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Title: Goethe und die FikentscherThis ebook was produced by: Karl Eichwalder, David T. Jones & the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdpcanada.net
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Mustern wir die Namen der zahllosen Personen, von denen bekannt ist, daß sie mit Goethe in Verkehr standen, so wird uns die Wahrnehmung überraschen, wie die bedeutendsten Männer und Frauen seiner Zeit aus allen gebildeten Völkern mit ihm brieflich oder persönlich in Verbindung kamen, indem meistens jene es waren, welche den großen Mann aufsuchten und namentlich später in Weimar eine »Zusammenkunft der Renommeen« herbeiführten, wie sie selten oder noch nie um einen Menschen sich schaarten, zu dem nicht Eigennutz trieb.
Aber auch Goethe war nicht müßig Personen auszuspähen und festzuhalten, die in wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestrebungen mit ihm Hand in Hand gehen konnten. Davon zeugt der unendlich ausgebreitete Briefwechsel, der — allerdings in einem Zeitraum von 60 Jahren und einschließlich freundschaftlicher und herzinniger Verbindungen — bis jetzt an die 700 bekannte Adressaten aufweist.
Zu den gelegentlich eingeleiteten Verbindungen Goethe's gehört auch die mit der Familie Fikentscher [1] in Redwitz.
Goethe war 1820 in Eger mit dem dortigen Magistratsrath Grüner bekannt geworden, der sich bereit und geschickt fand, auf des Dichters mineralogische Forschungen einzugehen und ihm dabei hilfreich zu sein. Mit ihm machte Goethe Ausflüge in die Umgegend, dabei bemüht, Land und Leute, namentlich die verschiedenen Gewerbthätigkeiten kennen zu lernen.
Ein solcher Ausflug wurde am 10. August 1822 nach dem in der geraden Linie wenig über drei 3 Meilen, wegen Benutzung von Chausseen aber etwa 4 Meilen von Eger entfernten Redwitz verabredet, woselbst ein mit Grüner verschwägerter Freund desselben, Wolfgang Fikentscher, eine Fabrik besaß.
Wolfgang Kaspar Fikentscher war zum guten Theil ein selbstgemachter Mann. Er war am 3. Mai 1770 in dem damals unter böhmischer Landeshoheit stehenden Städtchen Redwitz als Sohn eines Bäckermeisters geboren und genoß seinen ersten Unterricht in der dortigen lateinischen Schule. In seinem zwölften Jahre kam er auf ein halbes Jahr zu seinem Oheim Dr. med. Miedel nach Weiden und besuchte während dieser Zeit dort die Schule. Dr. Miedel besaß eine Apotheke, die er auch selbst verwaltete; die darin ausgeführten Arbeiten zogen den jungen Fikentscher so an, daß er sich entschloß, Pharmaceut zu werden. Behufs Ausbildung für diesen Beruf wurde er in seinem vierzehnten Jahre in eine Apotheke zu Nürnberg in die [4] Lehre gegeben. Hier beschränkte er sich aber nicht auf Verrichtung seiner Geschäfte, sondern benutzte seine Freistunden zum Studium der wichtigsten chemischen Schriften. Er konnte dies zum Theil nur verstohlen ermöglichen und hielt sich z.B. nachts deshalb im Kamin auf, damit sein unerlaubtes Wachbleiben nicht durch das Licht verrathen würde.
Bei seiner Rückkehr ins Vaterhaus 1788 nahm Fikentscher von einem Winkel desselben Besitz, um für den Handel Präparate herzustellen, die in den Apotheken gebraucht werden. Er erzielte damit so bedeutenden Erfolg, daß er schon nach einem halben Jahre ein eignes Laboratorium herzustellen und seine Geschäftsreisen bald bis Wien auszudehnen sich veranlaßt fand. Schon in den Jahren 1794 und 1795 konnte er von dem Erworbenen sich ein ansehnliches Wohnhaus erbauen. Das Gebiet seiner Fabrikation von Chemikalien erweiterte er fortwährend; so unternahm er die Erzeugung verschiedener Quecksilberverbindungen, erbaute von 1825 bis 1836 vier Bleikammern zur Erzeugung von Schwefelsäure und legte überdies 1814 zunächst mit vier Theilhabern im sogenannten Reichsforste eine Glashütte an; seit 1817 arbeitete jeder dieser Theilhaber auf eigne Rechnung.
Bei allen diesen Gewerbserzeugnissen benutzte Fikentscher die neuesten Entdeckungen der Chemie, denen er mit ununterbrochener Aufmerksamkeit folgte und dadurch in der Lage war, besser und billiger arbeiten zu können, als seine weniger wissenschaftlichen Arbeitsgenossen. Dabei blieb Gewissenhaftigkeit sein oberster Grundsatz, und er erreichte dadurch, daß seine Fabrikate weit und breit berühmt waren. Der Werth seiner Erzeugnisse erreichte im letzten Jahre seines Lebens den Betrag von 160 000 fl. südd. W. (rund 275 000 Mark). Die Grundfläche der von Fikentscher zu seinen Fabriken in Redwitz (also außer der Glashütte) errichteten massiven Gebäude betrug an 2 bayerische Tagwerke ohne die Hofräume.
Auch im Gemeinde- und Staatsleben war Fikentscher thätig; er wurde 1806 in den Magistrat seiner Vaterstadt gewählt, bekleidete von 1809 bis 1824 die Stelle des Bürgermeisters und gehörte seit 1828 der Kammer der Abgeordneten des Königreichs Bayern an.
Seit 1796 war er mit Margaretha Barbara Grüner aus Wunsiedel verheirathet, die 1825 starb. Fikentscher selbst verschied am 7. März 1837 in Redwitz.
Derselbe war in jeder Hinsicht ein ausgezeichneter Mann. Für seine bedeutende Befähigung und seine unermüdliche Thätigkeit zeugen die Erfolge seiner Unternehmungen. Die Klarheit seines Geistes war so entschieden, daß er für Verworrenheiten ganz unzugänglich war; seine Offenheit ließ ihm auch im Geschäft keine Geheimnißthuerei zu; seine Sittlichkeit war ohne Tadel; seine Menschenfreundlichkeit bewog ihn zu eingehendster Fürsorge für seine Arbeiter, deren Gesundheit er so geschickt durch Vorkehrungen zu schützen wußte, daß [5] selbst die mit Bereitung von Quecksilberpräparaten beschäftigten keinen Nachtheil davon erlitten.
Neun Kinder entsprossen der Ehe Fikentscher's, der Reihe nach folgende: [2]
Georg, der, geboren am 26. Januar 1798, Arzt, zuerst in Selb, war und 1864 als Kreisphysikus zu Wunsiedel starb;
Friedrich Christian, geboren am 15. November 1799, von welchem nachher ausführlicher die Rede sein soll;
Henriette Katharina, geboren 1801, lebt in Puchhof;
Matthias Wilhelm, geboren den 27. August 1803, seit 1848 Fabrikbesitzer in Redwitz, lebt in Regensburg;
Rosalie, geboren den 20. Mai 1805, verehel. Dr. Reuß, Wittwe seit November 1858, gestorben Augsburg am 13. November 1876;
Christiane, geboren 13. Juli 1807, vermählt 1838 mit Dr. Emil Maximilian Dingler, dem Sohn des ersten Herausgebers des »Polytechnischen Journals« und dessen Nachfolger, Wittwe am 9. October 1874;
Friedrich Georg Joseph, geboren 19. October 1810, Zuckerfabrikbesitzer in Regensburg;
Auguste, geboren 16. Juli 1812, verheirathet mit Dr. med. Abel in Marienbad, Wittwe seit Mai 1850;
Johanna, geboren 22. Februar 1814, Gattin des Fabrikbesitzers Huscher in Asch.
Von diesen Kindern waren im August 1822 alle Töchter, von den Söhnen aber nur Friedrich Christian anwesend. Der letztere hatte sich ebenfalls zum Chemiker ausgebildet und war dann in das väterliche Geschäft eingetreten. Zu seiner weiteren Ausbildung besuchte er 1824 Paris, [und ging] 1830 mit seinem Bruder Wilhelm nach England. Erst spät dachte er daran, ein eignes Geschäft zu gründen und zwar zu Zwickau in Sachsen. Der Bau der Fabrik, die er hier zu errichten beschloß, begann 1846; nach ihrer Fertigstellung 1848 siedelte er nebst seiner Familie nach Zwickau über.
Zunächst hatte Fritz Fikentscher hier nur die Fabrikation von Glas und den dazu nöthigen Stoffen, wie Schwefelsäure, Salzsäure und von Quecksilberpräparaten, sowie Weinsteinsäure, Chlorkalk und Alaun ins Auge gefaßt. Später kamen noch andre chemische Producte hinzu; so die Herstellung von Kochsalz aus Kohlenschachtwasser und Arseniksäure. Im Laufe der Zeit wurde jedoch die Mehrzahl dieser Fabrikationszweige wieder fallen gelassen, theils aus dem allgemeinen Grunde, daß bei veränderten Gewerbsverhältnissen eine Fabrik nur durch Beschränkung auf einzelne Gegenstände gedeihen [6] konnte, theils aus besondern, durch die Concurrenz bedingten Ursachen. Dagegen bildete Fikentscher eine andre Fabrikation heraus: die von Thonwaaren aller Art. Die Veranlassung dazu gab der eigne Bedarf in der Fabrik an Steingefäßen, Chamottesteinen und Mauerziegeln; die bedeutendste Leistung in diesem Gebiet wurde aber die Erzeugung von Thonröhren, wodurch sich die Fabrik den ausgebreitetsten Ruf erwarb.
Diese rastlose, umsichtige Thätigkeit Fritz Fikentscher's erklärt es, daß das »Dresdner Journal« bei Meldung seines Todes sagen konnte: »Er war einer der geachtetsten Industriellen Deutschlands, ein Mann, der wie nur sehr wenige Wissenschaft und Leben zu vereinigen wußte.« Ein geistvoller Mann sagte einmal: »Wenn Fikentscher spricht, so möchte man ihm bei jeder Aeußerung zurufen, einzuhalten, damit man das Gesagte erst genießen könne.« König und Mitbürger zeichneten ihn aus: jener 1850 durch Verleihung des Königlich sächsischen Verdienstordens, diese durch seine Erwählung zum Landtagsabgeordneten seit 1854. Er starb zu Zwickau am 9. August 1864. Fritz Fikentscher war zweimal verheirathet, zuerst mit einer Tochter des Professor Trommsdorf.
Dieser Fikentscher also und sein Vater waren es, welche Goethe im August 1822 fünf Tage in Redwitz fesselten. Er erzählt selbst in seinem Reisetagebuch [3], daß er am 13. August abends 8 Uhr in Redwitz angekommen und von Herrn Fikentscher nebst Familie wohl empfangen worden sei. Das Gespräch an diesem ersten Abend bewegte sich um die frühern und die jetzigen Verhältnisse von Redwitz, welches Städtchen ein Besitzthum der Stadt Eger gewesen war und zu Böhmen gehört hatte, 1816 aber an Bayern abgetreten worden war, wodurch die Verkehrsverhältnisse des Orts manche Störungen erlitten hatten. Wurden einerseits diese beklagt, so gab doch andrerseits der Umstand, daß Redwitz früher auch unter der Polizeigewalt der Stadt Eger, demnach unter dem Rath Grüner gestanden hatte, zu scherzhaften Vergleichungen zwischen damaliger und jetziger Verwaltung Anlaß und erheiterte die Unterhaltung.
Goethe's Erzählung seines Aufenthalts bei Fikentscher zu Redwitz gehört hierher nur, soweit sie dessen Person und seine Familie betrifft, wogegen die Darstellung der Gegend, der Fikentscher'schen Besitzung, der Fabrikanlagen und der Fabrikation an diesem Orte übergangen werden wird. Es ist daher daraus zunächst zu erwähnen, was Goethe über die Familie unterm 14. August sagt: »Den Haus- und Hofherrn Fikentscher bezeichne als einen Funfziger, der in Nordamerika mit eigenen Kräften und Mitteln große Landstrecken urbar gemacht und beherrscht hätte, es aber freilich hier im cultivirtesten Lande, obgleich zwölfhundert Fuß über der Meeresfläche, viel besser [7] hat. Die häusliche Einrichtung gleicht aber jener über dem Weltmeer, wo man sich seine eigene Dienerschaft erzeugt. Mutter und zwei erwachsene, sehr hübsche Töchter, einfach aber elegant gekleidet, bedienen freundlich und anständig den Tisch, dazwischen sich niedersetzend und mitspeisend; zwei jüngere wachsen heran, zu jener Anstelligkeit sich bereitend. Von fünf Söhnen ist nur einer zu Hause, der älteste als Arzt in Selb angestellt, die drei jüngeren [4] in Erlangen zur Schule und zur Apothekerkunst durch Martius, den Vater des brasilianischen Reisenden, angehalten. Der nunmehr ältere, ein junger, lieber Mann von zweiundzwanzig Jahren, hatte schon früher beim Vater, der zuerst Apotheker gewesen, sich in diesen Künsten unterrichtet, sodann aber bei Trommsdorf im Erfurt'schen einen jährlichen Cursus durchlaufen, ist in der neuen Chemie ganz unterrichtet, indem das Haus auch die nothwendigen Journale hält, um einer Wissenschaft in ihrem Gange zu folgen, die bei solchen Unternehmungen im Großen von der höchsten Wichtigkeit ist, wie man an den Operationen sieht, die mir freundlich und umständlich mitgetheilt worden. — Wir besahen das Mineraliencabinet des Sohnes, welches, obgleich nur vor wenig Jahren angelegt, schon sehr gute und wohlgeordnete Stufen besitzt; überall bemerkt man Geschick und Nutzbarkeit, auch zeigen sich die höheren chemischen Zwecke bei geologischen und oryktognostischen Bemühungen. — Nach Tische fuhr Polizeirath Grüner weg, und ich ging mit dem Hausvater auf die nordwestliche Höhe über der Stadt, wo der Berg, Cossain genannt, im Südosten stehend, einen Theil des Zirkels schließt, das Fichtelgebirge verdeckt ist, die Bergesreihe hingegen, welche das Egerland gegen Norden umgiebt, in der fernsten Bläue zu sehen ist.«
Am 15. August fuhr Goethe früh 8 Uhr mit Fritz Fikentscher nach der Glashütte, welche vier Teilhabern, unter denen Wolfgang Fikentscher, gemeinschaftlich gehörte, jedoch so, daß jeder derselben zechum gesondert arbeitete. In der Hütte fand Goethe zufällig zurückgelegte, schnell gekühlte kleine Glaskolben, deren ausgeschnittener Boden die entoptische Farbenerscheinung trefflich gab, wozu ein ganz reiner Himmel vollkommen begünstigte. Es wurde sodann ein Glasstab absichtlich schnell verkühlen gelassen und seiner Gestalt gemäß höchst schön entoptisch gefunden.
Ueber die Heimfahrt bemerkt Goethe: »Wir fuhren den schrecklichen Weg zurück, und ich wäre der Mittagshitze ungeachtet den Berg gern hinabgegangen, hätte mein junger Begleiter sich nicht vor kurzer Zeit auf einer Fußreise an dem Hacken beschädigt.«
Dann heißt es: »Mittags mit der Familie. Zustände früherer Zeiten sowohl auf die Stadt, als die Einzelnen bezüglich wurden durchgesprochen. Sodann wendete man sich zu chemischen Versuchen.«
[8]Es galt nämlich theils Gläser herzustellen, welche bei hellem Grunde gelb, bei dunklem blau erschienen, theils solche, welche die entoptischen Farben zeigten. Goethe stand im weißen wollenen Schlafrock stundenlang mit Fritz Fikentscher an der Muffel und verfolgte die ihm für seine Farbenlehre so werthvolle Herstellung. Als ihm mitgetheilt wurde, daß für den Abend dieses Tags Gäste ins Haus gebeten seien, wäre er gern weggeblieben; als er jedoch die Verlegenheit über diese seine Absicht bemerkte und auf Fragen erfuhr, daß die Gesellschaft seinetwegen geladen sei, gab er zwar das Vorhaben gänzlichen Wegbleibens auf, zog sich aber bei Zeiten zurück, indem er Fritz F. mit einem »Kommen Sie, Freundchen!« aufforderte, ihm zu folgen. Als Anwesende nennt Goethe: Inspektor Schlommer, Syndicus Schmalz und Actuar Schnetter; das Gespräch drehte sich wieder um vergangene und gegenwärtige Verhältnisse bezüglich Redwitz.
Freitag den 16. August war wieder ganz den pyrotechnischen Versuchen gewidmet. Die trüben Scheibentäfelchen gelangen zuletzt in allen Abstufungen vortrefflich, da Fritz F. eine leichte Methode erfand, das Glas zu trüben; sie wurden zu Dutzenden fertig. Goethe erklärte dadurch einen seiner sehnlichsten Wünsche erfüllt. Die entoptischen Blättchen ließen zu wünschen übrig; doch wurden zwei schwarze Spiegel kunstgemäß gefertigt und das entoptische Gestell, wie Goethe es in der Farbenlehre angegeben hat, aufgerichtet, um dem Vater und Sohn Fikentscher die entoptischen Erscheinungen vorzuführen und sie zu befähigen, auf den eigentlichen Zweck der angeregter Verfertigung entsprechenden Gläser loszuarbeiten.
In der Familie waren wiederum die sonstigen und dermaligen Staatsverhältnisse, soweit sie Redwitz berührten, Gegenstand der Gespräche.
Am 17. August wurden die trüben Täfelchen gemustert und die meisten trefflich gefunden. Das Durchglühen und rasche Abkühlen der zu Hervorbringung der entoptischen Erscheinungen bestimmten Gläser wurde fortgesetzt und gelang allmälig besser. Die Atmosphäre war übrigens an diesem wie am vorhergehenden Tage den Versuchen nicht günstig.
Vor Tische unterhielt sich Goethe mit dem Vater Fikentscher über mancherlei, z.B. über das Verhältniß der Protestanten zu den Katholiken in Bayern. Mittags kam der Zustand von Kulmbach zur Sprache. Nachmittags wurden die chemischen Versuche fortgesetzt. Abends blieb Goethe für sich und dictirte seinem Kammerdiener Stadelmann Briefe.
Am Sonntag berichtigte er das Dictirte und packte die Glastäfelchen ein. Dann kamen Polizeirath Grüner und seine Frau wieder in Redwitz an. Er dankte jenem für die ihm verschaffte Bekanntschaft mit Fikentschers und erzählte von dem Erwerb der letzten Tage; mit Fikentscher dem Vater sprach er über das Chemisch-technische seiner verschiedenen Fabrikationen.
[9]Bei Tisch war die Unterhaltung lebhaft. Wiederum gedachte man der vergangenen Zeiten von Redwitz, welche die Alten nicht vergessen können, obschon die Jungen sich behaglich ins Neue finden. Mit Grüner gab's dialektische Scherze. Auf den Vorwurf, daß Redwitz eigentlich niemals eine Polizei gehabt habe, wurde erwidert, daß eben deshalb Bier, Fleisch und Brod ohne Tadel, Kaffeebrödchen wie nirgends seien.
Nachmittags 4 Uhr trat Goethe mit Grüners die Rückfahrt nach Eger an. Wie höchlich ihn der Aufenthalt bei Fikentschers befriedigte, sagt er nicht allein in seinem Reisetagebuch, das er der Großherzogin von Weimar zugehen ließ, sondern auch in Briefen an Major von Knebel und an Graf Kaspar von Sternberg vom 23. und vom 26. August 1822.
Obwohl Goethe nicht wieder nach Redwitz kam, so blieb er doch mit Fikentschers in dauernder Verbindung. So erbat er sich durch Brief an Rath Grüner aus Marienbad vom 13. August 1823 von Fritz F. geographische Barometerdarstellungen für die letzte Zeit, und am 22. desselben Monats traf er mit diesem in Eger bei Grüner zusammen. Werthvolle Zeugen von Goethe's Verkehr mit Fikentschers sind aber mehrere Briefe, die er an Vater und Sohn schrieb. Dieselben sind nachstehends abgedruckt und zwar fünf nach den im Familienbesitz befindlichen Originalien, die wie gewöhnlich dictirt und von Goethe nur unterzeichnet sind, der erste Brief aber nach dem Entwurf, der sich in der reichen Sammlung des Geheimen Rath Dr. von Loeper, PFDH, befindet.
Ihre reiche und höchst willkommene Sendung, mein Werthester, ist seiner Zeit glücklich bei mir angekommen und freut mich doppelt, da sie meine Sammlungen ergänzt und mich zugleich an die schönen Tage erinnert, die ich im Kreise Ihrer werthen Familie zugebracht. Empfehlen Sie mich allerseits und nehmen beikommende Stufen mehr als Zeugniß meines dankbaren Andenkens, als für ein Aequivalent Ihrer bedeutenden Gaben; erinnern Sie Sich dabei eines aufrichtig Theilnehmenden, der nichts mehr wünscht, als im nächsten Jahre abermals einige Zeit in Ihrer Nähe zu verleben und sich einer an der Hand des theoretischen Studiums immer fortschreitenden technischen Thätigkeit als Augenzeuge zu erfreuen.
Weimar, den 10. November 1822.
Zu bemerken ist hierbei, daß Goethe für das fünfte Wort dieses Briefes »interessante« dictirt, und dies zu Beseitigung des Fremdwortes zuerst eigenhändig in »bedeutende« geändert hatte; letzteres änderte er zuletzt, da es weiterhin noch einmal vorkommt, in »willkommene« ab.
Sie haben, mein Werthester, erlaubt, daß ich in einer Angelegenheit, die zwar nicht von Bedeutung, aber doch für mich von Belang ist, Ihre Gefälligkeit zu weiterer Besorgung anspreche.
Hierbei folgen die Zeichnungen von mehreren Sorten von Gläsern, anatomischen und naturhistorischen Zwecken bestimmt, welche Sie die Gefälligkeit haben wollen, auf der genannten Glashütte ohne Weiteres zu bestellen, auch die Förderung der Arbeit bestens zu empfehlen.
Indessen wünschte zu meiner Kenntniß die Preise der Gläser zu erfahren, nicht um die Arbeit aufzuhalten, sondern nur die Behörde anzuweisen, was sie nach glücklicher Ablieferung der Glaswaaren zu bezahlen habe.
Ferner möchte benachrichtigt sein, auf welchem Wege man die Bezahlung wünscht, welche von uns an jedem Handelsorte geleistet werden kann; denn wie es manchmal geschieht, daß dem Fuhrmann die Zahlung zu erheben aufgetragen ist, hab' ich in solchen Fällen unbequem gefunden, weil die subalternen Personen sich nicht immer berechtigt finden und daher Stocken und Saumsal entsteht.
Zu adressiren wäre die Sendung an: Michael Färber, als Schreiber angestellt bei den Großherzoglichen Museen zu Jena.
Könnt' ich die Zeit erfahren, wann ungefähr die Sendung zu erwarten stünde, so würde dieses das kleine Geschäft noch sicherer machen.
Noch einen Umstand wünscht' ich zu erfahren: zu welcher Zeit nämlich eine fernere Bestellung dem Glasmeister angenehm wäre, da ich mich erinnere, daß nicht zu allen Jahreszeiten dergleichen Arbeiten zu verfertigen vortheilhaft ist.
Sollte Ihnen, mein Werthester, noch irgend etwas beigehen, das bei der weiten Entfernung die Communication leichter und sicherer erhielte, so würden Sie mich sehr verbinden, wie ich denn auch zuletzt noch die Adresse der Glasfabrik zu allenfallsigen unmittelbaren Bestellungen erbitte, nicht minder nach vollendeten Arbeiten die Zeichnungen wieder zurückwünsche.
In Hoffnung bei meiner Zurückkunft nach Eger das Nähere bestimmt zu sehen und, wenn meine Wünsche gelingen, von Ihnen persönlich das Weitere zu erfahren.
Daß Ihr Herr Vater, wie in Eger der Fall war, mit seiner Cur noch immer zufrieden sein möge, wünsche von Herzen und empfehle mich allerseits:
Marienbad,
ergebenst
den 13. Juli 1823
J.W. v. Goethe.
Soeben als Gegenwärtiges abgehen sollte, erhalte ich Ihr schnell gefördertes Schreiben, wofür ich ganz besonders Dank sage; denn es giebt den schönsten Beitrag zu denen von mir gesuchten und gesammelten Erfahrungen. Daß Sie schon einiges Glaswerk zur Probe bestellt, ist mir sehr angenehm; denn auch dies können wir brauchen. Mit der Sendung und was daraus folgt, bitte zu verfahren wie gegenwärtiges Blatt anzeigt. Die barometrischen Mittheilungen bitte fortzusetzen. Schönstens grüßend, das Beste wünschend
Marienbad, den 13. Juli 1823. G.Im neunten Absatz vorstehenden Briefes hat Goethe »das Nähere« eigenhändig für das vom Schreiber gesetzte »näher« berichtigt.
Ew. Wohlgeboren
haben vorm Jahr die Gefälligkeit gehabt, eine Sendung Präparatengläser von einer Ihnen bekannten Glasfabrik im Königreiche zu vermitteln. Sie ist zur rechten Zeit angelangt und man hatte alle Ursache damit vollkommen zufrieden zu sein.
Ich nehme mir die Freiheit, dieselben gegenwärtig um eine ähnliche Bestellung zu ersuchen. Die Zeichnungen liegen bei; von jeder Nummer werden sechs Stück gewünscht, sowie baldmögliche Förderniß und gute Packung.
In angenehmer Erinnerung der bei Ihnen und den Ihrigen zugebrachten frohen und belehrenden Tage habe ich die Ehre mich zu fernerem geneigten Andenken bestens zu empfehlen.
Weimar, ergebenstDie verzögerte Antwort auf vorstehenden Brief brachte Goethe am 30. October 1824 durch Rath Grüner in Erinnerung, durch den er dann wieder am 7. Februar 1827 »Herrn Fikentscher« für Besorgung von Glaswaaren danken ließ.
Schon mehrmals haben wir Ew. Wohlgeb. Güte in Anspruch genommen, wenn es sich von Fertigung der Gläser für anatomische Präparate handelte; auch jetzt sind wir in dem Fall dergleichen, aber von bedeutenderer Große zu bedürfen und ersuchen Sie, bei der bekannten Glasfabrik in Bestellung zu geben, daß vier Stück von nachbenannter Größe mit besonders sorgfältig gearbeitetem Rande gefertigt und anher gesendet werden.
Obgleich diese Gläser mehr Mühe und Aufmerksamkeit erfordern wie die früheren, so hoffen wir doch, daß sie mit eben der Sorgfalt wie die frühern gefertigt und wohlgepackt glücklich bei uns einlangen werden.
[12]Hiermit den Wunsch verknüpfend, es möge Ihnen und Ihrem Hause alles wohl gelingen und Sie in guter Stunde auch meiner und meiner früheren Anwesenheit freundlich gedenken,
Weimar, Ew. Wohlgeb.nehme mir die Freiheit in dankbarer Erinnerung freundlicher gastlicher Aufnahme und bisher erwiesener Gefälligkeit abermals eine Bestellung zu der Glashütte zu übersenden, welche früher unsern wissenschaftlichen Bedürfnissen gar gute Hülfe geleistet. Wollten Sie indeß die Gefälligkeit haben, mir die Adresse der Hütte selbst zu überschreiben, damit man in der Folge Ihnen beschwerlich zu fallen nicht Ursache hätte. Mit den Zeichnungen der gewünschten Gläser folgen auch noch einige Bemerkungen und Wünsche, deshalb ich auch besondere Empfehlung dorthin mir erbitten darf.
Der ich mein Andenken in dem werthen Familienkreise erhalten und ohnschwer einige gefällige Nachricht von dorten wünschend die Ehre habe mich zu unterzeichnen
Weimar, Ew. Wohlgeb.haben, wie ich hoffe und wünsche, meine Sendung des vergangenen 21. Juni wohl erhalten und dieselbe weiter an die bekannte Glasfabrik befördert. Gegenwärtig befinde ich mich in dem gleichen Falle Dieselben nochmals um die nämliche Gefälligkeit anzugehen. Es hat sich nämlich eine andere Behörde an mich gewendet um eine ähnliche Bestellung zu besorgen. Die Zeichnungen liegen bei mit einigen Bemerkungen, welche hier nicht wiederhole.
Durch Hrn. Rath Grüner vernehme das Erwünschte von Ew. Wohlgeb. und Familie. An einem glücklichen Erfolg der wohleingeleiteten Geschäfte kann es freilich nicht fehlen. Ihr Hr. Sohn befindet sich in England, als ein vorzüglicher Deutscher gewiß zu seinem Vortheile, und so habe nur gute Gesundheit und Fortsetzung solcher günstigen Umstände zu hoffen.
Hochachtungsvoll[End of Goethe und die Fikentscher by Woldemar von Biedermann]
[Fin de Goethe und die Fikentscher par Woldemar von Biedermann]