprengten los. Sie kamen über das Meer.

Nun hatte die Weltenschöne 40 Hengste und außerdem eine Gazelle. Am Schwanz der Gazelle befand sich ein Kessel mit 40 Henkeln. Mit dem Rufe: „Die Weltenschöne geht fort!“ stürzten sie hinter dem Jüngling drein. Die Hengste rannten zusammen mit der Gazelle. Obwohl sie ihn hitzig verfolgten, so gelangte der Jüngling doch glücklich aufs Festland. Sie kamen aber alle hinter ihm dreingelaufen.

Plötzlich gelangte zum Padischah die Kunde davon. Es hieß: „Jetzt kommt die Weltenschöne!“ Sie kamen zum Palaste des Padischah. Das Tor des Palastes öffnete sich, und alle traten miteinander dort ein. Der Padischah war froh darüber, daß die Weltenschöne gekommen war.

Als es Abend wurde, sann der Padischah darüber nach, wann er sich mit der Weltenschönen niederlegen werde. Er kam zu der Weltenschönen. Diese sagte zu ihm: „Bevor ich dich nicht mit eigener Hand abgewaschen habe, werde ich mit dir nicht zusammenliegen. Es soll auf Morgen bleiben! Ich kann dich jetzt nicht baden.“

Als der Morgen kam, führte die Weltenschöne die Gazelle herbei und molk in den Kessel mit den 40 Henkeln ein Quantum Milch. Dann sagte sie: „Komm, mein Padischah! Bade dich in dieser Milch! Dann will ich dich heiraten!“ Der Padischah kam, zog sich aus und stieg in die Milch hinein, um sich zu baden. Von dieser Milch aber verbrannte er und wurde ganz zu Kohle.

Da sagte die Weltenschöne zu seinen Wesiren: „Wer sich von euch in dieser Milch badet, den will ich heiraten!“ So verkündigte sie. Zwar suchten sich auch viele Menschen zu baden, doch wurden sie alle zu Kohle und blieben an Ort und Stelle liegen. „Das ist also nicht euer Brauch!“ sagte sie. „Ruft den Mann herbei, der mich hierhergebracht hat. Auch der soll sich baden! Ihn werde ich heiraten.“

Man rief den Kütschük Hasan. Als er kam, sagte die Weltenschöne: „Du bist derjenige, der mich hierhergebracht hat! Bade dich in dieser Milch, und ich will dich dann heiraten!“ Kütschük Hasan gab zur Antwort: „Es gibt eine Stelle, bei der ich erst fragen muß. Ich will fragen und dann kommen.“ Hasan kam also zu dem Pferd und sagte zu ihm: „Ich soll mich in dieser Milch baden. Was sagst du dazu?“ Das Pferd sagte: „Nimm mich auch mit! Wenn du mich nicht mitnimmst, wirst du verbrennen. Wir werden zu der Milch kommen. Ich werde sie besprechen: da wird die Milch wie Eis werden. Du wirst dich baden und wieder glücklich herauskommen.“

Sie kamen zu der Milch. Die Weltenschöne sagte zu dem Pferd: „Warum bist du mitgekommen?“ Das Pferd sagte: „Dieser ist mein Herr. Du wirst ihn verbrennen. Warum sollte ich da nicht kommen?“ Das Mädchen sagte: „Zuerst warst du mein. Ist jetzt er der Besitzer des Gutes geworden?“ Das Pferd sagte: „Mein Besitzer ist jetzt er.“

Als der Jüngling, der sich unterdessen ausgekleidet hatte, in die Milch hineinsprang, fing das Pferd die Milch zu besprechen an. Der Jüngling badete sich und stieg wieder heraus. Die Milch wurde in jenem Augenblick zu Eis.

Nach Gottes Befehl heiratete nun die Weltenschöne den Kütschük Hasan, und sie erreichten das Ziel ihrer Wünsche.

Der Vogel Phönix.

Ein Padischah hatte einstmals drei Söhne. Innerhalb der Burg besaß er einen Garten. In diesem Garten war ein Apfelbaum. Diesen Apfelbaum überfiel jedes Jahr ein Dieb, der seine Früchte an sich nahm und fortschleppte.

Eines Nachts erwartete ihn der älteste Sohn des Padischah mit den Worten: „Ich werde diesen Dieb schon fassen.“ Doch schlief er ein und konnte den Dieb nicht fassen. Im folgenden Jahre erwartete ihn der mittlere Sohn mit den Worten: „Ich will ihn erwarten!“ Doch auch er konnte ihn nicht ergreifen. Im darauffolgenden Jahre erwartete ihn der jüngste Sohn mit den Worten: „Ich will ihn fassen.“ Da sah er, wie nachts zur Festung herein ein Dew in den Garten kam, die Äpfel herabschüttelte, in einen Sack füllte und fortging. Der Junge nun folgte hinter dem Dew drein. Als sie so eine Weile gegangen waren, stieg der Dew in einen Brunnen hinab. Da kehrte der Junge zurück und kam wieder in den Garten.

Als es Morgen wurde, sagten seine beiden Brüder zu ihm: „Du wolltest doch den Dieb ergreifen!“ Er sagte: „Brüder, ich habe den Dieb auch erwischt. Aber ich konnte es nicht wagen, ihn zu fassen.“ Sie fragten: „Warum konntest du es nicht wagen?“ Er antwortete: „Der, der unsere Äpfel forttrug, war ein Dew. Als er die Äpfel fortschleppte, ging ich hinter ihm drein. Er stieg in einen Brunnen hinab.“

Da bewaffneten sich alle drei Brüder sofort und gingen zu dem Brunnen, indem sie außerdem noch einen Strick mitnahmen. Am Brunnen angelangt, sagte der älteste Bruder zu ihnen: „Bindet mir den Strick um die Hüfte und laßt mich in den Brunnen hinab!“ Nachdem man ihn ein Stück hinuntergelassen hatte, rief er: „Brüder, zieht mich wieder heraus! Ich verbrenne!“ Da zogen sie ihn heraus. Als auch der Mittlere, während er hinabgelassen wurde, ebenfalls rief: „Ich verbrenne!“ zogen sie ihn wieder herauf. Da sagte der jüngste Bruder: „Wenn ich rufe: »Ich verbrenne!« so laßt mich nur noch weiter hinunter!“ So machten sie es denn auch, und als er rief: „Ich verbrenne!“ ließen sie ihn nur noch weiter hinunter.

Der Junge kam bis auf den Grund des Brunnens hinab. Da sah er einen siebenköpfigen Dew dort liegen. Mit einem Stoßgebet versetzte er diesem Dew einen Schwertstreich und schlug ihn mitten entzwei. Nun sah er, daß auf der anderen Seite eine Tür war. Als er die Tür öffnete, erblickte er da drei Mädchen. Er fragte die Mädchen: „Wer seid ihr?“ Sie sagten: „Wir sind Menschen wie du. Wir sind drei Schwestern und sind die Töchter des Padischahs der Peri. Dieser ungläubige Dew hat uns gefangengenommen und hiehergebracht. Seit sieben Jahren sind wir schon hier.“ Alle drei waren schön, aber die Jüngste war die schönste von allen. Er sagte zu den Mädchen: „Auch wir sind drei Brüder. Die älteste von euch gehört meinem ältesten Bruder, die Mittlere dem Mittleren und das jüngste Mädchen gehört mir.“ Die Mädchen waren damit einverstanden und begaben sich auf den Grund des Brunnens.

Dann rief er und sprach: „Brüder, laßt den Strick herab!“ Er sagte: „Das Mädchen, das jetzt kommt, gehört meinem ältesten Bruder.“ Daraufhin zogen sie das älteste Mädchen hinauf. „Die Mittlere, die jetzt kommt, gehört meinem mittleren Bruder“, sagte er nun. Auch diese zogen sie hinauf. Die Jüngste sagte nun zu dem Jüngling: „Steig du zuerst empor! Ich steige darnach heraus!“ Der Junge sagte: „Wenn ich zuerst heraussteige, so wirst du nicht heraussteigen. Steig nur du zuerst heraus!“ Sie sagte: „Nein, Efendim! Wenn deine Brüder mich sehen, so ziehen sie dich nicht heraus.“ Kurz und gut, der Junge stieg also nicht zuvor heraus. Das Mädchen sagte, als sie herausgezogen werden sollte: „Deine Brüder werden dich nicht heraufziehen. Ich will dir aber drei Federn geben. Wenn es dir schlecht gehen sollte, so werden, wenn du am Freitag abends eine Feder an der andern reibst, zwei Widder kommen, ein weißer und ein schwarzer.“

Nun verhandelte der Junge mit seinen Brüdern wegen des Herablassens des Strickes. Er rief: „Zieht die Jüngste herauf! Diese ist mein Anteil. Zieht!“ Sie zogen sie auch heraus und sahen nun, daß sie schöner war als alle anderen. Der Junge rief nun seinen Brüdern zu: „Laßt den Strick herunter! Auch ich will jetzt hinaufsteigen.“ Doch während sie ihn hinaufzogen, ließen sie den Strick los, und der jüngste Bruder stürzte auf den Grund des Brunnens hinab. Sie überredeten die Mädchen dann und sagten: „Unser Bruder ist tot.“ Sie nahmen also die drei Mädchen mit sich und kamen in das Haus ihres Vaters. Jetzt wollten der älteste und der mittlere Bruder beide die Jüngste besitzen. Der Älteste sagte: „Ich werde die Jüngste nehmen!“ Auch der Mittlere sprach: „Nein, ich werde sie nehmen.“ Da sagte die Jüngste: „Ich werde keinen von euch heiraten. Nachdem einmal mein Bräutigam nicht aus dem Brunnen herausgekommen ist, werde ich nicht mehr in das Haus der Welt eintreten! Es soll mir verboten sein!“ Sie sahen also, daß sie nicht einverstanden war und nichts zu machen war. Jeder nahm nun seine Verlobte, und sie feierten ihre Hochzeit.

Wir wollen nun zu dem auf dem Grunde des Brunnens gebliebenen Jungen kommen. Als er am Freitag abends die beiden Federn aneinanderrieb, kamen zwei Widder, ein weißer und ein schwarzer. Wie der Junge den weißen Widder besteigen wollte, glitt sein Fuß aus, und er fiel auf den schwarzen Widder. Dieser trug ihn sieben Zonen tief unter die Erde ins Dunkelreich. Der Jüngling stieg hinab in die Dunkelwelt und sah dort eine alte Frau Faden spinnen. Er sagte: „Mutter, gib mir einen Trunk Wasser! Ich will trinken.“ Die Mutter hatte aber kein Wasser. Sie urinierte in ein Gefäß und gab es dem Jungen. Als der Junge dies getrunken hatte, sagte er: „Mutter, was ist dies für ein salziges Wasser!“ Sie sagte: „Was sollen wir machen, mein Sohn! An unserer Quelle wacht ein Drache. Er nimmt wöchentlich einen Menschen und gibt einmal dafür Wasser aus der Quelle.“ Der Junge sagte: „Wenn morgen irgend jemand hingeht, so gib mir Nachricht!“

Nun war aber damals gerade die Reihe an der Tochter des dortigen Padischah, an die Quelle zu gehen und in die Hand des Drachen zu fallen, damit die Bevölkerung an der Quelle Wasser nehmen könnte. Am folgenden Tage ging also der Junge mit der Tochter des Padischah hin. Als der Drache sie an der Quelle sah, sagte er: „Heute ist die Einwohnerschaft wohl sehr durstig! Heute kommen auf meinen Anteil gar zwei Personen!“ Sobald der Drache zur Quelle kam, versetzte ihm der Junge einen Säbelhieb und vernichtete ihn. Das Mädchen tauchte alsbald ihre Hand in das Blut des Drachen und machte dem Jüngling auf dem Rücken ein Zeichen. Dann ging sie in den Konak ihres Vaters zurück. Ein Ausrufer rief nun aus: „Niemand soll Wasser nehmen! Ein Held ist gekommen. Er hat den Drachen getötet. Das Wasser ist mit dem Blute des Drachen vermischtes Wasser.“ Da entwich der Jüngling und kam wieder in das Haus der alten Frau.

Zu dem Padischah des dortigen Landes gelangte nun die Freudenbotschaft, daß ein Held gekommen sei und den Drachen geschlagen und getötet habe. Da erklärte er: „Wer meine Tochter gerettet hat, dem werde ich sie nach Gottes Befehl zur Frau geben.“ Er fragte seine Tochter: „Meine Tochter, kennst du den Helden, der dich gerettet hat?“ Die Tochter sagte: „Vater, ich kenne ihn. Die Jünglinge sollen alle vor dem Palast vorübergehen! Ich werde dann jenen Helden schon erkennen.“ Da kamen nun alle Jünglinge und gingen an ihr vorbei. In keinem einzigen erkannte sie ihren Retter. Der Padischah fragte wieder: „Gibt es noch sonst einen Mann?“ Man sagte: „In dem Hause der Alten gibt es noch einen Fremdling.“ Der Padischah gab nun den Befehl und sagte: „Jener Jüngling soll ebenfalls kommen!“ Als auch jener Held kam, sagte das Mädchen: „Sieh, Vater, derjenige, der mich gerettet hat, ist dieser Junge hier!“ Der Padischah sprach: „Du hast meine Tochter gerettet. Darum werde ich dir meine Tochter zur Frau geben.“ Der Junge aber sagte: „Ich wünsche euch alles Gute, mein Padischah! Doch werde ich mich in diesem Lande nicht verheiraten.“ Der Padischah sagte: „Verlange, was du willst, ich will es dir geben.“ Da sagte der Junge: „Mein Padischah, ich will die Lichtwelt.“ Der Padischah meinte: „Wir kennen die Lichtwelt nicht und haben davon nichts gehört. Wenn du mit Geld dafür ein Mittel findest, so werde ich es dir geben.“ Der Junge kehrte nun wieder zurück und kam wieder in das Haus der Alten.

Eines Tages nahm der Junge seinen Bogen und seine Pfeile und zog auf die Berge zur Jagd. Während des Herumsteigens im Gebirge wurde er müde und setzte sich am Fuße eines Baumes nieder. Wie er so dasaß, nickte er ein. Auf der Spitze jenes Baumes nun hatte der Phönix ein Nest gemacht und hatte Junge ausgebrütet. Ein Drache hatte sich das zunutze gemacht und fraß jedes Jahr die Jungen des Vogels. Plötzlich erwachte der Junge durch das Geschrei der jungen Vögel aus dem Schlafe und sah, wie eben jener Drache auf den Baum hinaufstieg, um die Jungen aufzufressen. Da tötete der Junge den Drachen mit einem Pfeilschuß. Dann legte er sich wiederum zum Schlafen nieder. Da kam die Mutter jener jungen Vögel zurück. Sie meinte: „Nun hat doch der Mensch meine Jungen umgebracht!“ und wollte sich auf den Jungen stürzen. Die Jungen aber riefen ihrer Mutter zu: „Eben jener Mensch ist es, der uns gerettet hat. Warum willst du ihn umbringen? Der Drache war eben dabei uns aufzufressen. Dieser Mensch aber hat den Drachen getötet.“

Der Junge wachte unterdessen aus dem Schlafe auf. Da sagte der Vogel zu ihm: „Sag, was immer dein Wunsch ist! Ich will es dir gewähren! Jedes Jahr hat der Drache meine Jungen umgebracht. Du hast sie jetzt gerettet.“ Der Junge erwiderte: „Ich will in die Lichtwelt hinaufsteigen.“ Der Vogel sagte darauf: „Ich brauche dazu von dir 40 Schläuche mit Wasser und 40 ganze Schafrümpfe Fleisch. Dann werde ich dich in die Lichtwelt hinauftragen.“

Da begab sich der Junge zur Audienz beim Padischah. Er sagte: „Mein Padischah, ich will von dir 40 Schafkörper Fleisch und 40 Schläuche mit Wasser.“ Der Padischah fragte: „Was wirst du denn mit alledem anfangen?“ Jener erklärte, daß er in die Lichtwelt emporsteigen werde. Er sagte: „Die Körper und die Schläuche sollen an den und den Ort an den Fuß des Baumes gebracht werden. Dieses ist es, was ich von dir verlange.“ Der Padischah ließ dieses alles besorgen und auf einen Wagen laden. Der Junge ging gleichzeitig mit bis an den Fuß des Baumes. Als er die Sachen alle vom Wagen genommen hatte, fuhren die Wagen zurück.

Der Phönix ließ sich nun auf die Erde herab und sagte zu dem Jüngling: „Leg das Fleisch auf die eine Seite von mir und das Wasser auf die andere Seite und sitz selbst auf! So oft ich ghak sage, gib mir Wasser, und so oft ich ghyk sage, gib mir Fleisch!“ Nun begann der Vogel sich in die Luft zu erheben. Nachdem sie sich schon eine lange Strecke emporgehoben hatten, ging das Fleisch zu Ende. Da zog der Jüngling sein Messer heraus und schnitt sich ein wenig Fleisch von seinem Fuße ab. Als er dies dem Vogel gab, merkte dieser, daß es Menschenfleisch war. Er aß es nicht, sondern verbarg es unter seiner Zunge. Plötzlich brachte er den Jungen hinauf in die Lichtwelt. Da sagte er zu ihm: „Wohlan, nun geh!“ Der Junge antwortete: „Geh nur du zuerst! Ich werde dann schon gehen.“ Der Vogel gab zur Antwort: „Wenn du nicht gehst, werde ich dich wieder mit hinabnehmen.“ Da fing der Junge zu marschieren an. Der Vogel sah, daß er hinkte. Da rief er ihn zu sich. Als er zu ihm herangekommen war, fragte er, warum er lahme, und sagte zu ihm: „Zeig deinen Fuß, damit ich ihn ansehe!“ Da zog der Vogel das Fleisch unter seiner Zunge hervor und legte es dem Jungen auf seine Wunde. Dann leckte er dem Jungen den Fuß, und der Fuß wurde wieder, wie er zuvor gewesen war. Da sagte der Vogel: „Wohlan, geh jetzt!“ Der Junge fing nun zu marschieren an. Als der Vogel sah, daß der Junge nicht mehr hinkte, sagte er: „Wohlan! Gott soll dir Wohlsein geben!“ Damit kehrte er zurück und gelangte wieder zu seinen Jungen.

Der Junge kam jetzt nach ein oder zwei Jahren wieder in seine Heimat zurück. Ganz unerwartet sandte der Junge dem Padischah, seinem Vater, die Nachricht: „Dein jüngster Sohn kommt jetzt.“ Die Braut des Jungen wartete noch immer auf ihn. Der Padischah freute sich, als sein Sohn kam. Er fragte ihn nach dem Grunde, warum seine Brüder gekommen seien und er nicht habe kommen können. Da erzählte er, wie seine Brüder ihn in den Brunnen gelassen und nicht herausgezogen hätten. Die Braut des Jünglings wurde nun fröhlich. Man fing an, zu seiner Hochzeit zu rüsten. Man veranstaltete 40 Tage und 40 Nächte lang die Hochzeit, und beide erreichten endlich das Ziel ihrer Wünsche.

Die drei Pomeranzen.

Ein Bej hatte einstmals keine Kinder. Da machte er sich mit seinem Diener zusammen auf die Reise. Sie begegneten einem uralten Greise. Dieser fragte sie, wohin sie gingen. Der Bej sagt: „Was soll ich sonst machen? Ich bekomme keine Kinder. Wenn ich sterbe, wird mein Palast und mein Hab und Gut nur für Fremde bleiben.“ Der Alte sagt: „Du wirst in ein Tal kommen. Dort wirst du sieben Jahre lang Butter und Honig fließen lassen, und Gott wird dir Nachkommenschaft schenken.“ Da verschwand der Alte von seiner Seite.

Auf dem Rückwege von dort kam der Bej an eine Stelle, wo er aus einem Tal Butter und aus einem anderen Tal Honig fließen läßt. Sieben Jahre läßt er Honig und Butter fließen. Da gibt ihm Gott ein Kind.

Der Knabe wird 10 oder 12 Jahre alt. Während er einmal mit anderen Kindern spielte, kam eine alte Frau. Als sie im Tale Butter und Honig sammelte, warf der Knabe des Bej einen Speer. Zufälligerweise traf dieser den Krug der Alten. Der Krug zerbrach. Da sagt die alte Frau: „Du bist noch ein Kind. Ich kann dich nicht umbringen. Du sollst aber zu der Quelle der drei Pomeranzen (turundsch) kommen!“ Mit diesen Worten flucht sie ihm.

Nach Hause zurückgekehrt, sagt der Knabe zu seinem Vater: „Vater, ich werde zu den drei Pomeranzen gehen.“ Der Vater sagt zwar: „Ums Himmels willen, mein Sohn! Wohin wirst du gehen? Ich habe dich doch kaum erst gefunden!“ doch läßt der Knabe sich nicht überreden. Sowie er von seinem Vater schließlich die Erlaubnis, zu gehen, erlangt hat, macht er sich auf den Weg.

Nachdem er eine Strecke weit gegangen ist, begegnet der Junge einem Schafhirten. Er bietet den Gruß und erhält den Gruß erwidert. Der Hirte fragt: „Mein Kind, wohin gehst du?“ Der Junge sagt, daß er zu den drei Pomeranzen gehe. Der Hirte sagt: „Du wirst wohl hingehen. Aber auf dem Wege zu den drei Pomeranzen gibt es Dews. Sie werden dich auffressen.“ Der Junge sagt: „Was soll ich machen?“ Der Hirte sagt: „Ich will ein Lamm abschlachten und es dir mitgeben. Du wirst es der Dew-Frau als Geschenk bringen. Dann rührt sie dich nicht an.“

Der Knabe nimmt das Lamm und macht sich weiter auf den Weg. Während er so dahingeht, sitzt da auf dem Schlosse des Dew eine Dew-Frau. Er gibt ihr das Lamm. Die Dew-Frau sagt: „Du hast das Lamm gebracht. Soll ich dich also nicht auffressen?“ Der Knabe sagte: „Wozu bin ich denn eben erst als Gast zu dir gekommen? Wird denn ein Gast aufgefressen?“ Die Dew-Frau nahm ihn auf, indem sie ihn zum Gast machte, und ging mit ihm hinein. Sie sagte: „Menschensohn, zu was bist du hiehergekommen?“ Er sagte, er ginge zu den drei Pomeranzen. Da sagte sie: „Sehr gut! Ich will dir den Ort der drei Pomeranzen zeigen. Du wirst hingehen und sie holen. Aber jene drei Pomeranzen kommen immer erst am Morgen. Jetzt kommen sie nicht. Heute nacht wirst du hier schlafen.“

Die Dew-Frau hatte sieben Söhne. Sie waren auf die Jagd gegangen. Die Dew-Frau sagte zu dem Jungen: „Ich habe sieben Söhne. Wenn sie jetzt kommen, werden sie dich auffressen.“ Mit diesen Worten verbarg sie ihn.

Am Abend kommen die Söhne der Dew-Frau zurück. Sie sagen: „Mutter, es riecht hier nach Menschen!“ Sie sagt: „Woher soll hieher ein Menschensohn kommen?“ Die Söhne sagen wiederum, daß es nach Menschen rieche. Ihre Mutter sagt: „Leistet einen Eid! Wenn ihr ihn nicht auffreßt, so will ich’s euch sagen.“ Sie leisten einen Eid und sagen: „Wer es immer ist, bring ihn auf den Plan!“ Die Dew-Frau bringt den Jungen zum Vorschein. Sie gewinnen Zuneigung zu dem Jungen und sagen: „Mutter, warum ist dieser Junge wohl gekommen?“ Sie erklärt, daß er wegen der drei Pomeranzen gekommen sei. Sie sagen: „Mutter, zeig ihm am Morgen den Weg! Er soll sie holen und mit sich nehmen! Wir werden wieder auf die Jagd gehen.“ Damit legen sie sich zum Schlafen nieder.

Wie es Morgen wird, gehen die Söhne der Dew auf die Jagd. Als auch der Junge aufsteht, gibt ihm die Dew-Frau eine Schaufel und einen Spaten in die Hand. Sie sagt: „Mein Sohn, auf jenem Hügel ist ein Wasserbecken, d. h. Wasser. Dorthin gehst du. An diesem Wasser gräbst du einen Brunnen aus und steigst in diesen Brunnen hinein. Die drei Pomeranzen sind drei Tauben. Wenn du im Brunnen steckst, ziehen die Tauben ihre Hosen aus und gehen ins Wasser, um sich zu baden. Du nimmst nun die Hosen der Tauben und steckst sie dir an den Busen und machst dich dann, ohne zurückzuschauen, auf den Weg.“

Der Junge steigt also in den Brunnen hinein. Die Tauben kommen, und nachdem sie ihre Hosen heruntergezogen haben, werden sie zu drei Mädchen. Sie sollen nun dabei sein, sich zu baden. Da nimmt der Knabe die Hosen an sich und macht sich damit davon.

Er geht eine Strecke Weges. Da sagt er bei sich: „Ich habe diese Hosen genommen. Ich will nun schauen, was aus ihnen geworden ist.“ Da sieht er mit einem Male, daß sie an seinem Busen zu drei Pomeranzen geworden sind. Der Junge bekam Durst. Er dachte sich: „Was soll ich machen? Es ist kein Wasser da.“ So schnitt er eine der Pomeranzen auf. Daraus kam ein Mädchen heraus. Dieses sagte: „Bej-Sohn, Wasser!“ Er sagte: „Was soll ich machen? Wasser ist keines da. Auch ich kann keines finden.“ Da starb das Mädchen.

Nachdem der Junge wieder eine Weile gegangen war, konnte er noch immer kein Wasser finden. Er schnitt die zweite Pomeranze auf. Wiederum kam ein Mädchen heraus und sagte: „Bej-Sohn, Wasser!“ Er sagte: „Wasser ist keines da. Auch ich kann keines finden.“ Da starb auch sie.

Er faßte nun den Entschluß, die letzte noch übriggebliebene Pomeranze erst zu zerschneiden, wenn er Wasser gefunden hätte. Nachdem er wieder eine Strecke gegangen war, traf er auf eine Quelle. Mit den Worten: „Ich will jene Pomeranze zerschneiden und sehen, ob auch daraus ein Mädchen herauskommt!“ zerschnitt er die Pomeranze, und wiederum kam ein Mädchen heraus, das wie ein Engel war. Sie sagte: „Bej-Sohn, Wasser!“ Der Junge zeigte mit den Worten: „Sieh, hier ist Wasser!“ auf die Quelle. Sie sagte: „Mein Bej, trink du! Dann will ich auch trinken.“ Der Junge beugte sich zu der Quelle hernieder, um Wasser zu trinken. Da sah er plötzlich, daß das Mädchen nicht mehr neben ihm war. Er schaute hierhin und dorthin. Neben der Quelle stand eine Pappel. Da sagte das Mädchen: „Ich bin auf dem Gipfel des Baumes. Such mich nicht!“ Er sagte: „Mädchen, nimm mich auch an deine Seite!“ Auf ihre Worte hin: „Neige dich, Pappel!“ neigte sich die Pappel, und sie nahm den Bej nun gleichfalls an ihre Seite.

So blieben sie ein paar Tage auf dem Gipfel des Baumes. Dann sagte er zu dem Mädchen: „Was sollen wir tun? Ich will gehen und dir Nachricht senden und wiederkommen.“ Das Mädchen sagte: „Es ist gut.“ Der Junge stieg also von der Pappel herab und machte sich auf den Weg. Das Land des Knaben war nahe dabei gelegen. Er sandte seinem Vater Kunde, daß er gekommen sei. Sein Vater war hocherfreut und fing mit den Worten: „Mein Sohn kommt jetzt!“ Musik zu machen an.

Der Vater fragte nun seinen Sohn: „Du bist doch zu den drei Pomeranzen gegangen! Hast du sie hergebracht?“ Er sagte: „Vater, ich habe sie gebracht. Aber zwei davon sind gestorben. Eine davon ist am Leben. Sie ist an dem und dem Ort. Wir wollen Nachricht dorthin senden, daß sie kommen soll.“ Es wurde also Nachricht gesendet. Sie kamen zu dem Mädchen und sahen es auf der Spitze des Baumes.

Der Bej sagte: „Mädchen, steig herunter!“ Das Mädchen stieg herab, und voller Lust machten sie sich auf den Weg. So kamen sie in das Land seines Vaters. Die Bevölkerung sammelt sich mit den Rufen: „Die drei Pomeranzen sind gekommen! Wir wollen sie ansehen!“ Jeder, der sie sieht, sagt: „Ich möchte sie noch einmal sehen!“ Sie ist so schön, wie der Mond am 14. des Monats.

Der Vater traf die Vorbereitungen zur Hochzeit seines Sohnes. 40 Tage und 40 Nächte spielen Trommel und Pfeife und feiern sie Hochzeit. Da erreichten sie das Ziel ihrer Wünsche.

Die Zwillinge.

Ein Padischah hatte einmal keine Kinder. Er sagte zu seinem Lala: „Wohlan, laßt uns auf Reisen gehen.“ Sie machten sich zusammen auf und kommen an eine Quelle. Der Padischah sagt: „Hier wollen wir ein wenig essen!“ Während sie Brot essen, kommt ein Derwisch und sagt: „Der Gruß sei auf euch, mein Schah!“ Er sagt: „Und auf euch sei der Gruß, Derwisch Baba! Bitte, laßt euch nieder! Wir wollen miteinander essen!“

Nachdem sie gegessen haben, fragt der Derwisch, wohin der Padischah gehe. Dieser sagt: „Du hast gewußt, daß ich Schah bin. Du weißt auch, weshalb ich herumreise!“ Da sagte der Derwisch: „Du hast keine Kinder. Deshalb reisest du herum. Wenn du Kinder bekämest, würdest du mir eines davon geben?“ Der Padischah sagt zu dem Derwisch: „Wenn ich zwei Kinder bekomme, werde ich dir eines davon geben!“ Da gab der Derwisch dem Padischah einen Apfel und sagt: „Die eine Hälfte davon sollst du, die andere Hälfte soll die Sultan Hanym essen. Gott wird dir davon zwei Kinder geben.“

Nach der Rückkehr des Padischah ißt der Schah die Hälfte des Apfels selbst, die andere Hälfte gibt er der Sultanin. Beide essen sie. Da gibt ihnen Gott zwei Kinder. Den einen nennt er Mehmed, den anderen Ahmed. Der Name des älteren Knaben ist Ahmed, der des jüngeren Mehmed.

Als die Kinder 8-10 Jahre alt werden, läßt er sie unterrichten. Nachdem die Kinder 12 Jahre alt geworden sind, taucht auch der Derwisch wieder auf und erscheint. Mit den Worten: „O Schah! Gott hat dir zwei Kinder gegeben!“ verlangte der Derwisch eines der Kinder. Der Schah sagt: „Ruf die Kinder! Welches davon du haben willst, das nimm und geh!“

Er ruft die Kinder, und der Vater sagt: „Meine Kinder! Ich habe es versprochen! Ich sollte, wenn ich zwei Kinder bekommen würde, eines diesem Derwisch geben. Wer von euch beiden will mitgehen?“ Da wollen beide gehen. Indes zeigte der jüngere Knabe noch mehr Lust dazu und wollte mit dem Derwisch Baba gehen. Der Padischah gibt also den Mehmed dem Derwisch mit.

Der Derwisch nimmt das Kind und macht sich auf den Weg. Nachdem sie eine Strecke weit gegangen sind, sagt der Derwisch, auf die Erklärung des Knaben hin, daß er durstig geworden sei, sie kämen bald zu einer Quelle. Nachdem sie ein wenig weitergegangen sind, sieht der Knabe dort einen Landmann pflügen. Er sagt zu dem Derwisch: „Ich werde zu diesem Landmann gehen und Wasser trinken.“ Der Derwisch gibt ihm dazu die Erlaubnis und wartet dortselbst auf ihn.

Der Knabe geht also zu dem Landmann und verlangt von ihm ein wenig Wasser. Der Landmann fragt: „Mein Sohn, wohin gehst du?“ Er erklärt dem alten Landmann, daß er mit dem Derwisch zusammen gehe. Da sagt dieser: „Mein Sohn, das ist ein Dew. Er wird dich fressen. Folg seinem Worte nicht!“ Der Landmann war nämlich der Prophet Elias. „Du wirst jetzt mit dem Derwisch zusammen in einen Konak gehen. Der Derwisch wird sagen: „Mein Sohn, nimm diesen Schlüssel und öffne die Türe!“ Du wirst dagegen sagen: „Ich kann sie nicht aufmachen. Mach du auf!“ Wenn der Derwisch die Türe geöffnet hat, wird er sagen: „Mein Sohn, tritt ein!“ Doch hüte dich und tritt ja nicht zuerst ein, Kind! Der Derwisch soll zuerst eintreten. Wenn du den Derwisch, während er eintritt, von hinten erschlagen und töten kannst, so bist du aus der Hand dieses Derwisches gerettet.“

Der Knabe kommt wieder zu dem Derwisch zurück, und beide machen sich auf den Weiterweg. Sie kommen zu einem Konak. Der Knabe handelt der Anweisung des Landmannes gemäß und tötet den Dew. Nachdem der Dew tot ist, tritt der Knabe in den Konak ein und sieht, daß 40 Schlüssel da sind. Er öffnet ein Zimmer, in dem sich 40 Mädchen befinden. Er öffnet noch eines, in dem sich 40 Jünglinge befinden. Er fragt sie: „Was treibt ihr euch hier herum?“ Nun hatte der Dew aber ein jedes von ihnen von einem anderen Manne genommen. Jeden Tag pflegte er ein Exemplar davon zu essen. Der Knabe gibt diese 40 Mädchen den 40 Jünglingen zu Frauen und läßt sie frei.

Nachdem sie fortgegangen sind, öffnet der Junge noch eine Türe. Er sieht, daß dort eine Quelle fließt. Während er in der Absicht: „Ich will hier jetzt eine Abwaschung vornehmen und das Gebet verrichten“ dort eine Abwaschung vornimmt, wird seine ganze Kleidung völlig golden. Der Junge öffnet noch eine Türe. Dort sind Pferde, weit herrlicher noch, als er es sich wünschen könnte. Der Jüngling sagte zu sich: „In der Quelle ist meine ganze Kleidung zu lauter Gold geworden. Ich will auch dieses Pferd dort abwaschen. Es soll ebenfalls golden werden!“ Nachdem er es ebenfalls abgewaschen hatte, wurden auch an dem Pferde sämtliche Haare golden. Er führte nun das Pferd heraus, und sie gehen zum Tore hinaus. Vorn schreibt er ans Tor: „Falls vielleicht mein Bruder hieherkommt und mich suchen sollte, so soll er in diesen Konak eintreten, sich in der Quelle waschen und soll auch sein Pferd darin waschen! Darnach soll er kommen und mich aufsuchen!“ Das schrieb er vorne ans Tor hin.

Nachdem der Jüngling das hingeschrieben hatte, steigt er zu Pferd und macht sich auf den Weg. Während sie des Weges ziehen, sagt das Pferd, indem es die Fähigkeit, zu sprechen, erlangt: „Mein Bej! Wohin wir jetzt immer gehen, so hast du den bösen Blick zu fürchten. Du wirst von meiner Mähne zwei Haare nehmen. Wenn immer dein Haupt auf Unglück stößt, so wirst du diese Haare aneinander reiben, dann komme ich.“ Der Jüngling zieht also seine goldenen Kleider aus, bindet sie auf das Pferd und läßt das Pferd frei.

Eines Tages kommt der Jüngling nach Konstantinopel hinein. Während er vor dem Sultans-Palast vorübergeht, sagen die Eunuchen: „Hier geht ein Armer vorbei. Wir wollen ihn dingen und ihn zum Hirten für die Gänse machen!“ Sie nahmen den Jungen also in den Palast und machten ihn zum Gänsehirten.

Der Padischah hatte drei Töchter. Diese Töchter sagen: „Du hast die Gänse diesem Jungen übergeben. Aber schaut doch einmal, was dieser Junge mit ihnen macht!“ Damit geben sie den Eunuchen Befehl. Die Eunuchen gehen und sehen, daß der Junge im Schlaf liegt und die Gänse weiden. Sie stehlen ihm fünf Stück von den Gänsen. Der Junge hat keine Ahnung davon. Als es Abend geworden ist, steht der Junge auf, nimmt die Gänse und treibt sie heim. Während er die Gänse in den Stall bringt, sagt man zu ihm: „Zähl die Gänse!“ Der Junge sagt: „Ich bin kein Knecht. Zählt sie und prüft die Rechnung!“ Es fehlte aber keine einzige Gans.

Am folgenden Tage sagte man ihm, daß man ihm 20 Gänse gegeben habe. Der Junge nahm die Gänse des Padischah und ging, um sie weiden zu lassen. Obgleich dann wiederum im Laufe des Tages Leute zu ihm hingingen, so war der Junge doch wieder eingeschlafen. Wieder stahlen sie ihm zehn Gänse und kamen damit heim. Am Abend brachte der Junge die Gänse. Man sagte ihm zwar wieder, er sollte sie zählen und an ihren Ort bringen, doch sagte der Junge wieder: „Zählt sie selbst! Ich bin kein Hirte.“ Als sie nun die Gänse zählten, kamen wiederum genau zwanzig Stück heraus.

Man tat nun den Jungen in den Palast an die Seite des Gärtners. Er verrichtete mit dem Obergärtner die besseren und die niedrigeren Dienstleistungen. Der Obergärtner gab eines Tages mit den Worten, daß er in den Selamlyk gehe, dem Jungen seine Flinte in die Hand und gab ihm folgenden Befehl: „Wer in den Garten kommt, den erschießest du!“ Damit ging er fort. Da rieb der Junge die bei ihm befindlichen Pferdehaare aneinander. Das Pferd kam. Er zog seine goldenen Kleider an, bestieg das Pferd und verwüstete den Garten. Die jüngste Tochter des Padischah erblickt in jenem Augenblicke den Jüngling. Sie verliebt sich alsbald in ihn. Der Junge und das Pferd waren aber auch ganz und gar in Gold getaucht.

Der Junge stieg wieder vom Pferde herab, und indem er seine Kleider wiederum hinten am Sattel festband, ließ er dem Pferde wieder freien Lauf. Er nimmt die Flinte in den Arm. Als der Obergärtner zum Tor hereinkommt, da schießt er die Flinte ab, daß er beinahe den Obergärtner traf. Dieser schreit: „Was machst du da für einen Unsinn?“ Er nimmt ihm die Flinte aus der Hand und will den grindigen Burschen erschießen. Denn der ganze Garten war verwüstet worden.

Als die jüngste Tochter des Padischah diese Sachlage sieht, schreit sie sofort: „Was machst du da?“ Kaum hat sie es gesagt, so fällt dem Obergärtner, als er die Stimme des Mädchens hört, die Flinte aus der Hand. Das Mädchen ruft ihn zu sich und gibt ihm folgenden Auftrag: „Ich will von dir eine überreife Wassermelone haben, ferner eine, die halb überreif und halb reif ist, und ferner eine richtig reife Wassermelone.“

Der Obergärtner nimmt die Wassermelonen und bringt sie, damit sie dem Padischah übergeben werden. Der Padischah schneidet eine von den Wassermelonen auf: sie ist überreif. Er schneidet die zweite auf: sie ist ein wenig zu reif. Er schneidet die letzte auf: es ist gerade die rechte Zeit für sie, daß man sie ißt. Da sagt er zu seinem Lala: „Wer hat diese Wassermelonen geschickt?“ Dieser sagt: „Eure Tochter, die jüngste Hanym, hat sie geschickt.“ Der Padischah fragt seinen Lala: „Was soll das besagen?“ Sein Lala sagt: „Eure Töchter möchten heiraten. Es will besagen: Die älteste ist schon überreif, die zweite ist am Überreifwerden, die dritte ist der Zeit nach gerade recht.“

Der Sultan läßt also für jede Tochter eine goldene Kanone machen. Dann erklärt er: „Die Bevölkerung soll vor dem Palast vorbeiziehen. Sobald einer von den Jünglingen meinen Töchtern gefällt, so sollen sie ihre Kanonen auf ihn abschießen!“ Die Bevölkerung begann nun am Palast vorbeizuziehen. Die älteste Tochter schießt auf den Sohn des Wesir. Die zweite schießt auf den Sohn eines Ministers. Die jüngste Tochter aber schießt nach niemandes Haupt. Es bleibt schon kein einziger Einwohner mehr übrig.

Der Gärtner sagt: „Bei mir ist nur noch ein Junge. Sonst ist niemand mehr übriggeblieben.“ Es heißt: „Auch der kahlköpfige Junge soll vorbeidefilieren.“ Da schießt die jüngste Tochter die Kanone nach dem Haupte des kahlköpfigen Jungen ab.

Darauf fing man an, die Hochzeitsfeier zu veranstalten. Man sagt: „Die Älteste und die Mittlere haben, wie dem auch sei, auf die Söhne von Ministern gezielt. Aber die Jüngste hat nach dem Kopf eines grindigen Jungen geschossen.“

Als der Junge aber die Haare des Pferdes aneinander rieb, kam dieses herbei: Die ganze Welt kommt heraus, um es zu betrachten und um den goldgekleideten Schwiegersohn des Padischah zu bestaunen.

Während der Junge und jetzige Schwiegersohn eines Tages in seinem Zimmer im Palaste sitzt, fällt auf einmal ein heller Schimmer in den Palast. Er fragt die Hanym: „Was ist das?“ Sie sagt: „Die Meermaid ist auf die Oberfläche des Meeres emporgekommen. Es ist der Schimmer von ihr.“ Da sagt er: „Ich will gehen und will sie mir anschauen.“ Er besteigt sein Pferd und reitet fort.

Am Ufer des Meeres sieht er Pilaw bereitstehen. Der Junge macht sich daran, ihn zu essen. Da ruft die Meermaid: „Kämpf mit mir, und dann iß den Pilaw!“ Der Jüngling läßt sich mit dem Mädchen in einen Kampf ein, ohne ihren Pilaw gegessen zu haben. Da ergreift die Meermaid den Jüngling und das Pferd und schleppt sie mit sich fort.

Wir wollen nun zu dem Bruder des Jünglings kommen, der Ahmed heißt. Er sollte ausziehen, Mehmed zu suchen. Er besteigt sein Pferd und zieht aus, um den Mehmed ausfindig zu machen. Der Jüngling kommt zu dem Palast des Dew. Er schaut auf und erblickt am Tore die Schrift.

Da geht er hin, um sich ebenfalls abzuwaschen. Als er sich abwäscht, wird auch seine Kleidung und sein Pferd golden. Der Jüngling geht nun hinaus, besteigt sein Pferd und macht sich auf den Weg. Eines Tages kommt er in Konstantinopel an. Alle, die ihn sehen, grüßen ihn ehrerbietig, indem sie sagen: „Der Schwiegersohn des Padischah ist gekommen.“ Sie riefen: „Mein Bej! Wo bist du geblieben? Wir konnten dich unterdessen nicht finden.“ Der Jüngling sagte zu sich: „Mein Bruder ist hier! Man hält mich für meinen Bruder.“ Doch gibt er keinen Laut darüber von sich. Die beiden Brüder glichen sich vollkommen.

Man bringt den Jüngling in den Seraj und führt ihn auf sein Zimmer. Das Mädchen hält ihn für ihren Gatten. Als es Abend wird, werden die Betten gemacht. Sie legen sich beide nieder. Aber der Jüngling legt sich so hin, daß er dem Mädchen den Rücken kehrt. Das Mädchen sagt: „Mein Bej, was ist mit dir geschehen?“ Er sagt: „Ich bin müde. Ich will ein wenig schlummern.“

Als sie am Morgen aufstehen, verrichtet der Jüngling das Gebet. Während die Sonne aufgeht, fällt wiederum ein Schimmer ins Zimmer herein. Er fragt die Hanym. Sie sagt: „Die Meermaid ist wieder auf die Oberfläche des Meeres emporgestiegen. Es ist der Schimmer von ihr. Hast du es letzthin nicht gesehen?“ Da erkennt der Jüngling, daß die Meermaid seinen Bruder fortgeschleppt hat. Er sagt: „Ich will gehen und sie anschauen.“

Er steigt zu Pferde und reitet an das Ufer des Meeres. Da sieht er, daß dort Pilaw steht. Er will von diesem Pilaw essen. Kaum fängt er damit an, so sagt die Meermaid auch zu ihm: „Kämpf zuerst mit mir, und dann wirst du Pilaw essen!“ Er sagt: „Ich will erst mich sättigen, und dann werden wir mit dir kämpfen.“ Nachdem der Jüngling den Pilaw gegessen hat, fängt er mit dem Mädchen zu kämpfen an. Er überwindet die Meermaid und sagt: „Ich will meinen Bruder und sein Pferd von dir haben.“ Die Meermaid bringt seinen Bruder und sein Pferd herbei.

Die Meermaid nun war so schön, daß es ihresgleichen auf der ganzen Welt nicht gab. Als der Jüngling seinen befreiten Bruder und die Meermaid mit sich nahm, sah das Volk, während sie sich zum Palaste begaben, daß der Schwiegersohn des Padischah sich verdoppelt hatte. Da sie vollkommen einander glichen, so konnte man sie nicht voneinander unterscheiden.

Sie geben dem Padischah Kunde. Auch der Padischah kannte sie nicht voneinander weg. Er sagt: „Meine Frau Tochter weiß, wer von ihnen ihr Gatte geworden ist. Sie sollen beide in ihr Zimmer gehen!“ Sie begeben sich in das Zimmer. Jedoch auch die Hanym kennt sie nicht auseinander. Sie sagt sich: „Es soll erst Abend werden. Wer von ihnen zu mir kommt, der ist mein Gatte.“ Als es Abend wird, macht man die Betten. Der Jüngling Mehmed Bej geht in sein Bett. Und Ahmed Bej legt sich mit der Meermaid schlafen.

Nachdem sie sich einige Tage ausgeruht haben, erbitten sie von dem Padischah die Erlaubnis zur Abreise. Sie erklären: „Wir sind ebenfalls Söhne eines Padischah. Gib uns Urlaub. Wir wollen zu unserem Vater gehen.“ Wie sie die Genehmigung erhalten haben, machen sie sich auf den Weg. Nach einer Weile betreten sie das Land ihres Vaters. Zu ihrem Vater gelangt die freudige Kunde des Inhalts: „Mehmed Bej und Ahmed Bej kommen soeben!“ Ihr Vater sieht, daß ihre ganzen Kleider und ihre Pferde golden sind und daß auch zwei Frauen mitkommen. Von den beiden Frauen ist aber eine schöner als die andere.

Als die Jünglinge ihren Vater erblicken, küssen sie ihm, vom Pferde steigend, die Hände. Auch die Hanyms küssen ihm die Hände. Ihr Vater ist hochbefriedigt. Er schickt sich an, die Hochzeit von neuem zu feiern. 40 Tage und 40 Nächte wird Musik gemacht.

Nach Gottes Befehl treten sie bei den Frauen ein und erlangen das Ziel ihrer Wünsche.

Unverletzlichkeit des Gastgebers.

Eines Tages begegnete ein Mann, der nach Konstantinopel ging, auf dem Wege einem schwarzen Reiter auf grauem Pferde. Der Jüngling, d. h. eben dieser Mann, hatte Furcht vor dem Reiter und verbarg sich deshalb seitwärts des Weges. Da bemerkte er, wie dieser Reiter sich an den Fuß eines Baumes begab und dortselbst etwas versteckte. Der Reiter ritt dann wieder weiter. Als der Jüngling an die Stelle kam, sah er, daß sich unter dem Baum 40 Schlüssel befanden. Er nahm sie an sich und setzte seinen Weg fort. Auf dem Weiterwege kam er zu einem Palast. Das Tor des Palastes war verschlossen. Wie er nach oben schaute, stand dort eine Hanym. Er sagte, sie sollte ihn für die Nacht als Gast aufnehmen. Die Hanym aber erklärte, daß das Tor verschlossen sei. Da fielen dem Jünglinge die Schlüssel ein. Er nahm sie heraus, öffnete wirklich das Tor und kam zu der Hanym hinauf.

Die Hanym fragte: „Woher hast du diese Schlüssel genommen?“ Er antwortete: „Ein Reiter versteckte sie unter einem Baum. Ich bemerkte es und habe sie von dort weggenommen.“ Die Hanym sagte: „Das war mein Gatte. Er hat noch eine zweite Frau. Sechs Monate bleibt er bei ihr und sechs Monate bei mir.“

Der Jüngling blieb nun fünf Monate mit dieser Hanym zusammen. Nach fünf Monaten sagte die Frau zu ihm: „Komm, ich will dich in deine Heimat zurückschicken. Vielleicht kommt jetzt mein Gatte. Wo du die Schlüssel genommen hast, dort leg sie wieder nieder!“ Der Jüngling legte also die Schlüssel wieder unter den Baum und machte sich auf und davon.

Als der schwarze Reiter kam, fand er die Schlüssel auf der Erde liegen. Da bestieg er wieder sein Pferd und begab sich in seinen Konak. Sowie er seine Frau erblickte, sagte er zu ihr: „Jemand ist in diesen Konak hereingekommen!“ Die Hanym leugnete es zwar ab, doch der Neger kehrte mit den Worten: „Ich werde ihn schon noch finden!“ wieder um. Er kam in das Heimatdorf des Jünglings und fragte: „Ist hier jemand, der in den letzten fünf Monaten aus der Fremde gekommen ist?“ Als der Jüngling sah, daß der Neger auf seinen eigenen Konak zukam, tat er, bis er ganz herangekommen war, das Kaffeekännchen an den Herd und kochte rasch eine Tasse Kaffee. Diesen Kaffee mußte der Neger, als er kam, wohl oder übel trinken.

Der Neger nahm sodann den Jüngling und kam mit ihm zu seinem eigenen Konak. Als sie nach oben gestiegen waren, band man dem Jüngling die Hände. Der Neger sagte nun zu der Frau: „Stich nun diesen Jüngling tot!“ Die Hanym sagte: „Warum stichst du selber ihn nicht tot?“ Da meinte der Neger: „Ich würde ihn totstechen. Aber er hat mir eine Tasse Kaffee zu trinken gegeben. Wegen dieses Kaffees kann ich ihn selber nicht totstechen.“ Da sagte die Hanym: „Du kannst ihn wegen einer Tasse Kaffee nicht totstechen. Was mich betrifft, so habe ich fünf Monate lang mit ihm auf einem Kissen geschlafen. Wie sollte ich ihn da totstechen können?“

Da löste der Neger dem Jüngling die Hände. Er war erbost auf die Hanym und sagte zu dem Jüngling: „Die Frau ist dein und auch der Konak ist dein.“ Mit diesen Worten bestieg er sein Pferd und machte sich fort und ging weg, und auch die Geschichte ist zu Ende.

Der Fuchs als Brautwerber.

Es war einmal ein Müller. Er hatte nichts anderes als die Mühle. Eines Tages kam ein Fuchs in die Mühle und bot dem Müller den Selam. Der Müller sagt: „Auf dir sei der Gruß, Bruder Fuchs!“ Der Fuchs sagt: „Wir wollen mit dir Brüderschaft schließen!“ Der Fuchs und der Müller schließen also Brüderschaft.

Nach ein paar Tagen sagt der Fuchs: „Bruder Müller, ich werde dich verheiraten.“ Der Müller sagt: „Ums Himmels willen, Bruder, wie soll ich mich verheiraten? Ich habe doch nichts außer der Mühle!“ Der Fuchs sagt: „Zu was hast du etwas nötig? Ich werde dich verheiraten. Ich werde in die Stadt gehen und um die Tochter des Pascha für dich freien.“

Der Müller sagt zwar: „Es ist unmöglich!“ doch der Fuchs macht sich auf den Weg und geht in die Stadt. Er kommt an das Tor des Pascha. Es gab da einen goldenen Stuhl. Nach der Sitte jener Zeit setzte sich jeder, der um die Tochter des Pascha freite, eben auf jenen goldenen Stuhl. Der Fuchs ging zu der Türe hinein und ging die Treppe hinauf und setzte sich auf den goldenen Stuhl. Die Diener des Pascha kommen heraus und sehen, daß ein Fuchs auf dem goldenen Stuhle sitzt. Sie gehen zur Hanym und geben ihr davon Nachricht. Die Hanym sagt zu den Dienerinnen: „Schlagt rasch auf diesen Fuchs los, damit er wieder hinuntergeht!“ Die Sklavinnen nahmen eine jede ein Holzscheit und schlugen auf den Fuchs los und jagten ihn zur Türe hinaus.

Etwas später kommt der Pascha. Die Hanym sagt zu ihm: „Pascha Efendi! Ein Fuchs ist gekommen und hat sich auf den goldenen Stuhl gesetzt. Ich habe zu den Dienerinnen gesagt, daß sie auf den Fuchs losschlügen und ihn zur Türe hinauswürfen.“ Der Pascha sagte: „Warum habt ihr ihn geschlagen? Wer weiß, wer er ist? Wenn er noch einmal kommt, so gebt mir Nachricht!“

Zu jener Zeit kam der Fuchs in die Mühle. Der Müller sagte: „Bruder Fuchs, was hast du gemacht?“ Der Fuchs sagte: „Ich bin hingegangen und habe um die Tochter des Pascha gefreit. Die Dienerinnen haben mich geschlagen. Ich floh und bin wieder hiehergekommen.“ Der Müller sagte: „Ums Himmels willen, Bruder Fuchs! Habe ich dir nicht gesagt: Geh nicht hin!“ Der Fuchs aber sagte, daß er morgen wieder gehen werde.

Als es Morgen wurde, machte sich der Fuchs wieder auf den Weg. Der Müller sagte zwar: „Geh nicht!“ Doch der Fuchs hörte nicht darauf. Er ging wieder in die Stadt, trat in den Konak des Pascha ein und setzte sich wieder auf den goldenen Stuhl. Wiederum sahen die Dienerinnen, daß der Fuchs auf dem goldenen Stuhle saß. Sie gaben der Hanym des Pascha Kunde davon, daß der Fuchs gekommen sei. Sie sagte: „Gebt dem Pascha Efendi Nachricht!“

Der Pascha kam. Als er hereinkam, stand der Fuchs auf, um den Pascha zu begrüßen. Der Pascha sagte: „Tier, was willst du?“ Der Fuchs sagte: „Ich verlange nach Gottes Befehl deine Tochter für Tozan Bej (den bestaubten Bej).“ Der Fuchs legte nämlich dem Müller den Namen Tozan Bej bei. Der Pascha sagte: „Ehe ich meinen Schwiegersohn nicht gesehen habe, gebe ich ihm meine Tochter nicht.“

Der Fuchs ging fröhlich zur Treppe hinunter und kam zur Mühle. Er brachte dem Müller die Freudennachricht: „Bruder, ich habe dich verlobt. Morgen werden wir in den Konak des Pascha gehen.“ Der Müller sagte: „Bruder, wie soll ich in diesem Gewande gehen?“

Während am folgenden Morgen der Fuchs zusammen mit dem Müller in die Stadt ging, kamen sie an das Ufer eines Flusses. Der Fuchs nahm die Wäschestücke des Müllers zusammen und warf sie ins Wasser. Er unterwies den Tozan Bej und sagte: „Wenn vom Konak des Pascha für dich Kleider kommen, so schau auf den Kragen! Nur wenn ein goldgesticktes Gewand kommt, so schau nach oben!“

Der Fuchs läuft von dort in den Konak des Pascha und sagt: „Ums Himmels willen, Pascha Efendi, während dein Herr Schwiegersohn über den Fluß ging, hat das Wasser seine Kleider mit fortgenommen.“ Der Pascha sagte: „Man soll rasch Kleider geben!“ Er gab dem Fuchs einen ganzen Anzug. Der Fuchs kam zum Müller, zog ihm die Kleider an und machte den Müller zu einem Efendi.

Der Fuchs lief dann vor ihm her, und so kamen sie in den Konak des Pascha. Mit den Worten: „Jetzt kommt der Schwiegersohn des Pascha!“ stellten sich alle Nachbarn des Pascha ehrfurchtsvoll zur Begrüßung auf.

Nachdem der Kaffee getrunken war, fing der Müller Tozan Bej an, auf seinen Kragen zu schauen. Der Pascha fragte: „Warum schaut er so auf seinen Kragen?“ Der Fuchs sagte: „Pascha Efendi, sein Gewand war mit Gold gestickt. Dieses Gewand gefällt ihm nicht.“ Nun hatte der Pascha ein mit Gold gesticktes Gewand. Er sagte: „Bringt schnell dieses Gewand!“ Man zog nun dem Tozan Bej das Kleid, nämlich das goldgestickte Gewand an. Jetzt hob Tozan Bej seinen Kopf wieder empor. Der Fuchs sagte: „Pascha Efendi, sein verloren gegangenes Gewand glich diesem hier.“

Der Pascha fragte, an welchem Tage er zur Hochzeit kommen werde. Nachdem dies festgesetzt worden war, kehrten der Müller und der Fuchs wieder heim und kamen in die Mühle. Der Müller wollte fast sterben vor Grübelei. Er sagte zu dem Fuchs: „Was soll ich machen? Du wirst es noch dahin bringen, daß man mir den Kopf abhaut.“ Der Fuchs aber sagt: „Bruder, fürchte dich nicht! Ich laß es nicht zu, daß man dir den Kopf abhaut.“

Der Fuchs lud nun eine ziemliche Menge der Dorfbevölkerung mit den Worten ein: „Es gibt ein Hochzeitsfest!“ Die Leute sammelten sich und begaben sich auf das Dach der Mühle. Die Brautführer trafen ein und machten sich auf den Weg. Sie hatten 32 Musikanten mit sich. So zogen sie in die Stadt hinein. Der Pascha sah, daß auf dem Lande gar keine Leute mehr geblieben waren, so viel Menschen zogen daher. Der Pascha gab ihnen zu essen und zu trinken. Es wurde Scherbet getrunken. Jene Nacht blieben sie dortselbst.

Am Donnerstag ließ man das Mädchen zu Pferde steigen und machte sich auf den Weg. Der Oheim des Mädchens und ihre zwei Brüder sollten mitkommen. Der Fuchs ging voraus. Er ermahnte die Brautführer: „Wenn ihr auf den und den Hügel hinaufzieht, so sollt ihr eine Menge Kanonen- und Flintenschüsse abgeben!“

Auf dem Wege gab es einen reichen Dew. Der Fuchs geht nun dorthin. Der Dew hatte sehr viele Herden. Der Fuchs sagt zu den Hirten jener Herden: „Die Brautführer kommen. Wenn sie fragen, wem diese Herden gehören, so sagt: sie gehören dem Tozan Bej.“ Der Oheim des Mädchens und ihre Brüder fragen nach den vorüberziehenden Herden, und die Hirten sagen auch: „Sie gehören dem Tozan Bej.“ Da sagen der Oheim des Mädchens und ihre Brüder: „Wie reich doch der Herr Schwiegersohn ist! Unser Vater hat nicht so viel Vermögen.“

Der Fuchs kommt dann weiter in den Konak des Dew und sagt: „Was machst du jetzt, Bruder Dew?“ Der Dew sagt: „Was sollen wir machen? Bruder Fuchs, woher kommst du jetzt?“ Der Fuchs sagt: „Ich komme eben aus der Stadt.“

Gerade in diesem Augenblicke steigen die Brautführer den Hügel hinauf, der gerade gegenüber dem Konak des Dew lag. Dort fangen sie an, mit Kanonen und Flinten zu schießen. Der Dew sagt: „Ums Himmels willen, Bruder Fuchs! Was hat das zu bedeuten?“ Der Fuchs sagt: „Ich komme soeben aus der Stadt. Es rücken Soldaten gegen dich an. Sie werden dich erschlagen.“ Der Dew sagt: „Ums Himmels willen, Bruder Fuchs! Was soll ich tun?“ Der Fuchs sagt: „Was du tun sollst? Kriech unter den großen Stein dort, damit dich niemand sieht!“ Der Dew hob den Stein auf. Als er den Stein über sich deckt, da bleibt er unter dem Stein liegen und krepiert.

Der Fuchs läuft nun eilends von dort in die Mühle und sagt zu dem Müller: „Ums Himmels willen, Bruder! Ich werde dich in den Konak des Dew bringen!“ Der Müller sagte: „Ums Himmels willen, Bruder Fuchs! Der Dew wird uns zerstückeln. Wie wollen wir in den Konak des Dew kommen?“ Der Fuchs sagt: „Ich hab den Dew zum Krepieren gebracht.“ Er nimmt, den Müller mit sich. Zusammen gehen sie in den Konak des Dew. Die Speisen des Dew waren eben im Kochen. Der Fuchs gibt die nötigen Anordnungen. Er läuft vor die Brautführer. Er geleitet sie in den Konak des Dew, damit sie nicht in die Mühle gehen. Die Brautführer kommen und steigen im Konak des Dew ab. Man ißt die Speisen und trinkt den Kaffee. Unser Fuchs gibt jedem sein Geschenk. Sowieso war bei dem Dew alles reichlich vorhanden.

Als es Abend wird, geht Tozan Bej bei der Tochter des Pascha ein nach Gottes Befehl, und sie erreichten das Ziel ihrer Wünsche.

Der betrogene Betrüger.

Es war einmal ein Hammal. Er hatte 1500 Piaster verdient und sagte: „Ich will nun wieder in die Heimat gehen.“ Dann aber sagte er sich: „Zu was soll ich denn in die Heimat gehen? Was soll ich dort tun? Ich habe keine Frau. Ich habe keinen Ochsen. Was soll ich mit soviel Geld anfangen? Soll ich mir eine Frau nehmen? Soll ich einen Ochsen kaufen? Es ist da ein Pfandleiher Hadschi Baba. Zu dem will ich dieses Geld hinschleppen und es dem Hadschi Baba geben. Bis zum Winter will ich noch 5 oder 10 Piaster hinzugewinnen. Dann werde ich in meine Heimat gehen.“

Der Hammal plagte sich also noch eine Weile ab und sparte noch 1500 Piaster. Um nun in die Heimat gehen zu können, geht er zu dem Pfandverleiher Hadschi Baba, um das Geld zu nehmen. Hadschi Baba aber leugnet dieses Geld ab. Er sagt: „Sie haben mir kein Geld gegeben.“ Was soll nun unser Hammal machen? Er geht zur Sultan Bajezid-Moschee und setzt sich unter einen Baum.

Da sieht er, wie zwei Frauen auf ihn zukommen. Die Frauen fragen den Hammal: „Warum grübelst du so?“ Der Hammal antwortet folgendermaßen: „Was könnt ihr machen? Ihr könnt für meinen Kummer kein Heilmittel sein! Ich habe nämlich dem Pfandverleiher Hadschi Baba 1500 Piaster Geld gegeben. Jetzt kann ich es nicht mehr zurückbekommen. Ich möchte in meine Heimat gehen!“ Die Hanym sagt: „Wenn ich dieses Geld von dem Hadschi Baba herausbekomme, wirst du mich dann zur Frau nehmen?“ Der Hammal entgegnete: „Ich werde dich nehmen.“

Darnach nimmt die Hanym den Hammal mit. Zusammen gehen sie weiter. Bei der Sultan Mehmed-Moschee beim Tschörekdschi-Tor treten sie in einen gelbgetünchten Konak ein. Sie gehen hinein. Die Hanym nimmt alle Edelsteine und alles Silber, das sie nur hat, und sagt zu ihrer Dienerin: „Ruf einen anderen Hammal!“ Der Hammal kommt. Sie gibt ihm ihre Edelstein-Truhe zu tragen. Zusammen gehen sie zu Hadschi Baba. Die Hanym sagt zu ihrer Dienerin: „Geh du hinter dem Hammal drein!“ Sie ordnet auch an, daß der Hammal, der sie heiraten will, hinter der Dienerin dreinkommen soll. Nahe bei dem Laden des Hadschi Baba machen sie Halt. Die Hanym sagt zu dem Hammal: „Bleib du vorerst hier stehen! Ich will die Truhe in den Laden des Hadschi Baba bringen.“

Sie kommt in den Laden des Hadschi Baba. Die Sklavin, der andere Hammal und die Hanym stellten die Truhe vor dem Laden des Hadschi Baba nieder. Der Pfandverleiher Hadschi Baba fragte: „Hanym, was ist’s mit dieser Truhe?“ Die Hanym bot ihm den Gruß und sagte: „Efendim, mein Efendi befindet sich draußen im Dienst. Er läßt nun auch mich zu sich kommen. Im Konak ist niemand. Diese Wertgegenstände sollen deshalb bei dir als Depot bleiben, bis wir wiederkommen.“ Dabei öffnet die Hanym den Deckel der Truhe. Als der Pfandverleiher Hadschi Baba hineinschaute, da sah er, daß in der Truhe für mehr als für 100 000 Piaster Wertsachen waren.

Zuvor hatte die Hanym zu dem Hammal gesagt: „Wenn ich die Truhe geöffnet habe, so komm herein und verlange deine 1500 Piaster!“ In jenem Augenblicke also kam der Hammal und verlangte von dem Hadschi Baba sein Geld. Hadschi Baba zog das Geld heraus und gab dem Hammal unverzüglich sein Depot von 1500 Piastern zurück. Er gab nämlich dem Hammal sein Geld nur deshalb, um die Wertsachen der Hanym als Depot zu erhalten. Sonst hätte er ihm sein Geld nicht gegeben.

Gelegentlich der Unterweisung hatte die Hanym auch zu ihrer Dienerin gesagt: „Sobald der Hammal sein Geld bekommen hat, so komme herein und sage: „Der Efendi ist gekommen!“ Jetzt kam also die Dienerin der Hanym und sagte: „Hanym! Mir gebührt Botenlohn für die Freudenbotschaft: Der Efendi ist gekommen!“ Da klappte sofort die Hanym den Deckel der Truhe zu und versperrte sie. Darauf begann die Hanym zu tanzen. Auch die Dienerin und der Hammal und der Hadschi Baba begannen zu tanzen. Die Hanym fragte den Hadschi Baba: „Zu was tanzest du? Bei mir ist der Efendi gekommen — darum tanze ich. Bei der Dienerin ist der Herr gekommen: sie tanzt in der Hoffnung, daß er ihr vielleicht Geld gibt. Der Hammal hat sein Geld bekommen: darum tanzt er. Aber zu was tanzest du eigentlich?“ Da sagte der Hadschi Baba: „Ihr habt mich betrogen: Der Hammal hat sein Geld zurückbekommen. Und deswegen tanze ich!“

Die Hanym lud nun die Truhe wieder dem Hammal auf den Rücken und sagte: „Laßt uns gehen!“ Sie kamen an das Tschörekdschi-Tor bei der Sultan Mehmed-Moschee und gingen mit der Hanym in ihren Konak. Man ließ den Imam und den Muchtar des Stadtviertels kommen und verheiratete die Hanym nach Gottes Befehl mit dem Hammal.

Nach ein paar Monaten sagte die Hanym: „Efendim, ich habe viel Geld und auch viele Läden. Es geht nicht an, daß du so müßig sitzest. Man soll nicht sagen, daß der Efendi der und der Hanym müßig geht. Wir wollen auf dem Tscharschy, dem geschlossenen Markte, einen Laden aufmachen. Wir wollen ein wenig Ware kaufen und in dem Laden auslegen. Sitz du in dem Laden, damit man nicht sage, der Gatte der Hanym faulenzt. Man soll sagen: Er treibt Handel!“

Sie eröffneten also den Laden, und der Efendi ging hin und saß dort. Am Morgen geht er weg, und am Abend kommt er wieder in den Konak. Er fing an, Handel zu treiben.

Nach ein oder zwei Monaten kam der Efendi eines Tages und öffnete den Laden. Da kam eine Hanym mit einer Sklavin zu ihm in den Laden. Sie sagten: „Efendi, bring dies, bring das! Sie machten Einkäufe für 30 Lira. Dann fragten sie: „Wieviel Geld machen die Sachen aus?“ Er sagte: „30 Lira.“ Die Hanyms gaben die 30 Lira, nahmen das Bündel, nachdem sie die Waren in ein Bündel zusammengebunden hatten, und gingen fort.

Als sie fortgegangen waren, sah der Efendi, daß der Hanym ein Taschentuch heruntergefallen war. Er lief hinter ihnen drein, um ihnen das Taschentuch zurück zu geben. Doch da sah er, daß sie schon verschwunden waren. Er dachte sich: Ich will das Taschentuch hinlegen und abgeben, wenn die Hanyms wiederkommen. Als er es auf das Bord legen wollte, sah er, daß an dem Ende des Taschentuches ein Knoten war. Er sagte: „Ich will sehen, was in diesem Knoten ist.“ Er knüpfte den Knoten auf und fand in dem Taschentuch drei Getreidekörner und ein Stück roter Farbe. Der Efendi verwunderte sich darüber sehr. Er sagte: „Was soll das eigentlich bedeuten?“

Er schloß den Laden und kam in seinen Konak. Nachdem er zu Abend gegessen und seinen Kaffee getrunken hatte, begann er nachzudenken. Die Hanym fragte: „Du denkst über etwas nach! Über was denkst du nach? Denkst du darüber nach, daß du nicht Handel treiben kannst?“ Der Efendi sagte: „Nein, ich denke über folgendes nach: Heute kam eine Hanym mit einer Sklavin zu mir in den Laden. Sie machten Einkäufe für 3000 Piaster, gaben das Geld und gingen weg. Da sah ich, daß ein Taschentuch dort liegen geblieben war. Ich nahm es und legte es auf das Bord. Ich dachte mir: Wenn die Hanym wiederkommt, will ich es ihr geben. Da sah ich, daß in dem Taschentuch ein Knoten war. Ich öffnete ihn: Es waren drei Getreidekörner und ein Stück roter Farbe darin. Ich denke darüber nach, was das wohl bedeuten kann.“

Die Hanym sagte: „Verstehst du denn eine so einfache Sache nicht?“ Der Efendi sagte: „Nein.“ Da sagte sie: „Efendi, ich werde dir sagen, was das alles bedeutet. Aber du wirst dann dorthingehen!“ Er sagte: „Ich gehe nicht dorthin. Sage es!“ Die Hanym sagte: „Efendi, diese Hanym hat es auf dich abgesehen: Die drei Getreidekörner und die rote Farbe bedeuten einen rotfarbenen Konak am Getreidehändler-Tor. Damit hat sie dir ihren Konak beschrieben.“

Darnach legten sie sich nieder. Am Morgen stand der Efendi auf und ging zu seinem Laden. Er dachte sich: „Bevor ich den Laden öffne, will ich gehen und schauen, ob das, was die Hanym gesagt hat, erlogen oder wahr ist. Ich will einmal hingehen und mir die Sache anschauen.“ Er ging also zum Getreidehändler-Tor. Er sah dort wirklich einen rotfarbigen Konak. Während er an dem Konak vorüberging, erblickte ihn die Hanym von oben. Sie öffnete das Fenster, warf drei Steine auf den Efendi und ließ einen Strick herabpendeln. Dann schloß sie das Fenster wieder und verschwand.

Der Efendi kehrte um und machte seinen Laden auf. Doch war er sehr neugierig, was dieser hin und her pendelnde Strick und die drei geworfenen Steine zu bedeuten hätten. Er sagte sich: „Was soll daraus werden?“

Als es Abend wurde, schloß er den Laden und ging in seinen Konak. Er ging in den Harem. Die Sklavinnen begrüßten ihn ehrfurchtsvoll. Aber während er mit der Hanym zusammensaß, fing er wieder nachzudenken an. Die Hanym sagte: „Über was denkst du nach? Du bist gewiß zu jenem Konak gegangen, von dem du gesagt hast! Natürlich bist du gegangen! Aber was hat jene Hanym mit dir gemacht?“ Der Efendi sagte: „Jawohl, Hanym, ich bin zu jenem Konak gegangen. Sie öffnete das Fenster und warf auf mich drei Steine und ließ einen Strick hin und her pendeln. Ich dachte mir: Will sie mich aufhängen? Was will sie mit mir tun? Darüber denke ich nach.“ Die Hanym fing zu lachen an. Der Efendi sagte: „Warum lachst du?“ Die Hanym sagte: „Ich lache darüber, daß du eine so einfache Sache nicht verstehen solltest!“ Er sagte: „Was bedeutet es denn, Hanym?“ Die Hanym sagte: „Sie hat auf dich drei Steine geworfen, womit sie meinte: Komm nachts um 3 Uhr. Wenn du den Weg durch die Türe nicht finden kannst, so werde ich dich mit dem Strick hinaufziehen. Das ist die Bedeutung des Strickes.“

Sie legten sich wieder nieder. Am Morgen ging der Efendi, um seinen Laden aufzumachen. Nun hatte er Landsleute von sich. Ehe er noch seinen Laden öffnete, ging er zu ihnen und sagte: „Kommt doch abends in unseren Konak und erbittet von der Hanym für mich Urlaub. Ich möchte zu euch kommen. Wenn die Hanym fragt und wenn sie sagt: «Was werdet ihr mit dem Efendi anfangen?» so sagt nur: Ein paar Landsleute des Efendi kehren in die Heimat zurück. Wir werden einen Brief schreiben lassen. Er soll seinen Eltern ein wenig Lebensmittel schicken. Wir wollen uns auch wieder einmal mit dem Efendi unterhalten.“ Dann ging er und öffnete seinen Laden.

Am Abend schloß er den Laden und kam in seinen Konak. Nach einer Stunde hörte er, wie an die Türe des Konaks geklopft wurde. Die Dienerin sagte: „Wer ist da?“ Die Leute draußen sagten: „Ist dies der Konak unseres Landsmannes Hasan Efendi?“ Der Efendi sagte: „Es sind meine Landsleute! Öffne die Türe!“ Man führte sie mit allen Ehren nach oben. Da sagten sie zur Hanym: „Gib doch dem Efendi die Erlaubnis zum Ausgehen. Wir möchten ihn mitnehmen!“ Die Hanym sagte: „Was wollt ihr mit dem Efendi anfangen?“ Die Landsleute sagten: „Landsleute von uns kehren in die Heimat zurück. Wir wollen uns wieder einmal mit dem Efendi unterhalten. Er soll auch seinen Eltern ein wenig Geld schicken und einen Brief schreiben!“ Die Hanym sagte: „Efendi, du hast noch Vater und Mutter! Warum hast du mir nichts davon gesagt?“ Sie ging hinaus und gab dem Efendi 40 Lira. Sie sagte: „Leg auch du 40 Lira hinzu und schick sie deinen Eltern! Wenn sie uns mögen, so sollen sie hieherkommen!“

Darauf nahm der Efendi seine Landsleute mit und ging mit ihnen vom Konak weg. Sie begaben sich in ein Kaffeehaus. Um 3 Uhr aber ging der Efendi zu dem am Getreidehändler-Tor liegenden Konak. Die Hanym dort sah, daß ihr Efendi sich noch nicht schlafen gelegt hatte. Sie ließ rasch die Strickleiter, die sich dort befand, zum Fenster hinab. Er stieg hinauf. Nachdem er sich mit der Hanym begrüßt hatte, vergaßen sie aber, die Strickleiter einzuziehen. Die Hanym sagte zu ihrem Gast: „Unser Efendi hat sich noch nicht schlafen gelegt. Er soll sich erst schlafen legen, dann komme ich. Bleib du unterdessen hier sitzen!“

So sagte die Hanym und ging zu ihrem Efendi. Nachdem dieser sich schlafen gelegt hatte, kam sie zu ihrem Geliebten. Während nun beide der Lust pflegten, zog der Ronde-Hauptmann mit 5-6 Gendarmen zum Patrouilliergang aus. Während des Herumpatrouillierens sieht er im Selamlyk ein Licht brennen. Da sagt er zu den bei ihm befindlichen Gendarmen: „Umzingelt diesen Konak von allen Seiten! Es ist da ein Hurer, Ehebrecher drinnen!“ Da sehen sie dort eine Strickleiter aufgehängt. Sie öffnen nicht erst die Türe, sondern steigen auf der Strickleiter empor. Sie verhaften die Hanym und den Efendi, lassen sie ebenfalls die Strickleiter herunter und schleppen sie zur Polizei-Direktion. Die Frau werfen sie in den Kerker. Auch den Efendi werfen sie ins Gefängnis.

Die Hanym ruft den Kerkermeister und sagt: „Kerkermeister, um Gottes willen! Hier hast du fünf Lira. Du wirst einen Gang machen. Am Tschörekdschi-Tor bei der Sultan Mehmed-Moschee ist ein gelbfarbener Konak vom an der Ecke. Wirf drei Steine an das Fenstergitter und komm dann wieder!“

Der Kerkermeister schloß das Tor ab und ging zur Sultan Mehmed-Moschee. Am Tschörekdschi-Tor ist wirklich ein gelbfarbener Konak. Der Kerkermeister wirft einen Stein an das Fenster. Da sagt die Hanym zu den Sklavinnen: „Steht auf! Euer Herr ist überfallen worden!“ Er wirft noch einen Stein. Da sagte sie zu den Dienerinnen: „Mädchen, steht auf! Euer Herr ist jetzt unterwegs!“ Er wirft den dritten Stein. Da sagte sie: „Steht auf! Euer Agha ist eingesperrt!“

Die Mädchen brachten Öl und machten einen Kessel voll Halwa. Sie gab jeder Sklavin pro Kopf ein paar Teller voll. Eine der Sklavinnen nahm eine Laterne, eine andere das Halwa. So gingen sie zur Polizeidirektion. Die Schildwache sagte: „Wer da?“ Die Hanym sagte: „Es ist niemand! Ruf mir den diensthabenden Hauptmann!“ Der diensthabende Hauptmann kam und fragte: „Was willst du, Hanym?“ Sie sagte: „Efendi, ich habe einen Traum gehabt. Ich werde allen Gefangenen, so viele drinnen sind, einen Teller voll Halwa zugleich mit je einer Lira geben.“ Der Hauptmann sagte: „Das wird recht gut sein.“ Man ließ also die Hanym ins Gefängnis. Sie verteilte an alle Gefangenen je einen Teller voll Halwa. Dann sagte sie: „Efendi, ist noch sonst jemand da?“ Da sagte er: „Im Kerker ist noch eine Frau.“ Da sagte die Hanym: „Efendim, sie ist so gut eine Frau, wie ich es bin. Ich will ihr auch einen Teller voll Halwa bringen.“ Der Hauptmann sagte: „Bring es ihr!“ Da brachte die Hanym das Halwa in den Kerker.

Der Kerkermeister öffnete die Türe, und die Hanym trat ein. Die eintretende Hanym sagte zu der anderen: „Geh jetzt hinaus und mach, daß du wegkommst! Sag meinen Dienerinnen, sie sollen das Geschirr zusammennehmen und in den Konak gehen!“

Die verhaftete Hanym ging hinaus und sagte es den Dienerinnen. Diese sammelten das Geschirr zusammen und gingen fort. Da sagte die neugekommene Hanym zu der andern: „Begib dich jetzt schnell in deinen Konak!“ Jene ging alsbald zu ihrem Konak, da hing die Strickleiter noch da. Sie stieg die Strickleiter hinauf und begab sich zu ihrem Efendi, der noch immer nicht vom Schlafe aufgewacht war. Sie kleidete sich aus und legte sich neben ihrem Efendi nieder. Ihr Efendi aber war Obersekretär in der Polizeidirektion.

Der Efendi der Hanym stand nun morgens auf, kochte sich seinen Kaffee und ging dann ins Büro in der Polizeidirektion. Der Conseil versammelte sich, und die Anzeigeschriften begannen in den Einlauf zu kommen. Zuerst kam das Anzeigeprotokoll der aufgegriffenen Hanym. Der Tschausch aber schämte sich, es dem Obersekretär zu geben. Er gibt darum das Protokoll dem Major. Der Major fragt den Obersekretär: „Ist deine Hanym zu Hause?“ Dieser sagt: „Jawohl.“ Da übergibt er ihm mit den Worten: „Ach Gott! ach Gott!“ das Anzeigeprotokoll. Der Obersekretär schaute: Das Haus, in das man um 5 Uhr nachts[1] eindrang, ist sein Haus, und die Frau, die man aufgegriffen hat, ist seine Frau. Er sagte: „Efendim, meine Hanym ist zu Hause. Dieses Protokoll ist falsch. Ruf die im Kerker befindliche Hanym!“

D. h. 5 Stunden nach Sonnenaufgang.


Die Hanym kam. Sie schrie: „Ich werde den Hauptmann wegen Ehrenverletzung verklagen. Die Sache kommt vor den Padischah! Während ich mit meinem Efendi im Schlafe lag, griff man mich auf und brachte mich hierher.“ Man fragte die Hanym: „Wo ist dein Konak?“ Sie sagte: „Bei der Sultan Mehmed-Moschee am Tschörekdschi-Tor. Indessen hat der Hauptmann das Protokoll so geschrieben, als ob es am Getreidehändler-Tor gewesen sei.“ Der Major sagte: „Ist der Aufgegriffene dein Efendi? Ruft den abends um 5 Uhr eingelieferten Efendi!“ Man rief ihn. Er kam in die Sitzung. Da sah er, daß seine eigene Frau da war. Man fragte ihn: „Ist dies deine Hanym?“ Der Bursche sagte: „Jawohl, Efendi, sie ist meine Hanym.“

Nun brachte man den Imam und den Muchtar im Stadtviertel Sultan Mehmed am Tschörekdschi-Tor herbei. Der Major fragte den Imam: „Ist diese Hanym die Hanym dieses Efendi?“ Sie antworteten: „Jawohl, es ist seine Hanym.“ Nun ließ man den Hauptmann kommen, der am letzen Abend um 5 Uhr auf Patrouille gegangen war. Der Hauptmann kam und man fragte ihn: „Wo hast du diese Personen aufgegriffen und verhaftet?“ Er sagte: „Am Getreidehändler-Tor.“ Der Major sagte: „Ihr Konak liegt im Stadtviertel Sultan Mehmed bei dem Tschörekdschi-Tore. Warst du betrunken? Während der Efendi mit der Hanym zu Bette liegt, hast du sie aufgegriffen und verhaftet: Du bist ein Fälscher!“ Man nahm dem Hauptmann den Säbel ab. „Du kannst diesen Dienst nicht versehen. Mach, daß du hinauskommst!“ So sagten sie.

Die Hanym aber schreit wiederum: „Ich werde wegen Ehrenverletzung klagen!“ Da sagte man zu ihr: „Tu es nicht! Schau, dieser Hauptmann hat zwanzig Jahre Dienst getan und hat nur einen Hauptmannsposten gewonnen. Wir haben ihn hinausgeworfen. Wir bitten dich sehr. Nimm deinen Efendi und geh mit ihm fort!“

Die Hanym nahm ihren Efendi mit sich. Sie gingen zusammen in den Konak. Jetzt sagte die Hanym zu dem Efendi: „Nun schau einmal hieher! Ich habe sowohl deine Ehre als auch die Ehre jenes Efendi gewahrt. Wenn du dich noch einmal in eine solche Sache einläßt, so siehst du mich nicht mehr und wirst auch in diesen Konak nicht mehr hineinkommen.“ Der Efendi tat vor der Hanym Reu und Leid und versicherte, daß er sich in etwas Derartiges nicht mehr einlassen würde.

Da ließ die Hanym wiederum den Imam und den Muchtar des Stadtviertels rufen und richtete ein Gastmahl zu. Alle verrichteten wiederum Gebete, und der Efendi lebte wieder weiter mit der Hanym.

Die treue Frau.

Es waren einstmals zwei Brüder. Der eine war verheiratet, der andere war ledig. Der Verheiratete sagte: „Bruder, ich will nach Istambul gehen. Schau du auf meine Familie!“ Damit ging er nach Konstantinopel. Nachdem schon zwei Jahre unterdessen vergangen waren, wollte der Zurückgebliebene die Frau seines Bruders verführen. Die Frau ließ sich jedoch mit ihm darauf nicht ein. Da schrieb er an seinen Bruder einen Brief: „Mein Bruder! Deine Frau treibt ganz ungescheut Hurerei!“ und erhob derartige Verleumdungen gegen die Frau seines Bruders. Als sein Bruder den Brief erhielt, verstieß er die Frau. Sowie der Scheidungsbrief an den ledigen Bruder gelangt war, sagte dieser zu der Frau: „Mein Bruder hat die Scheidungssumme für dich geschickt. Geh, Weib! Such dir dein Schicksal von Gott!“ Die Frau sagte: „Deine Augen sollen erblinden!“ und ging zur Tür hinaus. In demselben Augenblick, in dem sie zur Türe hinausging, wurden durch Gottes Fügung beide Augen des Mannes blind.

Die Frau hatte nun niemand mehr. Während sie auf dem Markte herumging, kam der Frau ein Bej entgegen. Der Bej sagte: „Willst du als Dienerin bei mir bleiben?“ Die Frau erklärte: „Ich werde bleiben.“ Der Bej nahm sie also mit in sein Haus. Nun hatte der Bej auch noch einen Negersklaven. Ferner hatte er eine Hanym und einen Sohn, einen einjährigen Knaben. Nach ein paar Tagen wollte der Negersklave dieses Bejs die Dienerin verführen. Die Frau war aber damit nicht einverstanden. Da sagte der Negersklave: „Warte nur, was ich dir noch antun werde!“ Der Neger nahm ein Messer und schnitt eines Nachts dem Kinde des Bej den Kopf ab. Die Frau hatte keine Ahnung davon. Das blutige Messer steckte der Neger der Dienerin in die Tasche.

Als der Bej morgens aufstand, wachte das Kind nicht auf. Er sagte zu seiner Hanym: „Warum ist das Kind denn noch nicht aufgewacht?“ Sie sagte: „Es wird schon aufwachen.“ Wie sie dem Kinde das Gesicht aufdeckten, da war ihm der Kopf abgeschnitten. Da ging nun ein lautes Weinen los. Wie nun der Negersklave des Bej hereinkam, fragte er: „Mein Bej, warum weinen Sie?“ Der Bej sagte: „Was sollen wir sonst tun? Man hat dem Kind den Kopf abgeschnitten.“ Der Neger sagte: „Mein Bej! Ich finde den, der ihm den Kopf abgeschnitten hat, schon heraus.“ Der Bej sagte: „Wie wirst du ihn jetzt noch finden?“ Der Neger sagte: „In wessen Tasche das blutige Messer zum Vorschein kommt, der hat das Kind abgeschlachtet.“ Sie suchten also das Messer. Es kam in der Tasche der Frau zum Vorschein. Da beglich der Bej sofort die Forderung der Frau und gab ihr 1000 Piaster. Er sagte: „Such dein Geschick an einem andern Ort!“ und jagte die Dienerin davon. Während die Frau zur Türe hinausging, sagte sie: „Neger, deine Augen sollen erblinden!“ Durch Gottes Fügung wurden die Augen des Negers auch wirklich blind.

Die Frau begab sich sodann in einen Flecken. Da sah sie, wie die Einwohner des Fleckens sich alle an einem Orte versammelten. Sie dachte sich: „Ich will auch hingehen und schauen, was das für ein Getümmel ist.“ Sie sah nun, daß man einen Galgen aufrichtete. Sie sagte: „Was ist das?“ Man erklärte ihr: „Wir werden einen Menschen aufhängen.“ Sie fragte: „Was hat dieser Mensch verbrochen, daß ihr ihn jetzt aufhängt?“ Man sagte ihr: „Dieser Mensch hat 1000 Piaster Schulden. Er gibt das Geld nicht. Deshalb werden wir ihn aufhängen.“ Da sagte die Frau: „Werdet ihr denn den Mann nicht aufhängen, wenn ich jene 1000 Piaster gebe?“ Man sagte ihr: „Dann werden wir ihn nicht aufhängen.“ Die Frau zog also die 1000 Piaster heraus und gab sie dafür. Man befreite darauf den Menschen vom Gehängtwerden.

Die Frau schlich sich heimlich fort und ging weg. Der Mann, der gehängt werden sollte, sagte: „Wenn mich diese Frau nicht liebte, so hätte sie die 1000 Piaster nicht gegeben. Ich werde diese Frau zu mir nehmen.“ Mit diesen Worten ging er hin und machte die Frau ausfindig. Er sagte zu ihr: „Ich werde dich unbedingt zur Frau nehmen.“ Sie aber sagte: „Ich werde dich nicht zum Manne nehmen, weil du mich jetzt doch nicht nimmst.“ Der Mann sagte: „Warum hast du 1000 Piaster für mich gegeben und hast mich dadurch vor dem Stricke gerettet?“ Die Frau sagte: „Ich habe sie um Gottes Liebe willen gegeben und dich darum vor dem Stricke bewahrt.“

Während sie so hin und herstritten, kam ein Kaufmann. Dieser fragte: „Warum streitet ihr denn miteinander?“ Der Bursche sagte: „Dies ist meine Frau. Sie läuft mir davon, und ich kann sie nicht nach Hause schleppen.“ Obwohl die Frau mit den Worten: „Ich bin nicht seine Frau!“ sehr bat, so hörten sie nicht auf sie. Der Kaufmann gab dem Menschen 1000 Piaster und nahm die Frau mit sich. Diese seufzte und sagte: „Bursche, deine Augen sollen erblinden!“ Da wurde er wirklich blind.

Der Kaufmann zwang die Frau, das Pferd zu besteigen und nahm sie mit sich. Er führte sie mit sich in sein Haus. Bevor sie aber nach Gottes Befehl Mann und Frau geworden waren, floh die Frau nachts aus dem Hause des Kaufmanns. Sie sagte beim Weggehen zu dem Kaufmanne: „Deine Augen sollen erblinden!“ Der Kaufmann wurde auch wirklich blind.

Die Frau machte sich also wieder auf den Weg. Sie begab sich in einen Flecken. Dort ließ sie sich einen Männeranzug machen, den sie anlegte. Zu jener Zeit war der Kadi des Fleckens gestorben. Was nun die Frau anlangt, so war sie Hodscha (Besprecherin) und hatte viel gelesen. Die Leute wußten nicht, daß sie eine Frau war. Da sie Männerkleider trug, kannten sie sie nur als Mann. Sie machten also die Frau zum Kadi. Wer nun von seiten Gottes kam, der wurde gesund, wenn die Frau ihn besprach. So hörte man von Mund zu Mund erzählen.

Der in Konstantinopel weilende Gatte der Frau kam wieder in die Heimat zurück. Da sah er, daß sein Bruder blind geworden war. Er erhielt nun Kunde davon, daß an dem und dem Ort ein Kadi sein sollte; allen Blinden, die er besprach, sollten sich die Augen wieder öffnen. Er sagte darum: „Bruder, ich will dich dorthin bringen und dich besprechen lassen. Dann öffnen sich deine Augen wieder.“

Sie machten sich also auf den Weg. Unterwegs fanden sie in einem Winkel einen blinden Neger sitzen. Sie boten ihm den Selam. Der Neger sagte: „Wohin geht ihr?“ Sie sagten: „An dem und dem Ort soll es einen Kadi geben. Wenn er die Blinden bespricht, sollen ihnen sich die Augen wieder öffnen.“ Da sagte er: „Um Gottes willen, nehmt mich auch mit!“

Nachdem sie eine Strecke weitergegangen waren, trafen sie auch auf den Mann, dem die Frau die 1000 Piaster gegeben und den sie vom Strick gerettet hatte und der blind geworden war. Auch ihm boten sie den Selam, während er in einem Winkel saß. Er fragte: „Wohin geht ihr?“ Sie antworteten: „An dem und dem Ort soll ein Kadi sein. Die Augen eines Blinden, die er bespricht, sollen sich wieder öffnen. Dorthin gehen wir.“ Da sprach er: „Um Gottes willen, bringt mich auch dahin!“

Auch ihn nahmen sie mit. Sie machten sich auf den Weiterweg und kamen in die Stadt des Kaufmanns. Da sahen sie, daß in einem Winkel ebenfalls ein Mann saß. Sie boten ihm den Selam. Der Kaufmann fragte, wohin sie gingen. Sie sagten: „An dem und dem Ort soll ein Kadi sein. Die Augen des Blinden, die er bespricht, sollen sich wieder öffnen. Wir gehen jetzt zu ihm.“ Da sagte er: „Ums Himmels willen, schleppt auch mich hin!“ Sie nahmen also auch ihn und machten sich wieder auf den Weg.

So kamen sie zu dem Ort, wo der Kadi war, und fragten: „Gibt es hier einen Kadi? Und wo ist sein Konak?“ Die Frau sah, daß ihr eigener Gatte und der Mann, den sie vom Strick genommen hatte, und der verräterische Bruder ihres Mannes und mit ihnen der Neger, der das Kind abgeschlachtet hatte, und auch der Kaufmann alle mitsammen gekommen waren. Die Frau erkannte sie alle. Sie fragte: „Warum seid ihr hieher gekommen?“ Sie sagten: „Wenn du jemand besprichst, so sollen die Augen der Blinden sich alsbald wieder öffnen. Deshalb sind wir hieher gekommen.“ Sie sagte: „Wenn ihr alles das, was ihr getan habt und was euch widerfahren ist, wahrheitsgetreu erzählt, so will ich euch besprechen, und es wird alles wieder gut werden.“

Da sagte der Kaufmann: „Meine Augen wurden wegen einer Frau blind.“ Die Frau fragte ihrerseits: „Woher kam das?“ Er sagte: „Eines Tages stritt eine Frau mit ihrem Gatten. Sie sagte: »Ich kenne ihn nicht.« Ihr Gatte wollte sie wieder haben. »Sie will nicht mitgehen!« sagte er. Da gab ich ihm 1000 Piaster und nahm die Frau mit mir. Ich ging nach Hause. Die Frau war aber damit nicht einverstanden. Nachts floh sie von mir fort. Ich weiß, daß meine Augen wegen jener Frau blind geworden sind.“ Der Kadi besprach ihn jetzt, und seine Augen öffneten sich wieder.

Auch die übrigen gestanden in dieser Weise vor ihrem wirklichen ursprünglichen Gatten ihre Fehler ein, und allen wurden die Augen wieder geöffnet. Da sagte die Frau zu ihrem Gatten: „Würdest du deine Gattin wiedererkennen, wenn du sie sähest?“ Der Gatte sagte: „Wenn du nicht der Kadi wärest, so würde ich sagen, du bist meine Gattin!“ Da sagte die Frau: „Siehe, ich bin wirklich deine Frau. Du hast mit deinen eigenen Augen gesehen, wie Leute, die sich vor Gott nicht fürchten, mich verleumdet haben.“

Man ließ nun alle ihres Weges ziehen. Und indem sie ihren Gatten dortselbst zum Mufti machten, lebten die beiden von neuem miteinander.

Wettstreit der beiden Diebe.

Der Zustand dessen, der geht, der treibt, der ohne Erlaubnis in den Garten eindringt, ist dieser:

Mein Padischah! Eine Frau hatte zwei Männer, ohne daß der eine Kenntnis von dem anderen gehabt hätte. Der eine war nämlich ein Dieb, der zur Nachtzeit stahl, der andere ein Dieb, der untertags stahl. Einmal buk die Frau Brot. Die eine Hälfte gab sie dem nächtlichen Dieb, die andere Hälfte dem untertags stehlenden Diebe.

Beide schlossen einmal Genossenschaft miteinander. Sie sagten zueinander: „Genosse komm! Wir wollen unser Brot essen!“ Sie zogen also die Brote heraus. Dabei merkten sie, daß die Brote einander glichen. Der eine fragte den anderen: „Genosse, wo hast du dieses Brot gekauft?“ Jener sagte: „Meine Frau hat es zu Hause gebacken.“ Der andere fragte nun ebenfalls: „Wo hast du es gekauft?“ Auch jener sagte: „Auch ich habe es von meiner Frau genommen.“ Jetzt sagte der erstere: „Das ist ja mein Haus!“ Der andere sprach: „Nein, das ist mein Haus!“ Beide streiten darüber mit einander. Sie gehen beide nach Hause und fragen die Frau: „Bist du nicht meine Frau?“ Die Frau sagt: „Ich bin die Frau von euch beiden.“ Da fragten sie: „Wie kommt es denn, daß wir nichts von einander wissen?“ Die Frau sagt: „Einer von euch ist ein nächtlicher Dieb und der andere ein Dieb zur Tageszeit. Der nächtliche Dieb kommt des Tages, der Dieb zur Tageszeit kommt des Nachts nach Hause und legt sich schlafen.“ Jene sagten nun: „Sie ist also die Frau von uns beiden. Wer von uns die größere Meisterschaft in der Diebeskunst bezeigt, dem soll die Frau von nun ab gehören!“

Sie standen also auf und machten sich auf den Weg. Sie gingen an den Platz unterhalb der Jeni-Dschami. Der Dieb zur Tageszeit nahm aus dem Laden eines Wechslers ein wenig Geld weg und kam zu dem nächtlichen Dieb.

Sie kamen nun wieder nach Hause. Der nächtliche Dieb sagte: „Du hast mir deine Kunst gezeigt. Auch ich will dir nun meine Kunst zeigen!“ Der nächtliche Dieb tat ein wenig Nägel in einen Sack, den er auf die Schulter nahm. Dann sagte er: „Genosse, vorwärts! Mach schnell weiter!“ Sie machten sich auf den Weg und gingen in den Palast des Sultans. Sie schlugen in die Mauer des Palastes Nägel ein und stiegen hinauf. Durch die Drehtüre (dolab) gelangten sie in das Innere (in den Harem) hinein. In der Küche war über eine Sklavin der Schlaf gekommen, während sie eine Gans briet. Sie war eingeschlummert. Die beiden Diebe packten die Sklavin und legten sie in den Brotkorb hinein. Dann betraten sie das Zimmer der Sultanin-Mutter. Eine Sklavin fächelte mit dem Fächer Luft auf das Gesicht der Sultanin-Mutter. Die Sklavin war dabei eingeschlummert. Auch diese packten sie und legten sie in den Bratenkorb.

Der Nachtdieb sagte nun zu dem Tagesdieb: „Genosse, brat du diese Gans weiter!“ Den Fächer nahm der Nachtdieb selbst in die Hand. Er begann, den Fächer in Bewegung zu setzen und sagte zu dem Tagesdieb: „Genosse, dreh doch die Gans um, daß sie nicht anbrennt!“ Bis dahin schlummerte die Sultanin immer weiter. Sie hingen nun beide Sklavinnen mit ihren Körben an Nägeln auf. Der Nachtdieb sagte jetzt zu dem Tagesdieb: „Holla, Genosse, bring nun die Gans! Wir wollen sie aufessen.“ Der Nachtdieb aß, aber dem Tagesdieb ging das Essen vor Angst nicht durch die Kehle hinunter. Sie aßen die Gans rein auf und standen dann auf. Alles, was im Palast vorhanden war, was leicht an Gewicht und gewichtig an Wert war, das füllten sie in einen Sack. Dann sagte der Nachtdieb zu dem Tagesdieb: „Wohlan, Genosse, jetzt rasch gehandelt!“ Sie kamen zu der Stelle, wo sie hinaufgestiegen waren. Dort stiegen sie wieder hinauf und zogen gleichzeitig beim Hinabsteigen die Nägel wieder heraus. Dann nahmen sie den Sack auf den Rücken, machten sich auf den Weg und kamen in ihr Haus.

Der Tagesdieb sagte nun zu dem Nachtdiebe: „Um Gotteswillen, Bruderherz! Die Frau soll dein sein! Deine Kunst ist größer als die meine.“

Als es Morgen wurde, erwachte die Sultanin-Mutter. Sie rief die Sklavinnen. Da machten sich die Sklavinnen auf einmal aus dem Brot- und dem Bratenkorbe vernehmlich. Man sah nun, daß im Palaste nichts mehr an Wertsachen vorhanden war. Man gab dem Padischah Kunde davon und erklärte: „Der Palast ist ausgeplündert worden.“

Der Padischah gerät in Zorn. Er ruft seine Minister und sagt: „Man hat den Palast ganz ausgeplündert.“ Nun war da ein Mufti, den der Padischah liebte. Auch ihn läßt er zu sich rufen und sagt: „Man hat den Palast ausgeplündert.“ Der Mufti jedoch meint: „Um Gotteswillen, mein Padischah! Sie träumen doch nur!“ Der Padischah ließ nun durch einen Ausrufer ausrufen und ließ ihn sagen: „Wer den Palast ausgeplündert hat, der soll auf den Plan treten. Ich will ihm eine Belohnung aussetzen.“

Da erschien der Nachtdieb und sagte: „Ich habe ihn ausgeplündert.“ Damit begab er sich zur Audienz beim Padischah. Der Padischah sagte: „Mein Sohn, hast du wirklich diesen Palast ausgeplündert?“ Der Dieb entgegnete: „Jawohl, mein Padischah.“ Der Mufti Efendi aber glaubt ihm nicht, daß er den Palast ausgeplündert habe. Da sagt der Padischah: „Wenn du auch diesem Mufti Efendi einen Streich spielen kannst, so will ich dich im Gute dieser Welt ersäufen.“ Der Dieb sagte: „Ich werde es machen, mein Padischah!“ Dann sprach er: „Du sollst einen Teil des Hofgartens schmücken und die Lampen anzünden lassen. Ferner sollst du den Sklavinnen rötliche und grünliche Kleider anziehen lassen. Auch sollst du in dem Hofgarten einen Kiosk errichten lassen. Seitwärts sollst du auch kupferne Kessel aufstellen lassen und fünf oder zehn Neger sollen Feuer unter den Kesseln anzünden. Laß an jedem Haar eines Widderfelles Glöckchen befestigen. Laß auch, der Gestalt des Mufti Efendi entsprechend, eine Truhe machen und laß diese Truhe einem Hammal auf den Rücken laden.“

Um Mitternacht nimmt der Nachtdieb das Vließ und die Truhe mit sich und begibt sich zum Haus des Mufti Efendi. Er zieht dort das Fell an. Vor dem Tore des Mufti Efendi schüttelt er sich einmal. Der Mufti Efendi läßt sich darauf also vernehmen: „Wer ist da?“ Der Nachtdieb sagt: „Du bist nach dem Tode für das Paradies bestimmt. Ich werde dir das Paradies zeigen.“ Damit legen sie den Mufti Efendi in die Truhe hinein und bringen ihn nach dem Hofgarten. Hier erblickt der Mufti Efendi rötlich und grünlich gekleidete Sklavinnen. Der Nachtdieb sagt zu ihm: „Mufti Efendi, du bist für das Paradies bestimmt. Dies sind deine Dienerinnen. In diesem Kioske wirst du wohnen.“

Der Mufti Efendi sagt: „Zeig mir nun auch die Hölle!“ Da gingen sie zu den Kesseln. Der Dieb sagte: „Mufti Efendi, siehe, hier ist die Hölle.“ Den Negern aber hatte er eingeschärft, daß sie dem Mufti Efendi eine gehörige Ohrfeige versetzen sollten. Sie versetzten denn auch dem Mufti Efendi eine Ohrfeige, daß ihm die Besinnung schwand. Nun legten sie ihn wieder in die Truhe hinein, luden die Truhe einem Lastträger auf den Rücken und legten ihn wieder in seinem Zimmer nieder. Von dort nahmen sie die leere Truhe wieder mit und gingen mit dem Nachtdieb zusammen in den Palast des Padischah.

Der Nachtdieb begab sich zur Audienz zum Padischah und sagte: „Mein Padischah! Laß den Mufti Efendi am Morgen rufen und stell an ihn eine Frage!“ Am Morgen schickte also der Padischah an den Mufti Efendi einen Kawassen. Der Kawass begab sich zu ihm und sagte zu ihm: „Der Padischah will, daß du dich beeilst. Wohlan, mach rasch!“ Der Mufti Efendi aber sagte: „Entbiete dem Padischah von mir den Selam. Ich habe heute nacht das Paradies gesehen. Ich bin unwohl und kann nicht kommen.“ Der Kawass kehrte zurück und trat vor den Padischah. Er sagte zu ihm: „Der Mufti Efendi hat die Hölle und das Paradies gesehen. Er gab mir zur Antwort: Entbiete von mir dem Padischah einen speziellen Gruß! Ich kann nicht kommen.“

Als der Padischah dies vernahm, geriet er in Zorn. Er sagte: „Macht rasch einen Wagen bereit!“ Der Wagen gelangte an die Haustür des Mufti Efendi. Man warf ihn einfach in den Wagen hinein und brachte ihn vor den Padischah. Dieser sagt zu dem Mufti Efendi: „Was bist du denn für ein großer Herr? Ich habe zweimal Leute zu dir geschickt und du bist nicht gekommen!“ Der Mufti sagte: „Um Gotteswillen, mein Padischah! Ich bin heute nacht ins Paradies und in die Hölle gegangen.“ Der Padischah fing zu lachen an. Er sagte: „Um Gotteswillen, Mufti Efendi, kann denn ein Mensch, solange er noch am Leben ist, das Paradies und die Hölle sehen?“ Der Mufti sagte: „Ich bin hingegangen. Ich habe die Huri-Mädchen gesehen und habe auch den Kiosk, in dem ich wohnen werde, erblickt.“ Da fragte der Padischah: „Wer hat dich hingeführt?“ Jener sagte: „Gabriel hat mich hingeführt.“ Da sagte der Padischah: „Wenn du jenen Gabriel sähest, würdest du ihn wiedererkennen?“ Der Mufti meinte: „Jawohl, ich würde ihn wiedererkennen.“

Der Nachtdieb aber horchte, mit dem Fell angetan, an der Türe. Da schüttelte er sich einmal mit dem Fell. Mit den Worten: „Mein Padischah, siehe, hier ist Gabriel gekommen!“ warf er sich vor dem Kleidersaum des Padischah nieder. Dieser sagte zum Mufti Efendi: „Dies ist der Nachtdieb, der den Palast ausgeplündert hat. Du hast es nicht geglaubt. Er war es auch, der dir, während du noch am Leben warst, das Paradies und die Hölle gezeigt hat, der dir auch die Ohrfeige versetzen hat lassen.“

Damit gab er dem Nachtdieb die Erlaubnis, zu gehen. Dann sagte er: „Mufti Efendi, erzähle alles genau so, wie du es gesehen hast!“ Er gab auch dem Tagesdieb ein wenig Geld und bewilligte ihm eine Pension und sagte: „Wohlan, treib dein Handwerk nur weiter!“

Schlechtigkeit der Frauen.

Es war einmal einer, und es war einmal keiner.

Es war einmal ein Padischah. Eines Tages ließ er durch den Ausrufer ausrufen und gab Befehl, daß nach dem Abendgebetsruf in keinem Hause mehr Licht angezündet werden dürfte. Und um sich zu überzeugen, ob dieser Befehl gehalten werde oder nicht, begann er eines Nachts mit seinem Wesir zusammen die Stadtviertel zu durchwandern. Während dieses Rundganges sahen sie von weitem einen Mann mit einer Laterne daher kommen. Sie folgten dem Laternenträger. Der Mann mit der Laterne ging schließlich in ein Haus hinein. Da sprangen der Padischah und der Wesir ebenfalls über die Mauer in den Garten jenes Hauses. Aus einem der Fenster war ein äußerst schwacher Lichtschimmer sichtbar. Der Padischah sagte zu dem Wesir: „Bück dich! Ich will auf deinen Rücken steigen und zum Fenster hineinschauen.“ Der Wesir tat so, wie ihm der Padischah geheißen, und der Padischah blickte zum Fenster hinein.

Was sollte er da plötzlich sehen! Ein Mädchen, schön wie der Vollmond, saß da mit untergeschlagenen Beinen und spann. Ein Jüngling, der noch schöner war, wie sie, hatte seinen Kopf ihr in den Schoß gelegt und schlief. Dieser Anblick gefiel dem Padischah ausnehmend. Nachdem er herabgestiegen war, bückte er sich selbst und gab seinem Wesir den Befehl, auf seinen Rücken zu steigen und sich das Bild ebenfalls anzusehen. Der Wesir sagte zwar: „Um Gottes willen, mein Padischah, wie kann ich auf Ihren Rücken steigen! Ist das nicht eine Schande für mich?“ Doch der Padischah bestand darauf. Er stieg also auf den Rücken des Padischah hinauf und betrachtete auch seinerseits eine Zeitlang jenes Bild. Dann kehrten sie um und gingen weg.

Am folgenden Tage ließ der Padischah den Eigentümer jenes Hauses rufen und fragte ihn, als er kam: „Warum brannte abends in deinem Hause Licht?“ Jener sagte: „Nein, Efendi, in unserm Hause war gestern nacht kein Licht. Ich und meine Frau waren sogar zu Gast gegangen. Zu Hause hatten wir nur unsere 16-17 jährige Tochter allein zurückgelassen.“

Auf dieses Wort hin sagte der Padischah: „Sehr gut! Laß jetzt deine Tochter rufen!“ und fragte sie, als sie kam: „Warum brannte gestern nachts Licht in eurem Hause?“ Das Mädchen sagte, daß sie und ein Jüngling sich gegenseitig liebten und daß ihr Geliebter, da in jener Nacht ihre Eltern abwesend gewesen seien, mit einem Licht gekommen sei und daß er sich ihr aufs Knie gelegt habe und sie das Licht nicht habe auslöschen wollen, um sein Gesicht betrachten zu können.

Der Padischah ließ nun auch den Jüngling rufen und stellte an ihn die gleiche Frage. Auch der Jüngling gab dieselbe Antwort. Der Padischah sagte nun: „Sehr gut! Habe ich aber nicht den Befehl gegeben, daß kein Licht brennen soll?“ Daraufhin sagten die beiden Liebenden, daß sie für eine derartige freudige Nacht gerne ihr Leben opfern würden. Auf diese Antwort verzieh ihnen der Padischah.

Es kam ihn nun die Lust an, die Liebe und Aufrichtigkeit, die dieses Liebespaar zueinander hegte, auf die Probe zu stellen. Deshalb ließ er eine alte Frau aufsuchen und sagte zu ihr: „In dem und dem Hause befindet sich ein Mädchen. Kannst du dieses Mädchen nicht für mich freien?“ Die alte Frau sagte: „Der Befehl steht unserm Padischah zu!“ und ging hinaus und weg. Sie begab sich zu dem Hause des Mädchens. Und zu einer Zeit, wo sie allein waren, fragte sie: „Wenn um dich der Padischah freite, würdest du ihn heiraten?“ Da sagte das Mädchen: „Warum sollte ich ihn nicht heiraten?“ „Sehr gut,“ meinte die Alte, „aber der Padischah ist im Verhältnis zu dir sehr bejahrt. Wie gefällt dir das?“ Sie aber sagte: „Ich will nur die Frau des Padischah werden. Etwas anderes will ich nicht, an etwas anderes denke ich gar nicht.“

Nach dieser Besprechung ging die Alte zum Padischah und teilte ihm die Sachlage mit. Der Padischah sagte nun zu der Alten: „Sehr gut. Aber solange ihr Geliebter am Leben bleibt, kann ich an die Liebe, die das Mädchen für mich hegt, nicht glauben. Wenn sie ihren Geliebten mit eigener Hand tötet, werde ich sie zur Frau nehmen.“

Die Alte ging also wieder zu dem Mädchen und machte ihr den Vorschlag des Padischah kund. Das Mädchen war damit einverstanden. Die Alte kam zum Padischah und sagte, daß das Mädchen einverstanden sei. Der Padischah sagte nun: „Wenn dem so ist, so soll das Mädchen zuerst ein Loch in der Decke ihres Zimmers machen und eines Nachts soll sie den Jüngling, ihren Geliebten, rufen und ihn sich auf ihr Knie legen lassen. Ich will in jener Nacht auf ihren Speicher hinaufsteigen und einen Strick zu dem Loch herunterlassen. Das Mädchen wird dem Jüngling den Strick um den Hals legen. Ich werde ihn dann nach oben ziehen. So wird der Geliebte erwürgt und stirbt.“

Auf diese Rede hin kam die Alte zu dem Mädchen und erzählte ihr die Worte des Padischah. Das Mädchen war auch damit einverstanden und setzte mit der Alten eine Nacht fest. In jener festgesetzten Nacht kamen der Padischah und sein Wesir, mit einem Stricke versehen, zu jenem Haus und stiegen auf den Dachboden hinauf. Und durch das Loch sahen sie, wie der Geliebte, auf dem Schoße des Mädchens liegend, schlief. Der Padischah ließ nun zu dem Loche den Strick herab. Das Mädchen legte dem Jüngling den Strick um den Hals. Der Padischah zog mit einem Male den Strick an, ließ ihn aber schleunigst wieder locker, so daß der Jüngling völlig unversehrt blieb.

Aber der Verrat und die Gewissenlosigkeit, die dieses Mädchen ihrem Geliebten gegenüber begangen hatte, machten auf den Padischah einen sehr schlechten Eindruck. Er kehrte sofort in seinen Palast zurück und ließ durch den Ausrufer ausrufen: „Ich will von nun ab in meinem Reiche keine Frau mehr haben. Laßt alle über die Klinge springen!“ Daraufhin begannen die Henker alle ihnen begegnenden Frauen totzustechen. Die in der Wiege und an der Brust befindlichen Kinder fingen zu weinen und zu schreien an.

Darauf schickten die Familienväter Mittelspersonen, die um Schonung bitten sollten, und ließen sagen: „Um Gottes willen, Padischah, unsere ganzen Familien sind zugrunde gerichtet. Aus Rücksicht auf die unmündigen Kinder soll man die noch übriggebliebenen Frauen verschonen!“ Aber der Padischah wies diese Bitte zurück und gab von neuem Befehl, alle Frauen umzubringen.

Daraufhin taten sich die Leute wiederum zusammen und berieten, wie sie dieses Unheil beseitigen könnten. Einer unter ihnen sagte: „Hier in dieser Stadt gibt es einen alten ehemaligen Wesir. Er heißt Kara Wesir (der schwarze Minister). Dieser bekleidete bei dem Vater des Padischah das Amt eines Großwesirs. Er ist eine Persönlichkeit, die von seiten unseres Padischah Ehrerbietung genießt. Wenn er mit ihm spricht, so verzichtet der Padischah vielleicht auf diese Sache.“ Auf diese Rede hin gingen sie zu Kara Wesir und unterbreiteten ihm ihre Lage. Jener sagte: „Sehr wohl“ und begab sich zum Padischah.

Der Padischah nahm ihn mit Ehrerbietung auf. Kara Wesir sagte: „Ich habe eine Bitte. Erfülle sie mir!“ Der Padischah sagte: „Sehr wohl! Sage, was es ist!“ Kara Wesir sagte: „Gib den Henkern Befehl: sie sollen nunmehr die Frauen in Ruhe lassen und sollen sie nicht mehr umbringen!“ Der Padischah sagte: „Nein, es ist nicht möglich! Ich werde auf der Oberfläche der Erde keine einzige Frau mehr übriglassen.“ Kara Wesir sprach: „Geruhen Sie, den Henkern den Befehl zu erteilen, daß sie von dieser Sache ablassen! Darauf werde ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Wenn die Geschichte, die ich Ihnen erzählen will, Sie nicht überzeugt, so werden Sie den Henkern wieder den Befehl erteilen und werden handeln, wie Sie es für gut befinden!“ Auf diesen Vorschlag hin sagte der Padischah: „Sehr gut!“ und gab den Befehl, daß er die Geschichte erzählte.

Kara Wesir nun sprach:

„Während ich der Großwesir Ihres Vaters war, da war eine solche Zeit, daß man nachts die Leute aus ihren Häusern herausholte und umbrachte. Es war eine solche Zeit, daß man jede Nacht 15-20 Menschen umbrachte. Wir trafen alle möglichen Anstalten. Aber wir konnten das Unheil nicht beseitigen. Während ich eines Nachts in meinem Hause am Fenster saß, ertönte eine Stimme: „Kara Wesir, komm herunter!“ Ich stand auf. Während ich herunterging, kam mir meine Frau entgegen. Sie fragte: „Wohin?“ Ich sagte: „Man ruft mich von unten.“ Sie sagte: „Sehr wohl! Aber zieh doch nur dein Obergewand an! Ist es so nicht eine Schande? Vielleicht ist der, der da ruft, der Padischah!“ Ich sah ein, daß die Rede der Frau verständig war. Ich ging also hin und kleidete mich in meinem Zimmer an. Dann kam ich zurück. Während ich nun hinausging, begegnete ich wiederum meiner Frau. Sie sagte: „Vielleicht wird dich der Padischah irgendwohin mitnehmen und fortführen. Gürte auch deine Waffen um!“ Ich sagte: „Sehr wohl!“ So ging ich und gürtete auch noch meine Waffen um. Ich kam zurück. Während ich jetzt hinausging, sagte wiederum meine Frau: „Vielleicht ist der, der gekommen ist, der Padischah. Sicherlich ist er nicht zu Fuß gekommen. Deshalb mußt auch du beritten sein.“ Ich sagte wieder: „Sehr wohl!“ und bereitete mein Pferd vor und saß auf.

Als ich zum Tor hinausritt, da wurde inmitten der Finsternis ein weißer Reiter sichtbar. Er sagte: „Kara Wesir, komm hinter mir drein!“ Ich folgte hinter ihm her, ohne erst irgendwelche Antwort zu geben.

Wir ritten eine ziemlich geraume Zeit weiter und kamen ganz aus der Stadt heraus. Ich dachte mir: „Daß nur dieser Bursche mir keine Teufelei antut!“ und geriet in Zweifel. Ich spannte meinen Bogen und schoß ihm einen Pfeil in den Rücken. Wie ich aufschaute, fiel der Pfeil zu Boden und der Reiter setzte seinen Weg fort, ohne einen Laut von sich zu geben. Ich spannte noch einmal meinen Bogen und schoß. Der Pfeil traf ihn wieder in den Rücken und fiel zu Boden. Daraufhin sagte der Reiter: „Kara Wesir, zieh des Weges, wie es deine Ehre verlangt!“ Ich gab nunmehr keinen Ton mehr von mir und setzte meinen Weg fort.

Kurz und gut, wir kamen endlich vor eine Burg. Wir stiegen von unseren Pferden. Der Bursche kam jetzt an meine Seite. Ich sah ihn mir an: es war ein schöner, heldenhafter Jüngling. Er sagte: „Ich will in jene Mauer Nägel einschlagen und hinaufsteigen. Wenn ich nach einer halben Stunde noch nicht zurückgekehrt bin, so sinne auf ein Mittel, um deinen Kopf zu retten. Überdies laß dann dein Pferd zurück und flieh auf meinem Pferde! Sonst kannst du dich nicht retten.“ Daraufhin stieg der Jüngling, immer wieder Nägel einschlagend, hinauf und drang in die Burg ein.

Ich wartete zwanzig Minuten. Niemand kam. Da wurde ich unruhig und stieg ebenfalls, immer wieder auf die Nägel tretend, hinauf und betrat den Hof der Burg. Was sollte ich da auf einmal sehen! Ein Neger hatte den Jüngling unter sich bekommen und war eben dabei, ihn umzubringen. Ich lief hin und hielt den Neger von hinten fest und warf ihn zu Boden. Der Jüngling stand nun auf. Beide zusammen schnitten wir dem Neger den Kopf ab. Der Jüngling sagte: „Bravo, Kara Wesir! Wenn du nur eine Minute später gekommen wärst, wäre es aus mit mir gewesen.“

Darauf stiegen wir wieder von der Zitadelle herab. Wir machten uns eilig fort. Nach einiger Zeit kamen wir zu einem Friedhof. In der Mitte stand eine Türbe, ein Grabmal. Wir banden draußen unsere Pferde an und gingen in die Türbe hinein. Dort zog der Jüngling seinen Gesichtsschleier hinweg. Was sollte ich da mit einem Male sehen? Es war ein zwanzigjähriges Mädchen, schön wie der Vollmond. Das Mädchen sagte zu mir: „He, Kara Wesir! Ich bin die Tochter eines Dere Bej (Talfürsten). Mein Vater verlobte mich mit dem Sohne eines anderen Dere Bej. Unterdessen freite um mich bei meinem Vater der Neger, den wir heute umgebracht haben. Mein Vater aber gab mich ihm nicht. Einige Zeit darnach fand unsere Hochzeit statt. In der Nacht, als ich mit meinem Verlobten in die Brautkammer hineinging, kam dieser Neger und ermordete meinen Bräutigam. Ich selbst verzweifelte seit jener Zeit an der Welt und sann darauf, Rache zu nehmen. Siehe, bei Gelegenheit erhielt ich Kunde davon, daß der Neger sich verlobt hatte. Um Rache zu nehmen, rechnete ich mir ebenfalls seine Brautnacht aus. Einen Monat vor jener Nacht ging ich in eure Stadt, in eure Residenz. In der Hoffnung, inmitten jener Volksmenge einen Helfer zu finden, fragte ich allenthalben nach den Helden eurer Stadt. Ich ging zu den Häusern der Leute, die man mir nannte, und rief sie, einen jeglichen mit seinem Namen, einen nach dem andern, heraus. Jeder, der zu mir herauskam, kam ohne Oberkleider. Ist das Mannhaftigkeit? Geht ein wirklicher Mann ohne Waffen zur Türe hinaus? Was sind das für Mannsleute! Ich verwunderte mich, wenn ich es bedachte. Die so zu mir herauskamen, die schlachtete ich alle zusammen ab.

Ganz zuletzt sprach man mir auch von deiner Heldenhaftigkeit. Ich rief dich heraus. Du kamst in der Tat wie ein Held zu mir heraus. Und als ich sagte: „Komm hinter mir drein!“ da kamst du, ohne dich zu fürchten. Wir gingen in die Burg des Negers. Siehe, heute nacht war seine Brautnacht. Er hatte meinen Verlobten in der Brautnacht umgebracht. Und ich hatte vor Gott ein feierliches Gelübde getan, daß ich nicht mehr leben bleiben würde, nachdem ich meine Rache genommen hätte. Siehe, diese Türbe, die du siehst, ist unsere Türbe. Dieses geschlossene Grab ist das meines Verlobten. Dieses offene Grab ist für mich vorbereitet. Ich muß nunmehr mein Wort in Erfüllung bringen. Mit diesem Dolch werde ich mich selbst töten. Was aber dich betrifft, so wirst du mich hier begraben!“

Auf diese Rede hin weinte ich und schluchzte ich. Ich flehte und bat. Bittend fiel ich dem Mädchen zu Füßen und sagte: „Tu’s nicht! Mach’s nicht! Komm mit mir! Ich werde dir einen Gatten finden, der noch schöner, noch besser ist, als dein Verlobter war! Ich bin der Großwesir des Padischah. Ich will dir soviel Besitz und Gut geben, als du nur willst. Komm! Laß ab von dieser Sache!“ Doch soviel ich auch sprach, es blieb doch ganz umsonst. Das Mädchen sagte: „Mir ist schon nicht mehr erlaubt, zu leben!“ Sie stieß sich den Dolch in die Brust und starb. Weinend und schluchzend legte ich das Mädchen in ihr Grab und schloß es. Dann kehrte ich heim und kam zurück.

Sieh, mein Padischah! Es gibt auf der Welt auch solche aufrichtige Frauen, die für ihren Geliebten sterben. Ebenso wie es unter den Männern schlechte und gute gibt, so gibt es auch unter den Frauen sowohl schlechte als auch gute.“

Auf diese Erzählung hin ließ sich der Padischah überreden und geruhte zu befehlen, daß die übriggebliebenen Frauen nicht mehr umgebracht würden.


Ein Märchen der Märchenerzählerin

Indschili Hanym[2].

 

Dilrukesch.

Vgl. Türk. Bibl. II. S. 22ff.

Dilrukesch.

Es war einmal einer, es war einmal keiner. In der grauen Vorzeit, wo das Sieb noch im Stroh war, da war zwar mein Vater der Vater von mir und ich die Tochter meines Vaters, aber mein Vater wurde mein Sohn und ich die Mutter meines Vaters. Nur der Wissende weiß, was das zu bedeuten hat.

Einstmals lebten in einer Stadt, auf der anderen Seite der Welt, nahe bei den Gegenden, wo die Dews hausen, drei bettelarme Schwestern. Sie stickten und nähten und spannen Baumwolle jede Nacht bis an den Morgen. Morgens brachte eine von ihnen das Ergebnis ihrer Arbeit auf den Markt und verkaufte es, kaufte, was sie für den betreffenden Tag zum Essen und Trinken und Heizen brauchten, und brachte es heim.

Eines Tages war der König jener Stadt auf seine Untertanen aus irgendeinem Grunde zornig. Da ließ er verkünden, daß drei Nächte hindurch in den Häusern kein Licht angezündet werden dürfe und daß jeder, der dem Gebot zuwider Licht anzünde, bestraft werden solle.

Was sollten die Mädchen nun tun? Im Finstern sieht man nichts zur Arbeit. Wenn sie jedoch nichts arbeiteten, so mußten sie am folgenden Tage hungern. Was blieb ihnen also anderes übrig? Sie verhängten die Fenster ihres Zimmers mit dicken Vorhängen, machten ein winziges Nachtlicht zurecht und arbeiteten, so gut oder so schlecht ihre Augen eben sehen konnten, und verschafften sich damit das Geld zum Lebensunterhalt.

In der dritten Nacht, auf die sich das Verbot erstreckte, nahm der König eine oder zwei Personen als Begleiter mit und machte sich auf, um in der Stadt herumzuschauen, ob nicht irgendwer dem Verbote zuwiderhandelte, d. h. im Hause Licht anzündete oder nicht. Wie der Zufall es haben will, kam er vor das Haus der Mädchen.

Nun war in jener Nacht an einem der Fenster der Vorhang an der Seite ein klein wenig offen geblieben. Als der König den Lichtschimmer sah, erzürnte er aufs äußerste. Doch seine Begleiter besänftigten seine Aufwallung und sagten: „Herr, laßt uns ein wenig stehen bleiben. Wir wollen schauen, wem das Haus gehört. Vielleicht liegt ein triftiger Entschuldigungsgrund vor. Wenn dem aber nicht so ist, sondern wenn nur aus bloßem Ungehorsam dem Gebote zuwidergehandelt wurde, so hat es keine Schwierigkeit, immer noch jede Strafe, die Ihr befehlt, zu vollziehen.“ Man beschloß also, unter dem Fenster das Haus auszuhorchen.

Die Schwestern hatten von alledem keine Ahnung. Sie saßen alle drei drinnen beisammen, lagen ihrer Arbeit ob und klagten sich gegenseitig ihr Leid wegen ihrer übergroßen Armut. Die Älteste von ihnen sagte: „O wie schön wäre es doch, wenn mich der König zu seiner Schaffnerin machte und ich da viel und reichlich essen könnte!“ Die Mittlere sprach: „Wenn er mich doch nur zu seiner Kleiderverwalterin machte und wenn ich jeden Tag ganz funkelnagelneue Kleider anziehen könnte!“ Die Jüngste aber sagte: „Wenn mich doch nur der König zum Weibe nähme und ich ihm Kinder gebären könnte, bei deren Lächeln Rosen aufsprossen und bei deren Weinen Perlen hervorquellen würden!“

Der König hörte alles mit an. Am folgenden Tage ließ er die drei Schwestern in seinen Palast rufen, machte die Älteste zu seiner Schaffnerin, die Mittlere zu seiner Kleiderverwalterin und wies ihnen in seinem Palaste eine eigene Wohnung an. Die jüngste Schwester erhob er zu seiner Gemahlin.

Also gut. Die drei Schwestern lebten in eitel Lust und Wonne im Palaste: Sie versanken fast in Juwelen und wurden mit Glück und Reichtum in allen Formen ganz überschüttet. Da wurde die Jüngste vom Könige schwanger. Ihr Leib wurde von Tag zu Tag dicker. Kurz, es vergingen genau neun Monate und zehn Tage, da stellten sich die Wehen bei dem Mädchen ein. Die Schwestern gerieten in arge Aufregung und Verlegenheit. Sie sagten: „Wenn unsere Schwester ein Kind von der Art gebiert, so bleibt keiner von uns auch nur ein Atom von Ansehen. Darum müssen wir zuvor ein Mittel dagegen finden.“ Sie ließen also die Palast-Hebamme rufen, gaben ihr eine Menge Gold und erklärten: „Um Gottes willen, Frau Hebamme, wenn sich überhaupt ein Mittel dagegen finden läßt, so kann es nur von dir herkommen!“ Da die Hebamme eine arge Hexe war, sagte sie: „Meine lieben Töchter! Macht euch keine Sorgen! Es ist jetzt meine Sache, euren Wunsch aufs beste auszuführen.“

Sie tat alsbald zwei junge Hunde in eine kleine Kiste und verbarg diese innen in dem Gebärstuhl. So brachte sie ihn herbei.

Als nun für das arme Mädchen seine schwere Stunde gekommen war und sie zwei strahlendschöne Kinder, ein Mädchen und einen Knaben gebar, da legte die Hebamme die Kinder in das Kistchen. Die Hunde aber zeigte sie vor. Sobald man dem König die Nachricht überbracht hatte, daß das Mädchen zwei junge Hunde zur Welt gebracht habe, da wurde er ganz sinnlos vor Wut. Voll Zorn über das Mädchen ließ er sie auf dem weitesten Platze der Stadt halb bis zum Nabel in der Erde eingraben und gab den gemessenen Befehl, daß jeder, der da kam und ging, ihr ins Gesicht spucken und einen Stein auf sie werfen sollte.

Das arme Mädchen soll nun diese Strafe weiter erleiden. Wir wollen uns wieder zu den Kindern wenden:

Die Hebamme also nahm die Kinder, trug sie zur Stadt hinaus und setzte sie zwischen den Gärten am Rand eines Wassers aus. Dann kehrte sie um und kam wieder in den Palast.

Inzwischen kam der Gärtner an den Rand des Wassers und sah da zwei neugeborene strahlendschöne Kinder liegen. Nun hatte der Gärtner selbst keine Kinder. Er wurde fast verrückt vor Freude über seinen Fund. Er nahm die Kinder an sich und brachte sie in seine Hütte. Im Verein mit seiner Frau trennte er die Nabelschnur und trug dann seiner Frau auf, gut auf die Kinder zu sehen. Kaum hatte die Gärtnersfrau ihre eine Brust dem einen und die andere Brust dem anderen Kinde gereicht, so strömte durch Gottes Allmacht sofort Milch in ihre beiden Brüste ein.

Der Gärtner und seine Frau waren starr vor Staunen, als sie sahen, daß das Mädchen, sobald es weinte, Perlen herabträufeln, und sobald es lachte, Rosen aufsprießen ließ. Sie besannen sich aber nicht lange, sondern sammelten die Perlen und die Rosen zusammen und dankten und priesen Gott, daß er ihnen so große Gnade erwiesen habe.

Der Gärtner nun ordnete die Rosen, die voll entwickelt und aufgeblüht waren, und die eine Farbe hatten, dergleichen er noch nie gesehen, und die besonders auffallen mußten zu einer Zeit, wo es sonst keine Rosen gab, in Körbe und brachte sie sofort in den Palast des Königs. Der König war sehr erfreut und gab dem Gärtner reiche Geschenke. Als am folgenden Tage der Gärtner wieder einen solchen Rosenkorb überreichte, da verteilte der König diese Rosen unter die Angehörigen des Palastes, weil es etwas ganz Unerhörtes war, daß ganz im Widerspruch mit der Jahreszeit jeden Tag ein Korb Rosen eintraf. Er fragte zwar den Gärtner, wie er diese Rosen erzielt habe. Doch ging dieser an jenem Tage über die Sache mit Antworten hinweg, in denen er die Kinder nicht als die Ursache der Erscheinung bezeichnete.

Die Schwestern aber ersahen aus diesen Rosen, daß die Kinder noch am Leben waren. Sie sagten: „Um Gottes willen, die Sache wird noch herauskommen!“ und ließen sofort die Frau Hebamme kommen. Zur Hebamme sprachen sie: „Um Gottes willen, Frau Hebamme, die Kinder sind wieder zum Vorschein gekommen. Du mußt dagegen tun, was du nur kannst!“ Doch die Hebamme rechtfertigte sich und meinte: „Da hört sich doch alles auf! Ich hab sie doch ganz außerhalb der Stadt am Rande eines Tales ausgesetzt, ohne ihre Nabelschnüre abzuschneiden! Bis jetzt sind sie schon längst zugrunde gegangen!“

Aber die Schwestern ließen sich auf keine Weise beruhigen. Sie baten die Hebamme, sie möchte die Kinder aufsuchen, wo immer sie seien, und sie verschwinden lassen, und machten ihr zu diesem Behufe eine Menge Versprechungen.

Die Hebamme gab schließlich wohl oder übel nach. Sie machte sich auf und ging geradeswegs nach den Gärten, wo sie die Kinder ausgesetzt hatte. Der Zufall fügte es, daß sie zu der Hütte des Gärtners kam, wo die Kinder sich befanden. Sie trat ein und sah dort zwei strahlendschöne Kinder. Die Frau des Gärtners stillte sie eben. Die Hebamme tat ganz unbefangen, bot den Gruß und ließ sich mit der Gärtnersfrau in eine Unterhaltung ein.

Die Hebamme: Meine liebe Tochter! Sind das deine Kinder? O Wunder über Wunder! Der böse Blick soll sie nicht treffen! Wie schön sind sie!

Die Gärtnersfrau: Hanym, so viele Jahre hatte ich kein Kind! Mein Mann und ich, wir sehnten uns nach einem Kindergesicht. Nun hat uns Gott in seiner Allmacht welche beschert.

Hebamme: Meine liebe Tochter, wie kam das doch?

Gärtnersfrau: Als eines Tages mein Mann am Rand des Wassers, das neben dem Garten fließt, dahinging, fand er diese Kinder in einer Schachtel. Er nahm sie sofort an sich und brachte sie in die Hütte. Kaum sah ich die Kindlein, da regte sich in meinem Herzen alsbald die Mutterliebe. Ich schnitt ihre Nabelschnur ab und wickelte die Kinder in Windeln. Sobald ich ihnen die Brust gereicht hatte, begann Milch aus meinen Brüsten zu quellen. Die nie versiegende Gnade Gottes läßt die Milch auch bis zum heutigen Tage nicht versiegen.

Hebamme: Meine Tochter, soviel ich gehört habe, läßt das Mädchen beim Lachen Rosen aufsprossen und beim Weinen Perlen herabträufeln. Seit zwei Tagen bringt dein Mann solche Rosen in den Palast. Ist das richtig?

Gärtnersfrau: Jawohl, mein Mütterchen!

Hebamme: Meine liebe Tochter! Ich muß dir etwas eröffnen, aber verrate mich um Gottes willen nicht! Ich sage es dir, weil ich dich wie mein eigenes Leben liebe. Tut, was ihr für gut haltet! Aber ich rate euch, schafft diese Kinder von euch weg, sonst steht es schlecht um euch, meine liebe Tochter!

Gärtnersfrau: Um Gottes willen, mein Mütterchen! Warum denn? Was für ein Schaden kann uns daraus erwachsen? Warum soll es denn schlecht um uns stehen?

Hebamme: Aber meine liebe Tochter! Habt ihr denn nichts davon gehört? Diese Kinder sind eben diejenigen, die von der Jüngsten der drei Schwestern, die der König in den Palast aufgenommen hat, geboren worden sind. Der König ergrimmte über ihre Mutter und ließ sie in die Erde eingraben. Die Kinder selbst tat man in eine Schachtel und setzte sie vor der Stadt aus. Und jetzt Gott befohlen!

Mit diesen Worten ging sie.

Die Gärtnersfrau wußte vor Furcht nicht, was sie anfangen sollte. Während sie noch immer sann und grübelte, kam ihr Mann. Die Frau erzählte ihm eingehend den ganzen Sachverhalt. Auch der Gärtner fürchtete für seinen Kopf. Im Garten war eine ziemlich geräumige Höhle. Dort beschlossen sie die Kinder auszusetzen. Weinend und klagend nahmen die beiden Ehegatten die Kinder und trugen sie in die Höhle. Sie breiteten unter jedes einen alten Sack und überließen sie dann ihrem Schicksal.

Nun hatte auf jenem Berge eine Hindin Junge geworfen. Durch Gottes weise Fügung kam dieser Hirsch morgens und abends und stillte und nährte die Kinder. Die Kinder wurden von Tag zu Tag größer — in den Märchen vergehen die Zeiten rasch — und waren schon acht oder neun Jahre alt geworden. Bis zu dieser Zeit füllte das Mädchen mit seinem Lachen und Weinen das Innere der Höhle mit Rosen und Perlen. Die zwei Geschwister waren in der Höhle durch die Hirschmilch zwar groß und kräftig geworden, sie hatten aber nicht sprechen gelernt, da sie keinen Menschen sahen. Sie verständigten sich gegenseitig durch besondere Zeichen. Doch die Vernunft, die Gott den Menschen allein als göttliche Gabe verliehen hat, gab ihnen manche Mittel und Wege an die Hand. Sie überlegten: Zweifellos gibt es außerhalb dieser Höhle noch einen anderen Ort, von wo aus der Hirsch morgens und abends zu uns kommt.

Der Knabe steckte darum eines Tages einige Perlen zu sich und machte sich von der Höhle auf. Er folgte der in die Stadt führenden Straße, auf die er stieß, und betrat die Stadt. Da sah er urplötzlich die geöffneten Markthallen, die aufgeschlagenen Marktbuden und jedermann beim Handeln und Feilschen. Er konnte zwar nichts verstehen, weil er der Sprache überhaupt nicht mächtig war, aber er mischte sich doch allmählich unter die Leute.

Kaum hatte er eine von seinen Perlen gezeigt, da liefen alle Leute vom Markt um ihn zusammen und fragten ihn durch Zeichen darnach, was er haben wollte. Sie gaben ihm reichlich alles, was er an Essen, Trinken und Kleidung für diesen Tag brauchte. Er brachte alles in die Höhle und zeigte es seiner Schwester, und beide aßen und tranken zusammen. Er fing auch an, seiner Schwester das Sprechen, soweit er es gelernt hatte, beizubringen.

Der Knabe gewöhnte sich nun daran. Am folgenden Tage nahm er wieder einige Perlen zu sich und ging auf den Markt. Diesmal kaufte er vielerlei Dinge wie Kleider, Waffen, ein Pferd u. dgl. und kehrte wieder heim. Auf diese Weise gewöhnte sich der Knabe daran, die Stadt zu besuchen und auf den Markt und in den Bazar zu gehen. Bei dieser Gelegenheit verkehrte er mit einer Menge junger Leute. Allmählich fing er auch an, die Waffen zu handhaben und auf die Jagd zu gehen.

Eines Tages war der Knabe auf der Jagd. Nun war auch der König an jenem Tage zur Jagd ausgezogen. Sie trafen beide zusammen. Kaum sah der König den Knaben, so regte sich in seinem Herzen die Liebe. Er schloß den Knaben inbrünstig in sein Herz ein. Seinem Gefolge befahl er: „Bei Gott, was für ein schöner Knabe! Ich habe mich ganz und gar in ihn verliebt. Erkundigt euch, von wem er ist!“ Einer von den Dienern ging hin und sprach etwa so: „Mein Bej, wieviel Wild du doch erlegt hast!“ Doch der Knabe ließ sich nicht aus seiner kühlen Zurückhaltung bringen. Mit den Worten: „Der Tiere, die Gott geschaffen hat, sind viele. Sie genügen für euch und für mich!“ ging er auf und davon.

Der König kam heim in den Palast. Die Liebe zu dem Knaben machte ihn wirklich krank. Im Harem fragte man mit großem Erstaunen nach der Ursache der Erkrankung. Der König beschrieb den Knaben, den er auf der Jagd gesehen hatte, und erklärte, daß er in heißer Liebe zu ihm entbrannt sei, und daß der Kummer darüber ihn krank gemacht habe.

Die zwei Schwestern erkannten aus dieser Beschreibung des Königs, daß der Knabe wieder zum Vorschein gekommen war, und ließen sofort die Frau Hebamme rufen. Die Hebamme kam.

Die beiden Schwestern: Um Gottes willen, Frau Hebamme! Die Kinder sind wieder zum Vorschein gekommen!

Hebamme: Ei, was ihr nicht alles wißt! Ihr seid wohl verrückt geworden? Seit der Gärtner sie auf dem Berg ausgesetzt hat, sind so viele Jahre vergangen! Jetzt sind nicht einmal ihre Knochen mehr vorhanden!

Die Schwestern: Sag nicht so! Der König ist jetzt von der Jagd u rückgekommen. Er ist krank geworden. Man fragte ihn nach der Ursache. Er sagte, er habe auf der Jagd einen Knaben gesehen, und aus Liebeskummer um ihn sei er erkrankt. Er beschrieb die Gestalt des Knaben. Es ist sicherlich unser Neffe. Um Gotteswillen, Frau Hebamme, man muß tun, was man tun kann, und muß das herausbringen!

Hebamme: Sehr gut, meine lieben Töchter! Aber ich kann nicht daran glauben. Vor so vielen Jahren sollen sie auf jenem Berg ausgesetzt worden sein. Sie hatten keine Nahrung, keine Kleidung! Sollen sie da bis jetzt nicht zugrunde gegangen sein? Das verlangt großen Glauben! Sind es denn Peri oder Dschinnen? Nein, nein, das sind nicht jene Kinder!

Die Schwestern: Aber um Gottes willen, Frau Hebamme, liebste, beste Frau Hebamme! Du weißt es, daß jene Kinder nur die unseren sein können. Und zu guter Letzt werden sie zum Vorscheine kommen. Man muß unter allen Umständen dem entgegenwirken.

Hebamme: Sehr gut, meine Kinder, so muß ich eben gehen und nachforschen. Wenn sie es sind, so läßt sich zweifellos ein Mittel dagegen finden. Seid nur ganz beruhigt!

Die Hebamme gab den Schwestern das Wort, daß sie die Sache erfolgreich durchführen werde. Sie schlug sofort die Straße nach dem Berge ein, auf dem die Höhle war. Sie kam an den Eingang der Höhle und schaute hinein. Da saß, ganz vergraben in Perlen und Rosen, ein berückend schönes Mädchen. Die Hebamme bot ihr sofort den Gruß und trat ein. Das liebe Mädchen ging der Alten entgegen, führte sie hinein mit den Worten: „Nehmt Platz, mein liebes Mütterchen!“ und erwies ihr alle Ehre.

Hebamme: Meine Tochter, du bist ja allein in dieser abgelegenen Höhle auf dem Berg?

Mädchen: Nein, mein liebes Mütterchen! Ich habe noch einen Bruder. Tagsüber ist er auf der Jagd, aber abends kommt er.

Hebamme: Meine liebe Kleine! Langweilst du dich denn nicht hie und da, so mutterseelenallein?

Mädchen: Wenn ich mich einmal langweile, was macht’s? Mit den Sachen hier unterhalte ich mich und vertreibe mir die Zeit.

Hebamme: Mein Mädchen, liebt dich dein Bruder sehr?

Mädchen: Zweifellos liebt er mich. Ist er denn nicht der Bruder?

Hebamme: Mein Mädchen, wenn dem so ist, so will ich dir etwas sagen. Aber verrat mich nicht! Sobald dein Bruder abends kommt, so weine und wehklage nach Noten! Er wird darüber betroffen sein und dich fragen, weshalb du weinst. Da zier dich ein wenig und sag nichts! Er wird weiter in dich dringen. Dann sprich zu ihm: „Tagsüber langweile ich mich sehr. Ich will durchaus die Distel der Dilrukesch Hanym haben.“ Laß dir die Distel bringen. Dann sieh zu, ob es etwas Unterhaltenderes auf der Welt gibt, als diesen Zweig!

Mädchen: Sehr wohl, mein liebes Mütterchen! Sobald mein Bruder heimkommt, will ich ihn verlangen.

Nach dieser Unterhaltung machte sich die Hebamme wieder auf den Weg. Sie ging geradeswegs in den Palast und sagte zu den Schwestern, daß sie nur diesen Ausweg in der Sache habe finden können.

Doch wir wollen wieder zu den Kindern kommen: Es wurde Abend. Um die Zeit, da ihr Bruder kommen sollte, begann das Mädchen mit einem Male andauernd zu weinen. Und sobald sie weinte, ließ sie Perlen herabträufeln. Die Höhle wurde fast voll von Perlen. Die Augen des Mädchens aber schwollen faustdick an.

Unterdessen kam der Knabe von der Jagd zurück und sah, daß seine Schwester sich in übler Verfassung befand. Er fragte nach dem Grund. Das Mädchen aber sagte kein Wort. Schließlich versprach er hoch und heilig, daß er alles, was sie nur wollte, tun und daß er jedes Opfer auf sich nehmen werde. Siehe, da erklärte das Mädchen, daß er ihr die Distel der Dilrukesch Hanym bringen sollte, und daß sie, falls er sie nicht brächte, sich selbst durch unaufhörliches Weinen umbringen würde.

Als der Knabe das Wort: „Dilrukesch“ hörte, da geriet er in Verwunderung und sagte: „Meine liebe Schwester, du wünschest ja etwas, was ich nicht einmal vom Hörensagen kenne. Ich weiß gar nicht, wer die Dilrukesch Hanym ist, daß ich hingehen, sie aufsuchen und ihre Distel verlangen könnte.“ Aber die Tränen des Mädchens wollten nicht versiegen. Der Knabe sah ein, daß sich nichts dagegen ausrichten ließ. Am nächsten Tage ging er also in die Stadt, kaufte für ein paar Monate Lebensmittel, ferner einen trefflichen Paßgänger und prächtige Waffen. Einen Teil des Proviants brachte er in die Höhle, einen Teil nahm er an sich.

Nachdem er von seiner Schwester Abschied genommen hatte, brach er auf und machte sich auf die Fahrt. Er ritt nicht rasch, aber stetig, er ritt über Berg und Tal und Ebene. Wie er schon ziemlich lange unterwegs war, gelangte er in die von dem Könige der Peri beherrschten Lande. Vor ihm breiteten sich Ebenen aus, wie keine Karawane sie durchwandern kann; Gebirge starrten vor ihm empor, daß kein Vogel sie überfliegen konnte; Täler taten sich vor ihm auf, so tief, daß kein Schlangenleib darin kriechen konnte. Der Knabe ritt im Vertrauen auf Gott weiter und weiter und geriet schließlich auf eine Ebene, die das Auge bis zu ihrem Ende nicht zu ermessen vermochte und auf der kein Weg, keine Fußspur zu entdecken waren. Inmitten der Ebene erhob sich ein hoher Palast, um den ringsherumgestreckt eine Dew-Frau lag.

Der Knabe lenkte sein Roß darauflos. Als er ganz nahe gekommen war, stieg er von seinem Pferd, sog an den beiden Brüsten der Dew-Frau und küßte dann ihre Hände mit den Worten: „Sei du meine Mutter im Diesseits und im Jenseits!“ Die Dew-Frau sah nun den Knaben mit liebevollem Blick an und sagte: „Sei auch du mein Sohn im Diesseits und im Jenseits! Ich gedachte dich eben mit meinem Hauche zu vernichten. Aber nun danke Gott dafür, daß deine unschuldige Mutter in der Erde liegt. Dann hast du auch an meinen Brüsten gesogen. Sprich, ich will wissen, in welcher Absicht und zu welchem Zwecke du hiehergekommen bist!“

Da erzählte der Knabe ihr seine Geschichte und bat sie weinend um Unterstützung bei seinem Vorhaben, die Distel der Dilrukesch zu erlangen. Erstaunt sagte die Dew-Frau: „Mein Sohn, da ich und meine Kinder mit der Bewachung der Hauptgrenze des Peri-Reiches betraut sind, so wissen wir nichts von dem, was alles drinnen ist. Aber am Abend, wenn meine Söhne kommen, will ich sie sofort fragen. Wenn auch sie nichts wissen, will ich dich zu meiner zweitältesten Schwester schicken.“ Dabei gab sie dem Knaben einen Schlag, durch den sie ihn zu einem kleinen Bissen machte, und steckte ihn in den hohlen Zahn.

Es wurde Abend. Mit einem Gelärm und Getöse, als ob der Donner rollte, Blitze krachten und das jüngste Gericht hereinbräche, kamen die Söhne heim und fingen an, durcheinander zu rufen: „Mutter, es riecht nach Menschenfleisch.“ Ihre Mutter erzürnte über sie und sagte: „Wie können bei der Furcht vor euch, die alle beherrscht, Söhne der Menschen hieherkommen, daß es nach ihrem Fleisch riechen sollte? Wer weiß, in wieviel Wolfs- und Vogelblut ihr heute wieder gewatet habt. Untersucht, was für Beute ihr zwischen den Zähnen habt!“ Die Söhne durchstocherten nun ihre Zähne. Der eine zog einen Tierschädel, der andere eine Hammelkeule hervor. Sie warfen alles hin und setzten sich neben ihre Mutter.

Nachdem sie sich ein wenig unterhalten hatten, meinte die Mutter: „Meine lieben Söhne, wenn jemand käme und mich auf beide Brüste küßte, in welches Verhältnis träte er zu euch?“ Da sagten die Söhne: „Dann wird er unser Bruder.“ Da zog die Dew-Frau mit den Worten: „Wenn dem so ist, so tut ihr ihm zweifellos nichts zuleide!“ aus ihrem Zahn den Bissen hervor. Sie versetzte ihm einen Schlag. Da nahm der Knabe wieder seine ursprüngliche Gestalt an. Die Söhne der Dew-Frau empfingen ihn freundlichst mit den Worten: „Willkommen, Bruder!“ Sie unterhielten sich ein wenig mit ihm. Ihre Mutter erzählte ihnen, warum der Knabe gekommen sei. Doch auch sie erklärten, daß sie nicht wüßten, wer die Dilrukesch sei und was man unter ihrer Distel verstehe. Sie versprachen aber, den Knaben zu der zweitältesten Schwester zu bringen.

Am folgenden Tage nahmen sie den Knaben, und im Nu hatten sie eine Riesenstrecke zurückgelegt und den Knaben zu der zweitältesten Schwester ihrer Mutter gebracht. Auch ihr schilderten sie eingehend die Geschichte, aber sie hatte ebensowenig den Namen Dilrukesch gehört. Aber gleichwohl nahm auch die Schwester ihn an Sohnes Statt an. Sie versicherte, sie werde ihn aufnehmen und, wenn abends ihre Söhne kämen, ihn zu ihrer ältesten Schwester schicken. Daraufhin überließen die Dews den Knaben ihrer Tante und gingen fort.

Als es Abend wurde, kamen auch deren Söhne nach Hause. Ihre Mutter legte ihnen den ganzen Sachverhalt dar, aber auch sie erklärten, Dilrukesch nicht zu kennen. Sie versprachen aber nichtsdestoweniger, den Knaben, der zu ihrem Bruder geworden war, wohlbehalten zu der ältesten Schwester zu bringen.

Am folgenden Tage nahmen sie den Knaben — wiederum legten sie in einem einzigen Augenblicke eine Riesenstrecke zurück — und brachten ihn in die feste Burg ihrer ältesten Mutterschwester und erzählten ihr die Geschichte. Die älteste Schwester sagte zu dem Knaben in einem Tone, der aus vorwurfsvollem Tadel und wohlwollender Zuneigung gemischt war: „Knabe, wer hat dir die Dilrukesch in den Kopf gesetzt? Das ist ein Schatz, der mit soundsoviel hunderttausend Talismanen geschützt und voll von hunderttausend Gefahren ist. Was für einen Zweck hast du, daß du dich der Dilrukesch bemächtigen und ihre Distel nehmen willst? Knabe, auf dieser Fahrt wirst du sterben! Komm, laß ab von diesem Vorhaben!“

Doch da der Knabe ihr flehend Hände und Füße küßte und sie in der beweglichsten Weise bat, so konnte die Frau nicht widerstehen und sagte: „Bete, es ist alles um deiner schuldlosen, in der Erde liegenden Mutter willen.“ Sie ließ den Knaben vor sich Platz nehmen und gab ihm folgende Unterweisungen:

„Mein Sohn! Morgen in der Frühe wirst du dein Pferd besteigen und diesen Weg hier einschlagen und weiterverfolgen. Ein leerer Brunnen und ferner ein kleines Gehölz werden vor dir auftauchen. In dem Gehölz wirst du ein wenig jagen und ungefähr fünf bis zehn äußerst behende Vögel fangen. Dann gehst du hin und verrichtest am Brunnen zwei Gebetsbeugungen, wirfst die Vögel in den Brunnen und rufst: „Gebt den Schlüssel her!“ Man wird dir aus dem Brunnen einen Schlüssel herauswerfen. Du nimmst den Schlüssel und gehst weiter. Dir gegenüber gähnt ein großes Höhlentor dich an. Du öffnest sofort das Tor, gehst hinein und streckst deine rechte Hand aus. Was dir in der Dunkelheit in die Hand kommt, packst du. Ohne dich umzusehen, kehrst du dann um, wirfst den Schlüssel in den Brunnen und kommst. Wenn du umschaust, bist du verloren. Siehe, das sind alle Lehren, die ich dir zu geben, alle Worte, die ich dir zu sagen habe. Möge Gott dir sofort dein Werk gelingen lassen!“

Der Knabe handelte den empfangenen Unterweisungen gemäß. Sobald er den aus dem Brunnen geworfenen Schlüssel bekommen hatte, öffnete er das Tor der Höhle und streckte mit den Worten: „O Gott!“ seine rechte Hand aus. Was ihm da in die Hand kam, nahm er und kehrte um. Er warf den Schlüssel wieder in den Brunnen und spornte sein Pferd an. Er schaute auf gar nichts mehr, geschweige, daß er hinter sich gesehen hätte. Tag und Nacht reitend kam er in kurzer Zeit zu seiner eigenen Höhle.

Doch was sollte er da pötzlich an der Distel sehen? Auf jedem Zweige der Distel saß ein Vogel, von einer Art, wie man seinesgleichen noch nie gesehen hatte. Jeder Vogel sang in einer besonderen Tonart. Doch es mag genügen: es war eine unbeschreibliche Musik, ein ganzes Konzert. Als der Knabe das sah, da vergaß er alle Mühsale, die er auf der Fahrt hatte erdulden müssen. Mit den Worten: „Bravo, Schwester, das Ding, das du dir gewünscht hast, existierte wirklich!“ überreichte er die Distel seiner Schwester.

Die Schwester wollen wir also ständig sich mit der Distel unterhalten lassen. Der Knabe ging eines Tages wieder auf die Jagd. An diesem Tage war auch der König wieder auf der Jagd. Er traf auch den Knaben. Nachdem er auf dieselbe Weise wie früher mit dem Knaben einige Worte gewechselt hatte, kam er heim in den Palast und wurde krank. Die Schwestern waren ganz außer sich, als sie erfuhren, daß der König auch diesmal wieder den Knaben auf der Jagd gesehen hatte und davon krank geworden war. Sie beriefen sofort die Hebamme und sagten ihr, daß die Kinder wieder zum Vorschein gekommen seien. Die Hebamme war darüber nicht wenig erstaunt. Am folgenden Tage begab sie sich in die Höhle. Sie konnte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, daß die Distel glücklich beschafft war. Das Mädchen vergnügte sich mit ihr fort und fort.

Die Hebamme bot nun den Gruß. Diesmal bezeigte ihr das Mädchen noch mehr Aufmerksamkeit als früher und erzählte ihr, daß ihr Bruder ihr die Distel gebracht habe. Um den Knaben nun endlich einmal zu verderben, kramte die Hebamme aus ihrem Ränkevorrat eine neue List aus und sagte: „Meine liebe Tochter! Wenn du erst den Spiegel der Dilrukesch dir bringen lassen könntest, so würdest du niemals mehr in deinem Leben diese Distel in die Hand nehmen. Denn das ist ein Spiegel, in dem die ganze Welt sich abspiegelt. Alles, was du nur wünschest, siehst du in ihm. Ich bitte dich aber, meine liebe Tochter, verrate mich nicht!“ Damit ging sie fort.

Das Mädchen begann wieder ein endloses Weinen und füllte, bis abends ihr Bruder kam, die ganze Höhle mit Perlen an. Der Bruder sah beim Kommen, daß ihre Augen vom Weinen faustdick angeschwollen waren und ihr Gesicht ganz gelb geworden war. Er fragte nach dem Grunde. Diesmal nun erfuhr er, daß sie den Spiegel der Dilrukesch wünschte. Er mochte mit den eindringlichsten Farben die Todesschrecken, die er auf seiner ersten Fahrt hatte durchmachen müssen, die Dews und jenes und dieses malen: es half alles nichts, seine Schwester wollte sich auf keine Weise von ihrem Wunsche abbringen lassen.

So holte der Knabe schließlich den Spiegel auf dieselbe Weise, wie er die Distel gebracht hatte. Beide Geschwister blickten in den Spiegel. Wirklich, die ganze Welt sah man in ihm. Alles, was sie zu schauen wünschten, erblickten sie darin. Das Mädchen vergaß nunmehr ganz die Distel und unterhielt sich nur noch mit diesem Spiegel.

Das Mädchen vergnügte sich also tagsüber mit dem Spiegel, der Knabe ging auf die Jagd. Eines Tages begegnete er wieder auf der Jagd dem König. Diesen befiel eine Herzschwäche, sobald er den Knaben sah. Mit Mühe brachte man ihn zum Palast. Man vernahm, daß die Ursache wieder jener Knabe war. Die beiden Schwestern ließen also wiederum die Hebamme rufen und sagten: „Die Sache steht jetzt so und so. Entweder du tötest diesen Knaben, oder du hast nie Ruhe.“ Die Hebamme wußte nicht, was sie tun sollte. Sie ging geradeswegs zu der Höhle. Diesmal brachte sie mit tausend Listen und tausend Ränken dem Mädchen bei, sie sollte in ihren Bruder dringen, ihr die Dilrukesch selbst zu bringen.

Als abends der Knabe heimkam, da strömten aus den Augen des Mädchens die Zähren wie der Regen bei einem Wolkenbruch. Sie bestürmte ihn mit Bitten, er solle ihr die Dilrukesch Hanym selbst bringen. Denn falls er sie nicht brächte, würde sie sich selbst umbringen.

Der Bruder erschrak darüber, daß seine Schwester ein solches Ansinnen stellte, und sagte: „Aber nicht doch, meine liebe Schwester! Zweimal schon habe ich dir die Mühsale, die ich auf der Fahrt zu der Dilrukesch erdulden mußte, und die Todesnöte, aus denen ich mich glücklich rettete, geschildert. So viel Gefahren gab es schon zu bestehen, als es nur galt, die Distel und den Spiegel der Dilrukesch zu bringen! Wenn ich aber jetzt gehe, um sie selbst zu holen, wer weiß, in wieviel Gefahren ich mich da erst stürzen werde! Komm, laß ab von diesem Wunsche! Quäl mich nicht so!“ Doch das Mädchen wollte auf nichts mehr hören.

Wir wollen es also kurz machen: Der Knabe nahm diesmal von der Schwester ernstlich Abschied für immer und machte sich auf die Fahrt, als ob es zum Sterben ginge. Die älteste Dew-Mutter war sein erstes Ziel. Er ließ ihre Hände nur los, um ihre Füße zu küssen, und gab ihre Füße nur frei, um wieder ihre Hände zu küssen, und flehte dabei innig zu ihr. Als er aber erklärte, daß er gekommen sei, um die Dilrukesch Hanym selbst zu holen, da erschrak die Dew-Mutter und sprach: „Weh, Knabe, was für eine vermessene Tat hast du vor? Diesmal wirst du dich kaum vor dem Tode retten. Laß ab von dieser Sache!“ und gab ihm viel gute Worte. Der Knabe aber bat und flehte und sagte: „Sterben gibt es für mich, ein Umkehren aber gibt es nicht. Ums Himmels willen, Mutter, zeig du mir den Weg zu meinem Ziel! Ich werde gehen und entweder sterben oder die Dilrukesch holen.“ Die Frau konnte schließlich dem Flehen des Knaben nicht mehr widerstehen und gab ihm wiederum folgende Weisungen:

„Mein lieber Sohn, du wirst wieder hingehen und den Schlüssel aus dem Brunnen holen. Dann öffnest du das Tor der Höhle und trittst ein. Vor dir wird sich ein ebener Weg auftun. Ohne nach rechts oder links zu schauen, verfolgst du im Dunkeln diesen Weg weiter und weiter. Wenn du schon eine ziemliche Strecke weit gegangen bist, kommst du ins Helle. Du wirst da auf einen Zypressenhain und weiterhin auf einen Friedhof stoßen, der für alle diejenigen bestimmt ist, die kommen, um die Dilrukesch zu holen. Alle sind von Kopf bis zu den Füßen zu Stein geworden. Du gehst immer weiter, ohne auf sie zu schauen. Sobald der Palast der Dilrukesch sichtbar wird, rufst du: „Dilrukesch!“ Was dann weiter mit dir wird, weiß ich nicht.“

Damit brach sie ab. Der Knabe nahm von der Dew-Mutter Abschied und machte sich eilig auf den Weg. Er kam vor den Brunnen, verrichtete wie früher ein Gebet und warf die Vögel, die er gefangen hatte, hinein, nahm den Schlüssel und trat durch das Tor der Höhle ein. Es war dunkel wie in einem unterirdischen Verliese. Ohne sich umzusehen, verfolgte er den Weg. Er ging und ging und ging. Da begann sich endlich heller Lichtschimmer zu zeigen. Der Weg führte in einen Zypressenhain aus Bäumen, von denen jeder mit seinen Wipfeln in den Himmel ragte. Kein Mensch und kein Dschinn war zu sehen, kein Laut und keine Stimme zu hören.

Der Knabe ging zwischen den Zypressen weiter und weiter und trat schließlich in den Friedhof ein. Doch, was mußte er da sehen? Es war gar kein Friedhof. Es waren wohl ohne Zahl und Grenze Steine in Menschengestalt aufgerichtet, aber es waren keine eigentlichen Steine. Jeder Stein war ein Mensch, der dort zu Stein erstarrt war. So großes Grauen den Knaben auch ankam, so nahm er sich doch zusammen und setzte seinen Weg weiter fort. Endlich hatte er das Ziel erreicht: In der Ferne tauchte ein hohes Schloß vor ihm auf, blinkend und strahlend und funkelnd wie die Sonne selbst, so daß ihm die Augen übergingen.

Wie er sich dem Schlosse näherte, rief er, der erhaltenen Weisung gemäß, so laut er es vermochte: „Dilrukesch!“ Da wurde er bis zu den Knien zu Stein. Wiederum rief der Knabe: „Dilrukesch!“ Da ward er bis zum Nabel zu Stein. Noch einmal, jetzt zum letzten Male, schrie er mit dem Aufgebot der letzten Kraft: „Dilrukesch!“ Eben sollte er bis zum Scheitel zu Stein werden, da kam Dilrukesch in goldenen Pantoffeln eilig herbeigelaufen, füllte die Goldschale, die sie in der Hand trug, sofort in dem Wasserbecken des Palastgartens und goß sie über den Knaben aus. Da wurde er wieder lebendig.

Jetzt redete ihn Dilrukesch an: „Sag, Knabe, was willst du? Einmal bist du gekommen und hast meine Distel geholt. Dann kamst du noch einmal und nahmst meinen Spiegel mit fort. Doch damit noch immer nicht genug, bist du jetzt sogar bis hieher gekommen. Danke deinem Schöpfer! Deiner in der Erde eingegrabenen Mutter hast du es zu verdanken, sonst wärest du heute zu Stein geworden!“ So schalt sie ihn noch. Schließlich sagte sie: „Sprich, was willst du eigentlich heute? Laß mich’s wissen.“ Als der Knabe ganz frisch und keck sagte: „Dich will ich, dich werde ich mit mir nehmen, gehe es, wie es will!“ da sprach Dilrukesch: „Wenn dem so ist, dann merke aber wohl auf meine Worte, sonst sind wir beide verloren! Ich gehe jetzt und hole aus dem Schlosse alle Sachen, die mir besonders zugehören, beschaffe zwei edle Rosse und komme dann hieher zurück. Wenn wir die Pferde besteigen und fortreiten, wird im Schloß ein furchtbares Krachen und Dröhnen losbrechen und alles sich von zu oberst zu unterst kehren. Du wirst aber kein einziges Mal dich umwenden und umschauen. Wir reiten unsere Straße unverzüglich weiter.“

Doch der Knabe erklärte mit aller Entschiedenheit: „Bevor ich nicht alle Menschen, die hier zu Stein geworden sind, wieder ins Leben zurückgerufen habe, gehe ich von hier nirgendshin.“

Dilrukesch ging in das Schloß, nahm die Kleinode an sich, die leicht an Gewicht, aber hoch an Wert waren, wie man ähnliche nur selten sehen kann, und stellte die Rosse bereit. Dann schöpfte sie mit der goldenen Schale Wasser aus dem Becken. Sie besprengte damit alle Steine, die da standen, und alle wurden wieder lebendig. Die Neubelebten zogen wieder ihres Weges. Im Schloß aber brach ein gewaltiges Dröhnen los.

Dilrukesch und der Knabe kamen, ohne sich einmal umgesehen zu haben, wohlbehalten geradeswegs zu der Höhle und zu dem Mädchen. Die Schwester kam ihnen entgegen. Sie küßten und umarmten einander. Einige Tage gaben sie sich der Ruhe und Erholung hin. Der Knabe wollte zwar auf die Jagd gehen, aber Dilrukesch gab ihm die Erlaubnis dazu nicht. Dilrukesch war nämlich die Tochter des Peri-Königs. Sie war darum schön, wie kein anderes Wesen auf der Welt. Auch der Knabe war unter den Menschen von einer unvergleichlichen Schönheit. So verliebten sie sich denn sterblich in einander.

Doch lassen wir die drei Personen in der Höhle sitzen und sich fort und fort vergnügen. Dilrukesch kannte als Tochter des Peri-Königs alle Vorfälle, die die Kinder selbst nicht wußten, so, wessen Kinder sie waren und wer sie in der Höhle ausgesetzt hatte. Sie gab daher dem Knaben eines Nachts Verhaltungsmaßregeln und sagte: „Morgen geh auf die Jagd! Der König wird dich sehen. Diesmal wird er es nicht mehr über sich bringen können: Er wird dich rufen lassen und dich nach kurzer Unterhaltung in den Palast einladen. Hüte dich und lehne ja nicht ab, zu kommen! Sag nur so viel, daß man dich am Tage der Einladung in den Gärten in feierlichem Aufzuge abholen soll. Dergestalt triff die Vereinbarung und dann komm wieder!“

Der Knabe ging also am folgenden Tage auf die Jagd. Er begegnete dem König und handelte ganz nach Anweisung der Dilrukesch. Diesmal begab sich der König ganz befriedigt in seinen Palast zurück. Auch der Knabe kam wieder zur Höhle und erzählte der Dilrukesch, was geschehen war.

Am Morgen des Tages, an dem der Knabe ins Schloß eingeladen war, stand Dilrukesch früh auf und weckte ihn und seine Schwester. Sie tranken ihren Morgenkaffee. Dann klatschte Dilrukesch in die Hände. Kaum hatte sie die Worte ausgerufen: „He, Lala, komm!“ da tauchte vor ihr ein Neger auf, so riesengroß, daß die eine Lippe die Erde, die andere den Himmel berührte. Er sagte: „Befiehl, meine Sultanin!“ Kaum hatte Dilrukesch noch ausgesprochen: „Schnell, sattle einen Renner von den edlen Rossen meines Vaters und bring ihn her!“ da brauste der Neger schon wie ein Sturmwind fort. In einem Moment war er wieder zurück und brachte ein unvergleichlich schönes Pferd. Sie ließ den Knaben aufsteigen und schickte ihn zu den Gärten.

Was sollte der Knabe da sehen? Ein prächtiger Zug erwartete ihn. Als die Leute des Zuges das Pferd, auf dem der Knabe ritt, und das mit Edelsteinen besetzte Sattelzeug erblickten, sahen sie einander starr vor Staunen an.

Aber ich muß um Verzeihung bitten. Beinahe hätte ich etwas vergessen. Wie der Knabe fortritt zum Schlosse, ermahnte ihn die Dilrukesch noch besonders aufs eindringlichste, ja sofort aufzustehen und zu kommen, sobald das Pferd wiehere, und beim Weggehen den König für den dritten Tag einzuladen.

Der Knabe schloß sich in den Gärten hinten an den Zug an und kam so mit allem gebührenden Prunk und Glanz, nach allen Seiten hin den Gruß bietend, zum Palaste. Es gab keine Ehrung, keine Aufmerksamkeit, die ihm dort nicht zuteil geworden, keine Gattung Musik, kein Spiel, die ihm nicht vorgeführt worden wären. Der Knabe unterhielt sich damit, dabei zuzuschauen. Er durchwanderte den ganzen Palast und plauderte dann ein wenig mit dem König. Als das Pferd zu wiehern und zu steigen begann, da stand er alsbald auf und bat um die Erlaubnis, gehen zu dürfen. Der König bat ihn zwar sehr, er möchte noch ein wenig bleiben. Aber der Knabe ließ sich nicht halten. Doch lud er den König für den dritten Tag zu sich ein und erklärte, daß er ihn bei den Gärten abholen werde. Der König nahm diese Einladung auch an. Der Knabe aber verabschiedete sich geziemend und kehrte zu der Höhle zurück.

Dilrukesch jedoch ließ an jenem Tage die in die Erde eingegrabene Mutter der Kinder von dem Platze, an dem sie sich befand, durch ihren Lala holen und machte sich sofort an ihre Heilung. Wie sehr die Arme auch entstellt war, war sie nicht ein Menschenkind? Dilrukesch wusch sie, schnitt ihr die Nägel, kämmte ihr die Haare, flößte ihr bald Heilmittel, bald leicht verdauliche Speisen ein und brachte sie so in den früheren Zustand zurück. Aber es erkannte weder die Mutter ihre Kinder, noch die Kinder ihre Mutter. In der Höhle wurde eine Frau gepflegt. Aber wer war es? Wer konnte die Dilrukesch fragen?

An dem Tage, an dem der König eingeladen war, standen alle früh am Morgen auf und sahen, daß der Ort, an dem sie sich befanden, nicht mehr die Höhle, sondern ein hoher Palast war, so herrlich, wie seinesgleichen die Augen noch nie gesehen, noch die Ohren eine Beschreibung davon vernommen hatten. Jedes Gemach des Palastes war mit den Stoffen einer anderen Stadt ausgeschlagen und allüberall war er mit den herrlichsten verschiedenartigsten Kostbarkeiten geschmückt. Und um auf den Park des Schlosses zu kommen: Dieser war in lauter Abteilungen zerlegt. Der eine Teil war für alle möglichen Vögel, der andere für tausenderlei Blumen bestimmt. Die dicht gedrängten Beete, die hier und dort errichteten Kioske zogen die bewundernden Blicke auf sich. Doch wir dürfen auch die Dienerschaft des Palastes nicht vergessen. Im Harem und im Selamlyk war eine zahllose Schar von Sklaven und Sklavinnen für jede Dienstleistung. Musiker und Sänger trugen Weisen vor, wie man sie noch nie gehört. Alles, was notwendig war, war da im reichsten Überflusse an dem ihm zukommenden Platze.

Als die Zeit nahte, da der König kommen sollte, wurde zu seinem Empfange ein gewaltiger Zug gebildet, dessen Beschreibung Wort und Schrift nicht vermögen. Auf Anordnung der Dilrukesch empfing dieser feierliche Zug den König bei den Gärten. Der König und sein Gefolge erstaunten über eine solche Machtfülle des Knaben. Sie dachten: „Dieser Jüngling ist sicher kein gewöhnlicher Sterblicher. Wenn er aber wirklich ein Mensch ist, so ist er von einer Peri verzaubert.“ Als sie aber mit dem Zuge weitergingen und in den Palast eintraten, da wuchs ihr Staunen ins Ungemessene.

Man führte den König in eines der prächtigsten Gemächer. Man schlürfte Kaffee und Scherbet in Menge. Die verschiedenartigsten Musiker und Sänger begannen ein Konzert. Die Vögel und die wilden Tiere ließen ihre Stimme erschallen. Auf einzelnen Teppichen wurde das Gastmahl aufgetragen. Man aß und trank nie gesehene Speisen und Süßigkeiten, von denen man sich nicht einmal hätte träumen lassen. Bis zum Abend ergötzte man sich an Taschenspieler- und Jongleurkunststücken, an Musik, Trommelspiel und vollem Konzert.

Als gegen Abend die Zeit zur Heimkehr des Königs nahte, wurde der König für sich allein von dem Jüngling aufgefordert, in ein Gemach des Harems zu kommen. Ein hohes prächtiges Zimmer nahm ihn auf. Es kam nun zuerst der Jüngling, hinter ihm Dilrukesch und hinter dieser die Mutter der Kinder und das Mädchen herein und küßten dem König den Saum des Gewandes. Der König sah mit Verwunderung auf alle und wußte vor Staunen nicht, was er machen sollte. Da setzten sich auf ein Zeichen der Dilrukesch alle vor dem Könige nieder.

Dilrukesch erzählte ihm nun unsere Geschichte von Anfang an bis zu Ende und teilte ihm mit, daß diese Kinder seine eigenen Kinder seien und daß die Frau seine reine und schuldlose Gattin sei. Es hätte wenig gefehlt, so hätte den König die Freude überwältigt, d. h. er wäre vor Freude gestorben. Sogleich umarmte und küßte er seine Frau und seine Kinder. Alle zusammen begaben sich dann in den Palast des Königs und feierten die Hochzeit des Jünglings mit der Dilrukesch. Der König wollte nun zwar voll wütenden Grimmes an den beiden Schwestern seiner Gemahlin Vergeltung üben, aber da alle für sie Fürbitte einlegten, verzieh er ihnen. Auch die Schwestern bereuten nunmehr, was sie getan hatten. Alle aber lebten bis zu ihrem Tode in eitel Lust und Freude.


Anmerkungen zur Transkription

Offensichtliche Druck- und Rechtschreibfehler wurden korrigiert. Bei Varianten der Schreibweise wurde die häufigste verwendet.

Die Zeichensetzung wurde nur bei eindeutigen Druckfehlern geändert.

Menzel ist Herausgeber und Übersetzer dieses Bandes. Georg Jacob ist Verfasser von Band 1 und Mitherausgeber der Serie.

Für dieses eBook wurde ein Cover erstellt und ist gemeinfrei.

 

[Das Ende von Türkische Märchen II edited by Theodor Menzel]